Weiter draußen – Schamlos
JAN UND KAI DEGENHARDT
IM SCHATTEN
DES TITANEN
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Was haben Klaus Mann, Michael Douglas und Charlie Sheen gemeinsam? Und was
verbindet Julian Lennon, James Jagger, James McCartney und Joe Sumner? Sie alle
sind nicht nur Söhne berühmter Väter – das alleine kann unter Umständen
schon genügend Konfliktstoff bergen -, nein, sie versuchten und versuchen
obendrein ausgerechnet im gleichen Metier wie die erfolgreichen Väter Fuß zu
fassen. Ein klingender Name kann unter Umständen die eine oder andere
Karrieretür öffnen, er zwingt aber gleichzeitig auch immer zum Vergleich, was
sich als ausgesprochen hinderlich erweisen kann. Und nicht selten steht der böse
Verdacht im Raum, öffentliche Aufmerksamkeit eher durch den Namen des Vaters als
durch eigene Begabung und Leistung zu erfahren. Eine zusätzliche Herausforderung
ist es in jedem Fall, Sohn eines anerkannten Künstlers zu sein.
TEXT:
KAI ENGELKE
Jedes Lied kann
Veränderungen
herbeiführen.
(Jan Degenhardt)
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Jan und Kai Degenhardt sind sogar in zwei Berufen ihres Vaters Franz Josef
Degenhardt heimisch: Beide studierten Jura und beide sind als politisch
motivierte Liedermacher unterwegs. Und der große Name? Offensichtlich kein
Problem.
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Klar bin ich von meinem Vater beeinflusst, sagt Kai Degenhardt, ich bin ja
nicht nur sein Sohn, sondern
bin knapp zwanzig Jahre mit ihm auf Tour gewesen.
Kann sein, dass mir der Name und die langjährige Zusammenarbeit schon ein wenig
Aufmerksamkeitsvorschuss einbringen, während es auf der anderen Seite dazu
einlädt, mich permanent mit ihm zu vergleichen. Ich kann damit aber ganz gut
leben. Seit 1987 hat Kai auf allen Platten seines Vaters nicht nur Gitarre
gespielt, sondern auch wesentlich zu den jeweiligen Arrangements beigetragen.
Kai Degenhardt (geboren 1964) lebt als Singer/Songwriter in Hamburg und betreibt
dort sein kleines Label namens Plattenbau, auf dem er neben seinen eigenen Alben
auch Künstlerkollegen wie Bernd Köhler, Kalla Wefel oder die Gruppe Gutzeit
veröffentlicht.
Publikumschancen hin oder her -
ich möchte lieber weiter gegen
die Verhältnisse ansingen und
-spielen. (Kai Degenhardt)
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Ich mag seine Lieder, sagt Jan Degenhardt über das Werk seines Vaters. Es
sind ja nicht nur Lieder, die mich an persönliche Dinge erinnern, sondern sie
beschreiben meist sehr treffend das damalige Zeitgeschehen, sie sind also ein
riesiger Teil meiner eigenen Geschichte. Und natürlich werde ich immer wieder
auf meinen Vater angesprochen, wenn ich selber Konzerte gebe. Ich komme also gar
nicht um eine Auseinandersetzung mit seinem Werk herum. Künstlerisch haben wir
unterschiedliche Ansätze, auch philosophisch, aber das macht es für mich ja
nicht weniger interessant, im Gegenteil. In meinen Konzerten spiele ich übrigens
immer ein oder zwei Lieder von ihm.
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JAN DEGENHARDT
Schamlos
(Conträr 62/Indigo 952542, www.j-degenhardt.de)
12 Tracks, 50:17
Nicht der Sänger ist schamlos, sondern die gesellschaftlichen Zustände sind es,
die er in bester Liedermachertradition, allerdings im zeitgemäß-modernen
musikalischen Gewand, schildert und anprangert. Und diese Stimme – der
junge Degenhardt! Na, ist er ja auch. Inhaltlich zupackend, provokativ,
entlarvend und poetisch; musikalisch intelligent, fantasievoll und ziemlich
vielseitig – das sind die zwölf neuen Lieder von Jan Degenhardt. Lieder,
die man nicht im Hintergrund abspielen, sondern ganz bewusst anhören sollte, am
besten mit dem Booklet in der Hand. Wohin hat uns der Missbrauch der Demokratie
geführt? So durchgeknallt war sie noch nie, die Demokratie. Bedrückend und
erhellend zugleich das Lied über Lynndie England, jene junge US-Soldatin, die
im Namen der Freiheit folterte. Auch über die Liebe singt Jan Degenhardt. Denn
seit Bert Brecht und spätestens seit Erich Fried wissen wir, wie eng Liebe und
Politik miteinander verknüpft sind. Auch Jan Degenhardt hat keine Patentrezepte
gegen die menschliche Dummheit anzubieten. Dennoch: Es lohnt sich allemal, ihm
zuzuhören.
Kai Engelke
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FOLKER auf Papier
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