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MUSIK IST EINE GABE
WALTHER
SOYKA
DER WIENER HERR DES KNÖPFERL UND SEIN
ENTFERNTER VERWANDTER IN LOUISIANA
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Ganz Wien versinkt im Sumpf des butterweichen Kaffeehausschmäh und genießt
kollektiv wehleidig die grassierende Rechtsunterwürfigkeit? Nicht wirklich. Denn
es gibt noch Musiker mit Haltung, die nicht Sand, sondern diamantene
Wackersteine im Getriebe sind, wahre Menschenfreunde auf ihrem Instrument, wie
Walther Soyka.
TEXT:
HARALD JUSTIN
Amadé Ardoin
Wanderer zwischen den Welten
Welche Diagnose bekommt eine Kultur ausgestellt, deren wesentliche
Gründungsväter allesamt Opfer von Mord und Totschlag, Krankheit und Irrsinn
wurden? Buddy Bolden, der Trompeter, von dem es heißt, er habe den Jazz
erfunden, wurde 1907 ins Jackson Mental Institute eingewiesen, wo er, geistig
umnachtet, zwei Jahrzehnte später starb. Robert Johnson, Bluesikone, wurde
wahrscheinlich 1938 von einem eifersüchtigen Ehemann vergiftet, Jimmie Rodgers
(1897-1933), in der Country Music Hall of Fame mit einer Inschrift als der Mann
gefeiert, mit dem die Country Music begann, starb frühzeitig an Tuberkulose.
Und Amadé Ardoin (1896-1941), legendärer Akkordeonist und Begründer des Zydeco,
dessen siebzigster Todestag im November zu gedenken ist, starb vermutlich als
Opfer einer Prügelattacke weißer Rassisten.
[...mehr im Heft...]
Harald Justin
Auswahldiskografie:
Im Never Comin Back – The Roots Of Zydeco (Arhoolie, 1995)
Prends Donc Courage – Early Black & White Cajun. Swamp Music Vol. VI (mit Cleoma Falcon; Trikont, 1995)

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Eigentlich sollte das Treffen mit dem Wiener Akkordeongroßmeister Walther Soyka
im Zeichen von Amadé Ardoin stattfinden. Das war fein ausgedacht, als eine Art
spirituell-handfeste Begegnung zwischen zwei Akkordeonisten. Der eine, 1965 in
Wien geboren, ist aus der heutigen Wiener Musikszene nicht mehr fortzudenken. Er
spielt das, was anderswo in Neusprech Roots Music genannt werden würde.
Andererseits gilt es des siebzigsten Todestages von Amadé Ardoin zu gedenken,
der als einer der Gründungsväter der amerikanischen Musik gilt. Was Robert
Johnson für den Blues, Buddy Bolden für den Jazz, Jimmie Rodgers für Country
& Western, das ist Amadé Ardoin für Zydeco, die Musik aus den Sümpfen
Louisianas. Ardoin dürfte mehr Walzer gespielt haben als Soyka in Wien, der
Geburtsstadt des Walzers. Eigentlich hätte der Walzer und die von beiden
Musikern gespielte Knopfharmonika eine prima Verbindungsbrücke zwischen
Vergangenheit und Gegenwart darstellen müssen. Doch so richtig wurde diese
Brücke nicht beschritten. Möglicherweise liegen zwischen dem Louisiana des
frühen 20. Jahrhunderts mit seiner afroamerikanischen Musik und der europäischen
Metropole im Herzen eines modernen Europa im 21. Jahrhundert doch mehr Welten,
als sie ein Akkordeon überbrücken kann. So hört Soyka in der Musik Ardoins nicht
das Verbindende, sondern vornehmlich das Trennende. Diese Zydecomusik ist ganz
anders als unsere Volksmusik, sagt er, der Fachmann, der es schließlich wissen
muss.
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Denn der Wiener hat die Volksmusik im wahrsten Wortsinn mit der Muttermilch
eingesogen. Seine Mutter, eine gebürtige Deutsche, engagierte sich in einer
Volkstanzgruppe und kam aus Liebe zum Kärtnerlied nach Österreich. Soyka
erinnert sich, dass er mitsamt mehreren nahen und fernen Familienmitgliedern in
Wiens vornehmster Einkaufsstraße im Trachtendress urige Straßenmusik aufführte.
Wir haben wahnsinnig viel Geld verdient, lacht er. Damals habe ich Cello
gespielt. Wir waren acht Kinder, die alle ein Instrument gelernt haben. Ich war
der Jüngste, so blieb das Cello übrig. Bis 1981 habe ich Volksmusik gemacht, wir
haben auf Hochzeiten und auf Geburtstagsfeiern gespielt. In einer
Volkstanzgruppe war der Bassist gestorben, und den habe ich dann ersetzt, vom
Cello zum Bass ist es ja nicht so weit.
... mehr im Heft
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