HEIMSPIEL
An vielen staatlichen und privaten Musikschulen in Deutschland bleibt die Suche nach einem Angebot im Folkbereich oft vergeblich. Im Vordergrund stehen klassische Musik und Instrumente wie Klavier, Geige, Gitarre oder Blockflöte. Doch gibt es mittlerweile positive Entwicklungen, zum Beispiel in Form einer privaten Musikschule in Halle an der Saale, in der ausschließlich Folk unterrichtet wird. TEXT: SABRINA PALM
Sind städtische Musikschulen oft auf klassische Musik ausgerichtet, haben viele private ihre Nische im Bereich der Pop- und Rockmusik gefunden. Der Folk kommt im regulären Unterrichtsangebot meist nicht vor. Viele Musiklehrer geben sich trotzdem große Mühe, den Interessen ihrer Schüler nachzukommen, und nehmen hin und wieder Folkstücke im Unterricht durch.
Aber ausreichendes Wissen haben die meisten von ihnen nicht. Ein Hauptgrund dafür liegt in der Ausbildung der meisten Musikpädagogen. Diese orientiert sich vor allem an abendländischer Kunstmusik von Komponisten wie Bach, Mozart oder Schubert. An der Hochschule für Musik in Detmold beispielsweise werden Jazzbassisten zwar zum Studium zugelassen, können dann aber ihr Fach nicht studieren, sondern nur allgemeine Fächer wie Schulmusik oder Elementare Musikpädagogik (EMP). Und dabei geht es um den in Deutschland gut etablierten Jazz, nicht einmal um Folk. SelbsthilfeEinige Musiklehrer bemühen sich selbst um Fortbildung und besuchen die zahlreich angebotenen Workshops für Folkmusik in Deutschland, um dann ihren Schülern ein wenig mehr Authentizität vermitteln zu können. Solche Workshops finden, für Musikpädagogen, Musikstudenten und Musiker, sehr erfolgreich beispielsweise auf der Burg Fürsteneck in Hessen, in der Bildungsstätte Scheersberg in Schleswig-Holstein oder der Proitzer Mühle in Niedersachsen statt. ... mehr im Heft
Des Bladlzeig derfns alle mit hoam nehme, is ja nur a Papier, begrüßt Ernst Schusser sein Publikum. 15 Besucher des Freilichtmuseums Glentleiten des Bezirks Oberbayern (im Laufe der Veranstaltung verdoppelt sich der Chor) sitzen erwartungsvoll im Halbkreis auf Bierbänken um den Bezirksvolksmusikpfleger und seine Kollegin, Eva Bruckner. Sie greifen nach den ersten Noten- und Textblättern, die der bär(t)ige Mittfünfziger ihnen reicht. So urbayerisch, wie er sich anhört und so traditionell, wie man sich den Leiter des oberbayrischen Volksmusikarchivs vorstellt, schaut er gar nicht aus: Kariertes statt Trachtenhemd, leichte Stoff- statt Lederhose, Strohhut statt alter Filz. TEXT: KAY REINHARDT
Ernst Schusser ist nach Wastl Fanderl, dessen TV-Reihe Baierisches Bilder- und Notenbüchl in den Siebzigerjahren sehr beliebt war, und nach Wolfi Scheck der dritte hauptamtliche Volksmusikpfleger Oberbayerns. Auch er bringt Menschen aller Generationen traditionelles Liedgut mit ganzem Herzen, mit Musizierfreude, Fachkompetenz und natürlicher Autorität nahe. Rund 100 Mal im Jahr ist er mit Eva Bruckner in ganz Oberbayern unterwegs, um geselliges Singen zu verschiedenen Themen anzuleiten. Anlass für das gemeinsame Singen auf der Glentleiten ist die Sonderausstellung Waldgeschichten – Forst und Jagd in Bayern 811-2011, entstanden in Kooperation zwischen Museum und Bayerischem Hauptstaatsarchivs München, die auch eine Hörstation mit Wildererliedern beinhaltet. Verführung zum SelbersingenWir wollen diese Schau mit Liedern über den Wald und die Holzarbeit, über Flößerei und Zimmerei, über Jäger und Wildschützen illustrieren, sie um musikalisch-emotionale Zeugnisse ergänzen, sagt Ernst Schusser. Bestimmt könnten auch die Wohnhäuser, Stadel, Mühlen und anderen Baudenkmale, die aus allen Teilen Oberbayerns an diesen Hang am Rande des Kochelsees umgesetzt worden sind, manche Geschichte über Holzarbeit oder Wilddiebe erzählen. Ernst Schusser kommt gleich zur Sache: Jetzt fang ma amoi ganz leicht o! Er spielt auf dem Akkordeon die Melodie des Liedes Mein Vater sei Häuserl vor und singt dazu, Eva begleitet ihn auf der Gitarre. Volksmusikarchiv und Volksmusikpflege des Bezirks Oberbayern ... mehr im Heft
Seit 40 Jahren betreibt Rolf Schubert sein Concert Büro für Jazz, Blues und Gospel. Der Wahlkölner vermittelt Bluesgrößen wie Angela Brown, Stars der Zydecoszene wie Nathan Williams, Boogiepianist Little Willy Littlefield und die berühmten Holmes Brothers. In Vorträgen plaudert Schubert über die Geschichte der Schwarzen in New Orleans und die Auswirkungen von Hurrikan Katrina, über Soul Food, Juke Joints und den Chitlin Circuit. Wer die Atmosphäre in den Clubs von Chicago und New Orleans live erleben will, für den empfiehlt sich Schubert als versierter Reiseleiter, abseits aller Touristenpfade und getreu seinem Motto: The best in blues and jazz for you. TEXT: SYLVIA SYSTERMANS
Eigentlich wollte Rolf Schubert Schlagzeuger werden. Doch aus der eigenen Schülerband flog er mangels Talent bald wieder raus. Stattdessen organisierte der Sechzehnjährige erste Konzerte, stiefelte ins Büro des Krefelder Kulturamtsleiters und warb für die eigene Sache. Der hat sich gewundert, dass da so junge Typen bei ihm saßen und sagten, sie bräuchten finanzielle Unterstützung. Die Unterstützung wurde ihm gewährt und Rolf Schubert holte Ende der Sechzigerjahre Größen wie die Dutch Swing College Band und Mama Washboard Beryl Bryden, Klaus Doldingers Passport, Insterburg & Co und Chris Barber nach Krefeld. Mit 18, das Abitur gerade in der Tasche, organisierte er das erste Konzert auf eigene Faust, zog von Krefeld nach Köln, schrieb sich für Jura ein. Doch statt Vorlesungen zu besuchen, schmiedete er folgenreiche Pläne mit Folkgitarrist Rick Abao. Wir saßen in meiner Studentenbude. Der hat meine letzten Butterbrote aufgegessen und gesagt, er brauche einen Manager. Da bin ich der falsche, konterte ich. Egal, er brauche einen und bringe mir das alles bei. Mit Rick Abao bin ich dann zwei, drei Jahre durch die Lande gezogen. Jahre, in denen Rolf Schubert sein Handwerk lernte. Das Jurastudium hängte er nach zehn Semestern an den Nagel. Längst verdiente er sein Geld mit seinem Konzertbüro für schwarze Musik. 1977 reiste er das erste Mal in die USA, wohnte bei Musikern in Chicago und New Orleans. Viele seiner Helden aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren erlebte Schubert noch selbst: Little Brother Montgomery saß bei mir im Wohnzimmer und hat mir Geschichten vom Mississippi der Zwanzigerjahre erzählt. Und ich habe noch mit Odetta zusammen gearbeitet. Wenn die alte Dame von ihrer Zusammenarbeit mit Martin Luther King in der Bürgerrechtsbewegung erzählte, waren das schon verdammt bewegende Momente. ... mehr im Heft
Mitten auf dem Spittelberg in Wien leitet die gebürtige Perserin Nuschin Vossoughi das Theater am Spittelberg. Sie hat diesen Veranstaltungsort zu einem Hort der neuen Wienerlied-Szene und der internationalen Musikbegegnungen gemacht. Ihr Credo Ich habe mich durchzusetzen, basta hat gewirkt. TEXT: HARALD JUSTIN
Spittelberg muss man gesehen haben. Kein Touristenführer kommt ohne den Hinweis auf dieses Viertel Wiens aus. Ein Spital befand sich einst dort – daher der Name -, vom Spittelberg her bedrohten einst Türken und Napoleons Truppen die Stadt. Später, im 19. Jahrhundert, wohnten dort bei ständig verfallender Bausubstanz des Barock laut Baedecker die unteren sozialen Schichten zusammen mit Volkskünstlern und Bänkelsängern. Die frivolen Spittelberglieder entstanden, das Leben war bunt und armselig, und wahrscheinlich wäre es mit dem Verfall weitergegangen, hätte die Stadtverwaltung sich in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts nicht auf den Charme dieses von kleinen Straßen gebildeten Viertels besonnen, das sich in direkter Nähe des Museumsquartiers befindet. Mit der Renovierung kamen die Künstler wieder, Boutiquen, Alternativläden, viele Lokale etablierten sich und das im Zentrum liegende Amerlinghaus wurde zur ersten Anlaufstelle für soziale Initiativen. Marx is muss, verkündet ein Plakat, alle Tage wird zur Weltrevolution oder, eine Ecke weiter, zumindest zum Seniorentanz aufgerufen. Nur durch ein Durchgangslokal vom Amerlinghaus getrennt, befindet sich das Theater am Spittelberg. Es als ein Kraftzentrum der Musik Wiens zu bezeichnen, dürfte keine Übertreibung sein. ... mehr im Heft |
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