Rezensionen EUROPA
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BEOGA
How To Tune A Fish
(Compass Records 7 4561 2, www.beogamusic.com
)
12 Tracks, 41:50, mit Infos
Beoga spielen weiterhin in der Gründungsbesetzung – eine Band also, wo es
nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich zu stimmen scheint. Von daher ist
es keine Überraschung, erneut staunend einem Feuerwerk virtuoser
Einzelleistungen lauschen zu dürfen. Der Opener wartet bereits mit einem schön
von mittlerem nach hohem Tempo gesteigerten Set von Tunes eigener Kompositionen
auf – es gibt auf der ganzen Scheibe nur ein Trad-Set – um dann
vom zweiten Set, genialen, kraftvoll gespielten Slides übertroffen zu werden.
Markanter können Akkordeon, Fiddle und Piano in der irischen Musik kaum klingen!
So könnte es nun eigentlich munter weitergehen, doch bleiben die Beogas ihrer
Eigenheit der Einbindung stilfremder Songs auch diesmal treu – was sicher
nicht jedermanns Geschmack trifft. Erwähnenswert ist jedoch eine gelungene
Hommage an Margaret Barry – als Straßensängerin und Zeitgenossin von
Musikern wie Seamus Ennis oder Martin Byrnes eine Ikone der traditionellen
irischen Musik. Eine Reihe illustrer Gastmusiker tragen zur Veredlung des Werks
bei, etwa Brian Finnegan bei der wunderschöne Melodie Ballymacaldrick.
Insgesamt eine auf jeden Fall hörenswerte Produktion.
Johannes Schiefner
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MICK FITZGERALD AND THE BACHA TRIO
Streetwise
(Mogg Records MOGG3/Claddagh Records, www.mickafitzgerald.com
)
13 Tracks, 42:33, mit Texten u. Infos
Put the old dreams beside the broken wings / We make some new ones!
(Falling) – das klingt programmatisch. Nach Jahren mit der beliebten
Irish-Folk-Band Wild Geese in den frühen Achtzigern konzentrierte sich der
Sänger, Gitarrist und Liedermacher Mick Fitzgerald auf seine Karriere als Autor
und Schauspieler. Zwischendurch kehrt er mit eigenen Songs zurück. Und das ist
gut so. Fitzgerald hat eine jener charakteristischen Stimmen, die sich ganz
sanft ins Ohr einschmeicheln und eine Dauergänsehaut hervorzuzaubern vermögen.
Erfreulicherweise klingt der Ire nicht nach dem Last of the Iron Arsed Pub
Balladeer, dem er ein live und solo eingespieltes ironisches Denkmal setzt.
Obwohl das Album mit dem mehrstimmigen A-capella-Intro A Letter To Dublin
eröffnet wird, das mit einem Banjolick à la Dubliners in Ballad Of Munroe
überleitet, ist Streetwise kein typisches Irish-Folk-Album. Gleich
das nächste Lied Falling mit grummelndem Bass und Schlagzeug, Akkordeon und
Piano ist eher eine Popballade. Teilweise wird es recht rockig (Fly), aber mit
Gitarre, Cello und Viola auch kammermusikalisch (Dropped My Guard) – und
eben doch auch folkig. Ein wunderbares Album mit vielen Nuancen.
Ulrich Joosten
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EVELYNE GIRARDON
La Fontaine Troublée
(Compagnie Beline CB 35811, www.ciebeline.com
)
18 Tracks, 55:40, mit Texten
Folkrevival, Frankreich, zweite Hälfte der Siebzigerjahre. Die Gruppe hieß La
Bamboche. Evelyne Beline Girardon, ihre Sängerin und Drehleierspielerin, soll
als erste ihr Instrument elektrifiziert haben. Née De La Lune hieß 1980
das zweite Album der Band, deren Folkrock mit Drehleier/Dudelsack-Duetten und
starkem Gesang noch immer erstaunlich aktuell tönt. Evelyne Girardon singt nach
wie vor. Ihr Gesang ist reifer geworden. Auf La Fontaine Troublée ist sie
solo und a cappella mit Cécile Bach und Soraya Mahdaoui zu hören, die auch auf
Kabylisch singt. Die Drehleier hat die Sängerin aus Lyon dem Leierstar Gilles
Chabenat überlassen, der Bretone Soïg Sibéril, einst bei Kornog und Gwerz tätig,
zeichnet für feine Gitarrenlinien verantwortlich. Bei einigen Stücken kommen
noch Kontrabass, Dudelsack und Percussion dazu. Evelyne Girardon schrieb für
dieses Album allein oder mit Partnern Lieder, deren Qualität den traditionellen
Titeln in nichts nachsteht. Ein ruhiges, zeitloses Album von großer Tiefe,
hervorragend gespielt und mit intensivem Gesang.
Martin Steiner
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HABADEKUK
Hopsadaddy
(GO Danish Folk Music GO1710, www.habadekuk.dk
)
10 Tracks, 40:28, mit dän. u. engl. Infos
Bei der neuköpfigen Folk-Big-Band mit Geige, Akkordeon, Posaune, Trompete,
Saxofon, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Lapsteel, Banjo und Klavier erwartet man
keine leise Musik. Bei diesem Debütalbum geht es dann auch gleich zur Sache, mit
hoher Geschwindigkeit und Lautstärke. Die Melodien entstammen zwar der
Folktradition und alten Notenbüchern, sind aber meist als Musik für Tanzpartys
aufbereitet. Und das war auch der Sinn der Gründung, wie einer der Musiker sagt:
Wir wollten mit dieser Band von Anfang an ein Publikum ansprechen, das sich
normalerweise die traditionelle dänische Folkmusik nicht anhört.
Konsequenterweise spielen Habadekuk auch auf Rockfestivals. Honoriert wurde ihr
unkonventioneller Umgang mit der traditionellen Musik 2009 mit dem Preis für
Folkmusik bei den nordischen Meisterschaften im schwedischen Sälen. Dennoch
bemüht sich die Gruppe, ihre Musik so zu gestalten, dass man sie sich auch nur
anhören kann. Gelungen ist das auf jeden Fall beim lyrischen Viggo Post, wo
Gitarre, Akkordeon und Saxofon sehr schön zur Geltung kommen, beim besinnlichen
Spilledåsen, das wie ein Choral klingt, und bei Habadekuk. Sie können also
auch das einfühlsame Spiel.
Bernd Künzer
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GUDRID HANSDÓTTIR
Beyond The Grey
(Beste! Unterhaltung Bu011, Broken Silence, www.gudrid.fo)
11 Tracks, 41:49, mit engl. Texten u. Infos
Eine zarte Stimme, in deren Songs viel landschaftliche Weite zu spüren ist. In
gewisser Weise kann man sich so die Färöerinseln vorstellen, von wo die
Sängerin, die man Guri ausspricht, stammt. Dennoch umgeht Beyond The Grey
sehr gut die musikalischen Klischees, die einem zu nordischen
Landschaftsbildern einfallen. Zunächst einmal singt die auf den Färöern sehr
erfolgreiche Musikerin meist auf Englisch und nur einzelne Strophen in ihrer
Muttersprache. Die Musik kann man als leicht sakralen und recht verträumten
Folkpop bezeichnen, der mit intelligenten Arrangements und instrumentaler
Vielfalt hält, was der Titel Beyond The Grey verspricht: Hinter dem Grau
nordischer Bilder sind viele Klangfarben zu entdecken. So klingt auch mal ein
Banjo oder gar ein Theremin durch. Die Musik ist aufwendig inszeniert, bleibt
aber dennoch dezent. Besonders einfallsreich wirkt der Einsatz der elfengleichen
Backing Vocals. Gesanglich bewegt sich Hansdóttir etwa zwischen Suzanne Vega und
Björk, musikalisch klingt das Album aber eher nach softem Folkrock der Siebziger
als nach der Folklore der Färöer. Auch das artifizielle Jugendstilcover trifft
den Geist der Musik.
Hans-Jürgen Lenhart
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LIGURIANI
Suoni Dai Mondi Liguri
(Felmay Records fy 8182/Pool Music & Media, www.liguriani.it
)
11 Tracks, 47:32, mit ital. u. engl. Infos
Ligurien liegt eingeklemmt zwischen den Bergketten des Apennin und dem
Mittelmeer. Die Musik der Liguriani atmet diese beiden Welten, die Offenheit des
Meeres und die Enge der Berge. Man spürt aber auch die Nähe zu Frankreich,
Okzitanien, zum Piemont und der Toskana. Fabio Biale (Gesang, Gitarre), Michel
Balatti (Holzquerflöte), Fabio Rinaudo (Dudelsack), Filippo Gambetta
(Diatonisches Akkordeon, Mandoline) und Claudio De Angeli (Gitarre) sind mit
ihrem Ensemble ein ligurisches Pendant zur toskanischen Banditaliana von
Riccardo Tesi. Ihr hier vorliegendes Debütalbum ist voll warmer, wunderschöner
Melodien. Alle Musiker sind Meister ihres Fachs. Ob sie traditionellen Melodien
Aktualität einhauchen, jazzige Passagen einstreuen, in die Barockmusik
eintauchen oder eine Ballade anstimmen – die Musik der Liguriani ist
zeitlos schön. Einer der vielen Höhepunkte ist die von Fabio Biale im Andenken
an den 1944 von den Nazis ermordeten sizilianischen Partisanen Saverino Raimondo
geschriebene Ballade Sutta A Chi Tucca (Severino). Wer da nicht zu Tränen
gerührt ist, dem ist nicht zu helfen. Augen schließen, in die Musik eintauchen
und genießen.
Martin Steiner
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ALAN REID
Recollection
(Temple Records COMP2103, www.templerecords.co.uk
)
18 Tracks, 71:42, mit engl. Infos
So manch einer konnte es nicht glauben, als Alan Reid 2010 seinen Abschied aus
der schottischen Battlefield Band verkündete. Der Mann war seit über vierzig
Jahren die einzige Konstante der Gruppe, und das sollte nun vorbei sein? Ja,
Alan Reid meinte es ernst, und obwohl sich nun erst einmal herausstellen muß,
wie sein musikalischer Weg weitergehen wird – und er wird weitergehen, da
lässt Reid keine Zweifel aufkommen – hat Robin Morton, Produzent und
Manager der Battlefield Band, den Abschied zum Anlass für eine künstlerische
Bilanz genommen. Sollte jemand den kompositorischen Input Reids in das
Repertoire der Batties unterschätzt haben, nach diesen 18 formidablen Tracks
dürfte das kaum noch möglich sein. Vom ergreifenden The Road Of Tears über die
Glasgow-Hymne The Dear Green Place bis Christ Has My Heart Ay – 18
wirklich großartige Lieder! Die Battlefield Band wird Alan Reid mit Sicherheit
vermissen. Uns bleibt das hoffentlich erspart.
Mike Kamp
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ALASDAIR ROBERTS & FRIENDS
Too Long In This Condition
(Navigator Records NAVIGATOR040/Rough Trade, www.alasdairroberts.com
)
11 Tracks, 47:53, mit engl. Infos
Auch das ist eine Herangehensweise an die traditionellen Balladen des Sammlers
Francis James Child: eher Richtung Indie und trotz zehn mitwirkenden Freunden
aus Glasgow eher ziemlich sparsam instrumentiert. Was ziemlich verwundert, wenn
man die lange Liste der Instrumente betrachtet: Fiddle, Cajon, Lutherzither,
Schlagzeug, Flöte, Glockenspiel, Cello, E-, Lap- und Steelgitarre, Uilleann
Pipes, Ozark Harp und Konzertina! Alasdair Roberts Stimme erinnert frappierend
an den leicht nöligen Gesang Robin Williamsons von der Incredible String Band.
Aber das soll nicht despektierlich klingen, denn Roberts nimmt die Balladen
durchaus ernst und hat sie ausführlich bei der School of Scottish Studies
recherchiert, wie die Infos beweisen. Zehn Balladen und eine selbst geschriebene
Melodie in einer musikalischen Bearbeitung, die der eigentlich ziemlich
abgehobene Aufsatz des Beiheftes ganz treffend als his brand new antique
approachcharakterisiert – alt und doch irgendwie neu. Alasdairs Vater
Alan Roberts, der alte Duopartner Dougie MacLeans in den Siebzigerjahren, wäre
wohl stolz auf seinen Sohn – zu Recht!
Mike Kamp
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THE SHEE
Decadence
(Shee Records SHEE2, www.theshee.com
)
11 Tracks, 49:59
Nur wenige Bands verfügen über so zahlreiche kreative Quellen wie diese sechs
Damen aus Schottland: Fünf Musikerinnen schreiben das Material – plus ein
paar Anleihen zum Beispiel bei Mr. Trad -, und den Leadgesang der sechs Lieder
teilen sich drei Damen schwesterlich. Flöte, Fiddle, Elektroharfe, Mandoline und
Akkordeon sind die Hauptinstrumente der gemeinsam arrangierten Stücke. Der
Bassist des Treacherous Orchestra, Duncan Lyall, hat die Songs des Zweitlings
leicht und locker produziert und bei den Instrumentals auf den nötigen Schwung
geachtet. Der Höhepunkt ist zweifelsohne das Ende: Abigail Washburns Sugar
& Pie zusammen mit der gemeinschaftlich geschriebenen Titelmelodie
Decadence! Die Damen sind jung, aber sie können auf Erfahrungen aus anderen
musikalischen Projekten zurückgreifen. Das ist Vorteil und Fluch zugleich. Ohne
diesen Hintergrund wäre ein abgeklärtes Album wie Decadence nicht möglich,
aber wegen der nachhaltigen anderweitigen Beschäftigungen der Bandmitglieder
zählen The Shee trotz Schottlandtour im April nicht gerade zu den
profiliertesten Livegruppen. Das bedauert jeder, der einmal das viel zu seltene
Vergnügen hatte.
Mike Kamp
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PEDRO SOLER & GASPAR CLAUS
Barlande
(InFiné iF1015/Al!ve, www.infine-music.com
)
Promo-CD, 8 Tracks, 45:44
Es lässt auf eine einvernehmliche und doch spannungsreiche Vater-Sohn-Beziehung
schließen, was man hier vom französischen Flamencogitarristen Pedro Soler und
seinem 45 Jahre jüngeren, Cello spielenden Junior Gaspar Claus zu hören bekommt.
Die beiden treten in einen musikalisch superben, menschlich spürbar
respektvollen Dialog, in dem diverse Flamencorhythmen recht traditionsnah und
doch frei und freiheitsliebend durchexerziert werden. Letzteres kommt wohl vor
allem vom Cellisten, der seinen klassischen Konservatoriumsweg bald abbrach, um
sich bei Reisen und Begegnungen fortzubilden. Er musizierte mit Sufjan Stevens,
improvisierte allein in der Wüste oder mit japanischen, belgischen oder
baskischen Avantgardemusikern. Sein 1938 geborener Vater ging mit 22 nach
Madrid, lernte dort bei den großen Flamencomeistern und machte sich in Spanien
einen Namen. Ihm ist bis heute etwas Archaisches eigen, das sich erstaunlich gut
mit der Modernität seines Sohnemanns versteht. Dieser legt seine teils schrägen,
verzerrten Töne mit viel Verstand und Fantasie unter und über das erdige, ruhig
atmende Gitarrespiel des Vaters. Ein sehr erbauliches intimes
kammermusikalisches Zwiegespräch.
Katrin Wilke
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HEIDI TALBOT
The Last Star
(Navigator Records NAVIGATOR043/Compass Records/Sunnymoon, www.heiditalbot.com
)
11 Tracks, 42:18, mit engl. Texten
Geboren wurde Heidi Talbot im County Kildare, Irland, bekannt wurde sie in
Amerika, als sie fünf Jahre lang Sängerin von Cherish the Ladies war, aber den
vorläufigen musikalischen Höhepunkt ihrer Karriere erlebt sie zurzeit in
Schottland. Wenn Eddie Reader und Karine Polwart Begleitung singen und ein
veritabler Teil der ersten schottischen Folkliga begleitet – Donald Shaw,
Michael McGoldrick, Boo Hewerdine, Phil Cunningham, Kris Drever etc. –
dann spricht das für Talbots Stellenwert. Die künstlerische Leitung hatte ihr
Gatte John McCusker, der ehemalige Fiddler der Batties. Wenn der produziert,
dann klingt das entfernt so, wie er seine erste Frau Kate Rusby in Szene gesetzt
hat – eingängig, differenziert, einfach gut! Geschrieben von Talbot
selbst, McCusker, Mr. Trad und anderen, die Stimme klingt süß im kalorienfreien
Sinne. Ein weiterer Orientierungspunkt wäre Landsfrau Cara Dillon, ohne Heidi
Talbot jedoch Eigenständigkeit abzusprechen. Diese Frau wird ihren Weg
erfolgreich gehen!
Mike Kamp
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TARA FUKI
Sens
(Indies Scope Records MaM477-2/Broken Silence, www.tarafuki.eu
)
10 Tracks, 51:31, mit poln. Texten. u. engl. Infos
Das polnisch-tschechische Violoncelloduo Tara Fuki feierte 2010 seinen zehnten
Geburtstag, zur Feier legten die beiden Damen ihr neues Album vor, das die
Zärtlichkeit, die slawische Poesie zu bieten hat, gekonnt und selbstbewusst mit
handwerklichem Können und großer Experimentierfreude verbindet. Im Herbst 2000
als außergewöhnliches Phänomen in der tschechischen Weltmusikszene aufgetaucht,
galten Andrea Konstankiewicz-Nazir und Dorota Barová zu Hause 2001 als Newcomer
des Jahres und vertraten 2007 als erste tschechische Band ihr Land auf der
WOMEX. Mit dem vorliegenden Album bringen sie ihre ureigene Lust an der
Improvisation mit Stimme und Cello überzeugend zum Ausdruck. Sens Of Ladies,
der vollständige Titel des neuen Albums verrät dabei das eigentliche Anliegen,
wobei nicht die Einordnung in bestehende Stilistik, Kategorien, Genres gemeint
ist, sondern die Dimension und die Variationsfähigkeit weiblicher
Interpretation. Nicht nur das in seinen Formen ja tatsächlich ausgesprochen
feminine Cello ergänzt den mehrstimmigen Gesang, sensibel werden auch perkussive
Instrumente eingesetzt. Musik für Freunde feiner Zwischentöne, die noch einiges
an Überraschungen bereithält.
Cathrin Alisch
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THE TOY HEARTS
Femme Fatale
(Woodville Music WVR 003/Broken Silence, www.thetoyhearts.com
)
13 Tracks, 52:59
Die beiden Mädels aus dem englischen Birmingham wollens wissen. Als die
Schwestern Hannah und Sophia Johnson vor wenigen Jahren in der europäischen
Bluegrassszene auftauchten, begegneten ihnen viele ohne den gebotenen Ernst: Wer
in knappen Kleidchen und High Heels auf die Bühne kam, der konnte nicht auch
noch gute Musik machen. Doch die Damen blieben ehrgeizig und entwickelten sich
kontinuierlich weiter. Jüngstes Zeugnis: das aktuelle Album Femme Fatale,
das dritte ihrer Karriere und gleichzeitig das ambitionierteste. Dafür flogen
die beiden samt Vater Stewart Johnson, Banjo- und Dobrospieler der Band, ins
Bluegrassmekka Nashville und heuerten dort namhafte Gastmusiker an. Dazu
gehörten Missy Raines am Bass und Jesse Cobb, Mandolinenspieler der Infamous
Stringdusters. Zudem saß mit David Mayfield ein Produzent der vorderen Riege an
den Reglern. Das Ergebnis klingt beachtlich, nicht zuletzt dank des meist
überzeugenden Songwritings der Schwestern, der warmen vollen Stimme Hannahs und
des virtuosen Gitarrenspiels Sophias. Ob rührseliger Walzer,
Hochgeswindigkeits-Bluegrass oder munterer Western Swing: Diese Spielzeugherzen
gehören nicht in die Hände von Kindern!
Volker Dick
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ULTRA HIGH FLAMENCO
Bipolar
(Karonte KAR 7825/Nuba Records/Galileo MC, www.ultrahighflamenco.com
)
8 Tracks, 44:59, mit span. Infos
Dieses virtuose, kreative Quartett sucht in der Flamencoszene seinesgleichen. Es
verbindet in seinen kammermusikalisch anmutenden, rein instrumentalen Stücken
Flamenco, Jazz und Elemente aus der Klassik auf nahezu unvergleichliche, sehr
ausbalancierte Weise. Kein Wunder, sind doch auch seine Mitglieder – im
Alter zwischen 30 und 39 Jahren – in genau diesen musikalischen Welten
sozialisiert. Das Bipolare aus dem Albumtitel bezieht sich auch auf die
Bandkonstellation: Zwei waschechte Flamencos aus Andalusien (Gitarrie und
Percussion), der über Klassik und Jazz im Flamenco gelandete Kontrabassist sowie
der Pariser Geiger, der sich während eines längeren Argentinienaufenthaltes der
Folklore widmete und seit seiner Ankunft 1999 in Sevilla gut und erfolgreich in
der Flamencoszene mitmischt. Ein jeder hat auch eigene, jeweils atmosphärisch
andersartige Kompositionen beigesteuert auf diesem zweiten Album der Band. Es
ist eine vielsagende Fortführung des Debüts von 2007, das den Reifeprozess
dieses Verbunds mit dem kunstvoll-augenzwinkernden Namen eindrucksvoll
dokumentiert. Arbeiten wie diese zeigen, dass der Flamenco längst in der Liga
sogenannter E-Musik angekommen ist.
Katrin Wilke
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MARCO ZAPPA, RENATA STAVRAKAKIS & GUESTS
Al Témp Al Passa
(Eigenverlag MZP-TIDOC S-46, www.marcozappa.ch
)
15 Tracks, 51:00, mit Texten u. dt. u. ital. Infos
Schweizer Liedermacher und insbesondere Dialektliedermacher haben ein begrenztes
Einflussgebiet. Das gilt auch für den Tessiner Marco Zappa. Trotzdem war er
bereits in den Siebzigerjahren in der deutschsprachigen Schweiz oft auf
Folkfestivals und in Kleintheatern zu hören. Zappas musikalische Welt öffnet
sich Richtung Lombardei und Ligurien, nach Genua und seinem Hafen, dem Tor zu
fernen Ländern. In fünfzehn Canzoni singt er in verschiedenen Tessiner Dialekten
und auf Italienisch über eine Welt, die so nicht mehr ist, deren Einflüsse aber
noch heute nachwirken. Zappa spielt eine Vielzahl von Instrumenten, von der
Akustikgitarre über das diatonische Akkordeon bis zum Dulcimer. Seine Partnerin
Renata Stavrakakis steuert Flöten, Gitarre und Percussion bei. Hinzu kommen
zwölf Gäste, die unter anderem mit Streichern, Saxofon, Slidegitarre und
Percussion zusätzliche Akzente setzen. Die vielen Instrumente nehmen der Musik
etwas die Ecken und Kanten, sie sind aber immer gekonnt eingesetzt. Das
liebevoll gestaltete Booklet mit Erklärungen zu den Liedern rundet das
abwechslungsreiche Album ab. Marco Zappa strotzt auch nach bald 45 Jahren
Präsenz in der Musikszene immer noch voller Kraft und Frische – Hut ab.
Martin Steiner
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BLUEVILLE
Butterfly Blues
(Tanzan Music/Fastball/Sony Music Neo, www.blueville.net)
15 Tracks, 73:24, mit Texten
Butterfly Blues – der Titel trifft es genau, denn leicht, unbeschwert
und oft bunt gefärbt ist der Blues des Quintetts aus Italien. Ein in Richtung
Pop geglättetes Album ohne nennenswerte Ecken und Kanten – oder eben den
berühmten Schmutz, nach dem der Blues ja oft verlangt. Spannung wird hier vor
allem durch die beiden Gitarren von Mario Percudani und Marco Tansini erzeugt.
Hinzu kommen die geschmackvoll eingeflochtenen Orgel- und Keyboardpassagen von
Paolo Apollo Negri oder auch exotischere Instrumentierungen wie das Flügelhorn
im stimmungsvollen Rosemary Lane. Alle Songs des Albums sind sorgfältig und
schön arrangiert, und auch aufnahmetechnisch und klanglich ist alles perfekt.
Einen zusätzlichen, ganz besonderen Reiz stellen die zahlreichen, vor allem
weiblichen Gospel-, Background-, Solo- und Begleitstimmen dar, die immer wieder
für zusätzliche Farben sorgen. Alles in allem, hier im Besonderen und damit auch
im Allgemeinen gilt also: Eine gute Bluesproduktion muss nicht zwingend rau und
unbequem sein, sondern darf ruhig auch eingängig, angenehm und harmonisch
klingen.
Achim Hennes
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KING OLIVERS REVOLVER
Gospel Of The Jazz Mans Church
(Waggle-Daggle Records GG11-028-02774/Broken Silence, www.kingoliversrevolver.com
)
14 Tracks, 48:29, mit engl. Texten
Diese sechs Dänen verankern ihre Musik tief in der Musiktradition, die für sie
aus Gospel, Jazz und Klezmer besteht. Doch haftet ihren folkloristischen kleinen
Songs auch etwas Poppiges an, was ihr Album nicht zu einem macht, das
ausschließlich für Musikhistoriker interessant ist. Sie trauen sich sogar, den
unorthodoxen Hit Porque Te Vas aus den Siebzigerjahren zu covern, was ein ganz
besonderes Licht auf ihre clevere Art der Musikvermischung wirft. King Olivers
Revolver beschreiben mit Blechbläsern, Banjo, Hammondorgel und Rhythmussektion
eine eklektizistische kleine Welt für sich, voller anspruchsvoller und rauer,
aber smarter Songs mit Widerhaken. Tradition ist ihnen wichtig, doch nichts geht
über eine Melodie, die man sogleich mitsummen kann. Und davon gibt es hier mehr
als ein Dutzend zu hören.
Michael Freerix
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ZWETTLER VOCALISTEN
S Waldviertel
(HeiVo CD 110 AuMe/Volkskultur Niederösterreich, www.zwettler-vocalisten.at.gg
)
24 Tracks, 52:19
Das lokalpatriotisch-kleingeistige Loblied auf die eigene Scholle, in diesem
Fall die Herrlichkeit des österreichischen Waldviertels, eingestimmt zudem mit
religiösen Wunschweihen à la O Herrgott, mein Herz darfst mir nehmen, aber mein
Waldviertel nicht und angereichert mit dem Kunstliedschaffen von Heimatdichtern
des 19. und 20. Jahrhunderts – all das könnte bereits mit kritischer
Brechung durchaus ein bisschen nerven. Wird es aber auch noch so voller Inbrunst
und Ernst von einem gemischten Chor gesungen, dessen Ästhetik den Chorwerken der
Hochkultur entstammt – der Gründer war schließlich einmal zweiter
Chordirektor der Wiener Staatsoper – so wird diese mit dynamischer Weihe
und pathetischer Würde vorgetragene Art der Volksdümmlichkeit fast unerträglich.
Frei von volkstümlichem Kitsch, ist das, wie das Booklet verspricht, gerade
nicht! Eher dessen perfekte Manifestation. Auf die im Booklet angekündigten
chorisch vertonten Jazzstandards und Popsongs möchte man im Hinblick auf eben
solche Veredelungen gerne verzichten.
Harald Justin
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FOLKER auf Papier
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