In Deutschlehrern entdeckt er die Schuldigen an allen Übeln, mit Satan aber hat er Mitleid. Bissige Formulierungen und stets mehr als eine Prise Selbstironie gehören zu den wichtigsten Zutaten, aus denen Sebastian Krämer seit fast zwanzig Jahren seine Lieder mixt. Musikalisch setzt er meist auf das traditionelle Chansonklavier, aber auch die Vorzüge eines Kammerorchesters weiß er zu schätzen. TEXT: STEPHAN GÖRITZ Auf die Bühne kommt er mit Weste, Schlips und Anzug, als wolle er eine Lebensversicherung verkaufen. Dabei hat er vieles im Angebot, bloß keine Sicherheiten. Am meisten interessieren Sebastian Krämer die, die es an den Rand der Zurechnungsfähigkeit verschlägt. Wie den Ich-Erzähler in Manchmal höre ich die Stimme noch, der in einem Brief berichtet, dass er jetzt als Angestellter einer Imbisskette ein ganz normales Leben führe. Doch dann erschrecken wir das erste Mal, als er gesteht, dass er diese Stimme zwar manchmal noch hört, sie inzwischen aber normal spräche und auch ne Therapie gemacht habe. Sie lässt die Adressatin des Briefes grüßen, die – zweiter Schreck – vielleicht noch im Koma liegt. Doch das, so der Schreiber, wäre nicht schlimm: Dann lies den Brief halt etwas später. / Mich lässt man ja nicht zu dir, so als Täter. Wenn man begriffen hat, dass die Vorgeschichte aus einem Mordversuch des Erzählers bestehen muss, darf man sich fragen, warum der sich immer dann an das Geschehene erinnert, wenn er die Hackfleischscheiben auf die Whopper tut. Und warum soll besagte Stimme ein Spitzenkoch sein? Sicher ist nur, dass ein Wort wie Kannibalismus im Text nicht auftaucht (muss es auch nicht mehr) und dass es sich bei der vom Erzähler behaupteten Überwindung alter Wahnvorstellungen bestenfalls um Selbstbetrug handelt.
Doch Krämer verurteilt seine Liedfigur nicht. Bewerten soll der Hörer, erklärt er. Ein paar Lieder aber gibt es schon, in die er eine klare Wertung hineingeschrieben hat: so in sein Porträt eines jungen Mannes, der ein falsch herum getragenes Kruzifix für eine Weltanschauung hält und überzeugt ist, der Teufel persönlich würde ihn ernst nehmen. Krämer empfindet bei seinem Anblick nur Mitleid mit Satan und vermutet, dass der Teufel von Satanisten so angeödet ist wie Helge Schneider von aufdringlichen Fans. ... mehr im Heft |
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