FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA


GEOFF BARTLEY
Put The Big Stone Down

(Magic Crow Records MCR 1006, go! www.geoffbartley.com )
13 Tracks, 38:31, mit engl. Infos

Ohren auf für diesen Saitenzauberer und Sänger – die Überraschung des Jahres. Von der Mandoline über die Gitarre und das Schlagzeug bis zur Mundharmonika: Geoff Bartley spielt fast alle Instrumente selbst und komponiert dazu klasse Titel wie „Blue Moon On New Years Eve“ und „Good-Bye Father“. Als Gäste bei einigen Stücken sind dabei: Howie Tarnower (mand), und Paul Lenart (e-git), sowie Jeff Stout (tp), Hiro Arita (git) und die Jazzsängerin Miss Tess. Zur guten Gesellschaft um Bartley gehört auch der vorzügliche Resonatorgitarrist Paul Rishell, bei dem er sich ausdrücklich für Hilfe beim Stück „Money Is King“ bedankt. Bereits in den Siebzigern spielte sich Bartley mit seinem Fingerstyle auf der Akustischen in die Herzen der Zuhörer und wurde ein Pionier der Bostoner Bluesszene. In den Neunzigern war er unter anderem für Tom Paxton aktiv, dessen Stück „The Losing Part“ er auf dieser Platte interpretiert. Frische und große Spielfreude sind auch Skip James’ „Look Down The Road“anzuhören, und obendrauf gibt es eine insgesamt gute Aufnahmequalität, das schöne Digipak, kompakte Informationen und den Holzschnitt, der das Frontcover ziert. Schade ist nur eins: Die Platte ist zu kurz.

Annie Sziegoleit

 

GEOFF BARTLEY – Put The Big Stone Down


LEVON HELM
Ramble At The Ryman

(Dirt Farmer Music/Vanguard Records 79858-2, go! www.levonhelm.com )
CD: 15 Tracks, 70:47, mit engl. Infos; DVD: 16 Tracks, 74:48

Wenn es einen großen alten Mann der Americana gibt, dann Levon Helm. Einst hat der Mann aus Arkansas mit The Band den Gumbo der US-Stile, von den Folksongs der Gründerväter zum Rock unserer Tage, wenn nicht erfunden, so doch zumindest populär gemacht. Und heute, nach überwundenem Kehlkopfkrebs munter in seinen Siebzigern, spielt er das heiße Gebräu noch immer mitreißender als irgendwer sonst. Der vorliegende Mitschnitt aus Nashvilles Ryman Auditorium vom September 2008 dokumentiert dies perfekt: Begleitet von einer Klasseband um Larry Campbell an den Saiten- und Brian Mitchell an den Tasteninstrumenten, groovt sich Alleskönner Helm an Schlagzeug, Mandoline und Gesangsmikro durch Traditionals („Deep Elem Blues“), Country („No Depression In Heaven“), Rock ’n’ Roll (Chuck Berrys „Back To Memphis“), natürlich einiges von The Band und einiges weitere. Gäste wie Sheryl Crow, John Hiatt und Buddy Miller tragen gekonnt ihr Scherflein bei – und so demütig, dass vor allem einer strahlt: Mark Lavon Helm, genannt Levon, dem ein Feuer und inneres Licht zueigen ist wie nur wenigen. Man hört es schon beim Audiomitschnitt, auf der DVD des gleichen Materials, keine Boni, kann man es auch noch sehen.

Christian Beck

 

LEVON HELM – Ramble At The Ryman


ROSE LAUGHLIN
House Of Memory

(Eigenverlag, go! www.roselaughlin.com )
12 Tracks, 45:58, mit Fotos u. wenigen engl. Infos)

„Somewhere Over The Rainbow“ erwartet man eher nicht auf einem Folkalbum, doch die amerikanische Sängerin singt es auf eine Weise irgendwo zwischen Celtic Folk und Country, dass es sehr gut auf House Of Memory passt, das sich aus irischen, schottischen und amerikanischen Wurzeln speist. Ob Woody Guthries „Pastures Of Plenty“, das irische „Black Is The Color“, das schottische „My Love Is Like A Red Red Rose“ oder aus eigener Feder „House Of Memory“ – all diese Lieder klingen wie aus einem Guss. Überwiegend bekannt, werden sie auf eine sehr individuelle Art vorgetragen, mit einer Stimme, die keltische Verzierungen und amerikanisches Timbre miteinander verbindet. Dabei wird Rose Laughlin, die singt und Gitarre spielt, von zehn Musikerinnen und Musikern auf Dulcimer, gezupft und geschlagen, Geige, Harmonika, Kontrabass, Banjo, Whistles und Scottish Smallpipes sowie Harmoniegesang begleitet. Das Ergebnis ist ein wirklich schönes Album mit einer hier und da etwas schnelleren, tendenziell aber eher ruhigen, getragenen Musik. Schade nur, dass es keine Texte zum Mitlesen gibt.

Michael A. Schmiedel

 

ROSE LAUGHLIN – House Of Memory


OH MY DARLING
In The Lonesome Hours

(Eigenverlag OMD002, go! www.ohmydarling.ca )
10 Tracks, 36:32, mit engl. Texten

Im Mai und Juni war das Quartett der jungen Frauen aus Winnipeg, Kanada auch auf deutschen Bühnen zu erleben. Und das Publikum rieb sich verwundert Augen und Ohren, welche Energie die vier virtuosen Musikerinnen mit Gitarre, Kontrabass, Banjo und Fiddle zu entfalten vermochten. Etwas anders ist der Eindruck, der sich auf ihrem Debütalbum, einer Produktion aus dem vorigen Jahr vermittelt. Das Unmittelbare, Raue tritt zurück zugunsten feinfühliger Arrangements und einem Mehr an Zwischentönen. Aus der Old-Time-Musik heraus entwickelt sich ein zeitgemäßes Songwriting, bei dem Hauptsängerin und Gitarristin Vanessa Kuzina Primus inter Pares ist. Sie schreibt völlig unterschiedliche Geschichten, über „Little Darling Suzy“ beispielsweise, die jede Nacht die Sterne zählt, solange ihr Mann im Krieg steht. Oder über die Erkenntnis, dass Materielles nichts zählt im Angesichts des Todes. Trotzdem singen Oh My Darling mit „All Hail Money“ auch einfach mal ein Loblied aufs Geld. Und natürlich geht es auch um Männer. In die Musik mischen sich Elemente aus Bluegrass, Pop und Francofolk, mit einem auffällig fetten Bass darunter. Bleibt nur eine Frage: Was macht die Kuckucksuhr auf dem Cover?

Volker Dick

 

OH MY DARLING – In The Lonesome Hours


THE WRONGLERS WITH JIMMIE DALE GILMORE
Heirloom Music

(Neanderthal Records NR001/Cargo Records, go! www.myspace.com/thewronglers , go! www.jimmiegilmore.com )
14 Tracks, 46:35, mit engl. Infos

Eins sind Warren Hellmans Wronglers auf keinen Fall – Falschgeld irgendeiner Art! Ganz im Gegenteil zu dieser Assoziation auf ihren Bandnamen sind sie als Stringband sogar sehr nah am „real thing“. Gegründet 2005 in San Francisco auf Vorschlag der gemeinsamen Old-Time-Music-Lehrerin, hat sich das Sextett seit dem Hardly-Strictly-Bluegrass-Festival ihres Leiters Hellman im Jahr darauf nicht nur einen ausgezeichneten Ruf in der amerikanischen Rootsmusikszene erspielt, sondern auch Freunde wie den Texaner Jimmie Dale Gilmore, Jahrgang 1945 und eine der zentralen Figuren des Alternative Country. Gemeinsam mit den Traditionalisten lässt auch er es bei der Pflege des gemeinsam angetretenen Erbes – „Heirloom“ – hier deutlich konservativer angehen als bisher mitunter. Das Repertoire, überwiegend household names, ist alles andere als abenteuerlich – wovon man aber nicht auf die Qualität der Interpretationen schließen sollte. Allen voran „Big Rock Candy Mountain“, aber auch „In The Pines“, „Deep Elem Blues“ und wie sie alle sonst heißen: unspektakulär, aber munter arrangiert; routiniert, aber alles andere als emotionslos interpretiert; und ausgesprochen lebendig zum Schwingen gebracht, allesamt.

Christian Beck

 

THE WRONGLERS WITH JIMMIE DALE GILMORE – Heirloom Music


JEFF LARSON
House Concert

(Jeff Larson Music/Red Bell Recordings, go! www.jefflarson-music.com )
Promo-CD, 10 Tracks, 35:26

Entspannt Euch, Leute! Vielleicht wird ja doch noch Sommer – und dann diese Scheibe! Hochgradig entspannter akustischer West-Coast-Folk für Hörer, die auch die Eagles und America im Schrank haben. Aber Jeff Larsons dahinschmelzender Gesang, seine schwebende Akustikgitarre, die wunderbaren Slides und Tremoli von Hank Linderman auf der E-Gitarre und der perfekte Backgroundgesang von Jeddrah Schmit sind noch wesentlich entspannter als die Vorbilder. Larson hat tatsächlich bisher mit Americas Gerry Beckley zusammengearbeitet, doch auch ohne ihn hat er das Zeug, in der gleichen Liga zu spielen. Melodien wie geschaffen für Sonnenuntergänge, eine Stimme von ergreifender Emotionalität, genau dosierte Klänge, bei denen wirklich alles stimmt. Kaum zu glauben ist zudem, dass dies in perfektem Klang aufgenommene Konzert in einem kalifornischen Wohnzimmer stattgefunden hat. Toller Halleinsatz, kann man da nur sagen. Selten konnte man zudem derart stimmigen Satzgesang hören. Dies ist keine Musik zu bloßem Einlullen, sondern zum Ergriffenheit erzeugen. Wer allerdings auf die Idee kam, diese Scheibe mit einem derart schrillen Cover zu verunstalten, konnte wohl mit dieser Musik nichts anfangen.

Hans-Jürgen Lenhart

 

JEFF LARSON – House Concert


HUSSY HICKS
A Million Different Truths

(Eigenverlag HH04/Valleyarm Digital Music, go! www.hussyhicks.com )
12 Tracks, 47:48 mit Texten u. Infos

Muss man eine Band mit diesem Namen nicht lieben? Spätestens, wenn der Finger zum dritten Mal wie magisch auf der Repeattaste landet, wird der geneigte Hörer zugeben, sich in dieses australische Duo verliebt zu haben. Dabei klingen die Songs auf A Million Different Truths erst einmal gar nicht besonders. Eine Gitarre und eine schöne Frauenstimme „singer/songwritern“ um die Wette. Doch dann klingt ein Stück auf einmal nach den Pretenders („A Million Different“). Beim nächsten („My Fault“) wird aus dem Countryduo auf einmal ein Acoustic-Blues-Set der härteren Kategorie. Danach geht es nach Spanien oder zumindest in den Teil Australiens, in dem Flamenco getanzt wird. Hussy Hicks sind in erster Linie witzig, ohne komisch zu sein, liebevoll, ohne schmalzig zu sein, Virtuosen ohne Gitarrenläufe und völlig unspektakulär – das aber auf sensationelle Weise. A Million Different Truths garantiert gute Laune. Das Album entfaltet seine Wirkung beim Vorbeihören genauso wie im Wohnzimmer des High-End-Musikfetischisten. Hussy Hicks sollte man schnell noch im Folkklub live genießen, bevor sie auf Festivals verbrannt werden. Denn der Erfolg dieser Band ist vorprogrammiert.

Chris Elstrodt

 

HUSSY HICKS – A Million Different Truths

Update vom
09.02.2023
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