LIEDERMACHER, POET UND IKONE
Zum 25. Todestag von
JOSÉ AFONSO
Seine Lieder leben
in der Musik junger Interpreten weiter
José Afonso starb am vergangenen Montag – völlig verarmt – in
Setúbal, schloss der Spiegel vor 25 Jahren eine kurze Meldung über
den am 23. Februar 1987 im Alter von 57 Jahren verstorbenen portugiesischen
Liedermacher. Er litt an amyotropher Lateralsklerose, einer Nervenkrankheit, die
zu Lähmungen und Muskelschwund führt. Heute findet man seine CDs höchstens noch
in seiner Heimat. Außer einem sehr kurzen Beitrag in Wikipedia sucht man im
Internet vergeblich deutschsprachige Hinweise über den Musiker. Ganz anders in
Portugal. Dort ist der Mann eine Ikone. Grândola, Vila Morena steht für den
Beginn der Nelkenrevolution. Seine Lieder werden Jahr für Jahr von unzähligen
Musikern aufgenommen. José Afonso war für Portugal das, was Victor Jara für
Chile, Woody Guthrie für die USA oder Mikis Theodorakis für Griechenland waren,
ein großer Musiker und ein engagierter Kämpfer gegen den Faschismus und für die
Freiheit seines Landes.
TEXT: MARTIN STEINER
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www.aja.pt
alfarrabio.di.uminho.pt/zeca/index.html
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AUSWAHLDISKOGRAFIE:
Enquanto Há Força (1978, Orfeu)
Fados De Coimbra E Outras Canções (1981, Orfeu)
Galinhas Do Mato (Ventilador; 1985; erschien in Deutschland 1990 bei Westpark unter dem Titel Für José Afonso)
Grândola, Vila Morena / Com As Minhas Tamanquinhas (Westpark, 1990; enthält
die Alben Cantigas do Maio, Orfeu, 1971, und Com As Minhas Tamanquinhas, Orfeu, 1976)
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Am 29. März 1974 tritt Zeca Afonso, wie man ihn in Portugal nennt, im Lissaboner
Colisseu auf. Unter den Zuhörern befinden sich viele Liedermacherkollegen und
Poeten. Afonso bittet seine Freunde auf die Bühne, um mit ihm zusammen mit dem
Lied Grândola, Vila Morena das Konzert abzuschließen. Im Publikum sitzen auch
Offiziere des linksgerichteten MFA, des Movimento das Forças Armadas. Sie
entscheiden sich, das Lied als Signal für den Auftakt der Revolution zu
verwenden. Am 25. April, 00:20 Uhr, ertönt Grândola, Vila Morena aus dem
Äther. Das ist der Startschuss für die oppositionellen Offiziere, die Panzer aus
den Kasernen rollen zu lassen und die Revolution auszurufen. Die von der Junta
aufgebotenen Regierungstruppen laufen zum großen Teil zu den Aufständischen
über. Knapp 18 Stunden später ist die älteste Diktatur Europas gestürzt.
Wenn die jungen Leute Rockmusik bevorzugen, dann braucht es qualitativ hochwertige Rockmusik.
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Doch Afonso war weit mehr als ein Revolutionssänger. Er war ein Poet, einer, der
die Tradition seiner Leute genau studiert hatte und seine Überzeugungen lebte.
Die Einkünfte aus seinen Alben soll er den Armen aus den Vorstädten Lissabons
und den Bauern des Alentejo geschenkt haben. Das Lied Viva O Poder Popular des
Albums Enquanto Ha Força (1978) spricht eine klare Sprache:
Alter Wein, neuer Wein
all das, was die Erde hergibt
gebt die Fässer dem Volk
nur dieses weiß, wie man sie lagert
In der Folge wird das Lied noch expliziter: Afonso wettert über portugiesische
Militärs, die sich von kolonialistischen Faschisten zu Demokraten wandeln. Willy
Brandt und Giscard d'Estaing bezeichnet er als Affen, denen der Kapitalismus den
Kopf verdreht hat. Hört man die Musik, ohne die Worte zu verstehen, fühlt man
sich in ein kleines Nest in Portugal versetzt. Mit Gitarre, Akkordeon und
Handperkussion spielen die Musiker zum Tanz auf. Ganz und gar unverfänglich,
tief volksverbunden tönt die Musik. Das ist durchaus nicht erstaunlich. Die
ländliche Volksmusik im Portugal des 20. Jahrhunderts war die Musik der Armen,
des unterdrückten Volkes.
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