HEIMSPIEL
Nordischer Klang? Das größte Festival für nordische Kultur außerhalb der nordischen Länder? In Greifswald? Zur Eröffnung des Jubiläumsfestes am 6. Mai 2011 kamen die Botschafter Dänemarks, Islands und Schwedens, der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, und der schwedische König waren auch schon einmal da – aber wahrscheinlich 99 Prozent der Folker-Leserinnen und -Leser (noch) nicht. TEXT: JENS-PETER MÜLLER
Sagen wir es, wie es ist: Der Nordische Klang gilt noch nicht einmal als ein überregionales, geschweige denn ein nationales Ereignis. Es ist dennoch eine lokale Veranstaltung von internationaler Qualität, die wirklich ihresgleichen sucht. Wie kommt es, dass hier reihenweise Spitzenkünstler wie die Ale Möller Band (2001), der neue samische Joikstar Sofia Jannok (2009), die Hardangergeigen-Punker der Valkyrien Allstars (2010), Jazzhighlights wie Schwedens preisgekrönte Newcomerband, die Elin Larsson Group (2011) oder der finnische Joiker Wimme Saari mit dem Programm seines Grammy-ausgezeichneten Albums Mun (2011) und viele andere in den ersten beiden Maiwochen ihre Deutschlanddebüts geben und man trotzdem das Gefühl haben könnte, es seien keine Zuschauer aus den alten Bundesländern im Publikum? Die Antwort liegt in der Geschichte dieses Festivals, und die beginnt mit einer Rettungsaktion. ... mehr im Heft
Das Zusammenrücken der gesamten Region haben die Veranstalter als Wunschvorstellung formuliert. Vierzig Veranstaltungen an dreißig verschiedenen Orten im Spätsommer und Herbst und vornehmlich im ländlichen Bereich umfassen das Münsterland Festival. Der Fokus der hochkarätigen Konzerte liegt auf Jazz, Welt- und Kammermusik, außerdem gibt es Kunstausstellungen und literarische Lesungen. Im Jahr 2009 standen die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Dänemark im Vordergrund, davor waren es die Schwarzmeerregion, die Adria, das westliche Mittelmeer sowie die Maghrebstaaten. In diesem Jahr geht es hauptsächlich um England, Irland und Schottland. TEXT: KAI ENGELKE Historische Wasserschlösser und Herrensitze sowie architektonisch anspruchsvolle Geschäftsbauten bilden unter anderem die Kulisse für das Münsterland Festival. Den Einwand, dass das klassische Folkpublikum angesichts derartiger Spielstätten sich eher in Zurückhaltung üben könnte, mag Lars Krolik, Projektmanager beim Kulturbüro Münsterland und einer der Pressesprecher des von 2005 bis 2009 jährlich und seitdem alle zwei Jahre stattfindenden Festivals, nicht gelten lassen: Jeder ist bei uns gleichermaßen willkommen. Außerdem spielen wir auch an ganz anderen Orten, zum Beispiel in Schulaulen. Auch unsere Eintrittspreise sind sehr moderat. Das Festival ist nach sechs Jahren in der Bevölkerung durchaus verankert. Allein im vergangenen Jahr besuchten 15.000 Menschen unsere Konzerte, Ausstellungen und Lesungen. ... mehr im Heft
A bissele glik, ein bisschen Glück, verspricht die Veranstaltungsreihe Jiddischer Kulturherbst in Wien. Aber wie ist es mit diesem Glück bestellt, wenn selbst Wiens Bürgermeister den täglichen Antisemitismus beklagt? TEXT: HARALD JUSTIN Jiddischer Kulturherbst? Wien und die Juden? Da war doch etwas? Der Zuzug vieler Ostjuden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, eine eigene Kaffeehauskultur und eine eigene Theaterszene oder die Einschätzung Joseph Roths in Juden auf Wanderschaft (1927), dass die Neuankömmlinge an Hygiene und Sauberkeit nicht gewöhnt und gehasst seien. (So wie, laut Roth, auch die christlichen Bewohner der Armenviertel.) Da war ein ganzer, von Juden bewohnter Stadtteil, die Leopoldstadt, und es gab einen weitverbreiteten Antisemitismus, den ein Österreicher ausnutzte, um in Deutschland eine menschenmordende Karriere zu machen. Zählte die Wiener Jüdische Gemeinde 1938 noch 185.000 Mitglieder, gab es nach dem Krieg nur 25.000, Ende der Neunzigerjahre nur noch 7.000. Erst 1991 [!] gab der österreichische Bundeskanzler Vranitzky erstmals eine Beteiligung von Österreichern bei der Ermordung und Vertreibung von Millionen Juden zu, und als zwanzig Jahre später, im Juli 2011, zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum die dreizehnte europäische Makkabiade, eine Art Olympiade für jüdische Sportler in Wien stattfindet, singt zwar die bekannte jüdische Sängerin Timna Brauer zur feierlichen Eröffnung, muss Bürgermeister Häupl in einem Interview aber auch gestehen, dass es unter Wienern immer noch Vorbehalte und zum Teil auch offenen Antisemitismus gibt. Da haben wir noch viel zu tun. ... mehr im Heft
Auch wenn die Welt der aktuellen Musik für Kinder in Deutschland überschaubar ist: Sie weist eine Spannbreite zwischen handgemachter Musik, die noch auf Folklore und Pentatonik basiert, und elektronischen Spielereien, die an moderne Klubmusik erinnert, auf. Der Komponist und Musiker Rainer Wenzel bekennt sich deutlich zum Kinderfolk. Er weiß genau, wie er Begeisterung weckt und welche Themen Kinder beschäftigen. Und er weiß, dass schon ein viertel Lebensjahr über Interesse und Desinteresse entscheiden kann. TEXT: IMKE STAATS Er ist schon ein alter Hase, in der Musik wie in seinem Spezialfach: Rainer Wenzel, Jahrgang 1950, viel beschäftigter Komponist und Musiker in Nürnberg und im fränkischen Raum – und zwar für Kinder. Der gelernte Heilerzieher und Spielpädagoge bringt kleinen Nürnbergern im Rahmen diverser Kindergarten- und Schulprogramme aber auch in der Freizeit Folkmusik bei. Der schlanke, agile Mann ist gefragt und produktiv: In fünfundzwanzig Jahren hat er über zwanzig Tonträger aufgenommen, fünf Liederbücher geschrieben und fünf Buch-CD-Kombinationen erstellt – und doch ist er immer wieder überrascht, wer ihn alles kennt. Wenzel ist viel unterwegs, deutschlandweit und in der Schweiz. Und trotz des regionalen und überregionalen Popularitätsgrades bezeichnet er sich selbst als Basis-Musiker für Kinder. Ich hab nie große Sachen gemacht und wollte auch nie auf die großen Bühnen, definiert er seine Herangehensweise. Verglichen mit anderen aus der Region, die sich mehr durch effektreiche Spektakel und große Shows vermitteln, baut Rainer Wenzel eher auf das Erdige, auf Intimität und Interaktion mit dem Publikum. Eine Mischung aus guten Texten und handgemachter Musik, Kontakt und Kommunikation; das ist seine Art. ... mehr im Heft
Angefangen hat alles mit einer Brache: 1987 wurde der Zuschauerraum des Jenaer
Theaters auf Anordnung des Stadtrats abgerissen, um einen Neubau des von Walter
Gropius 1921/1922 umgestalteten Gebäudes in die Wege zu leiten. Daraus wurde
nichts, die Wende kam, und engagierte Theaterleute begannen, die Ruine, die dann
Ende der Neunzigerjahre saniert wurde, wieder zu neuem Leben zu erwecken. Ein
Makel für das Stadtbild blieb allerdings die große, ungenutzte Fläche vor dem
Theater, und so machte sich 1991 der damalige Kulturamtsleiter Norbert Reif, der
TEXT: SABINE FROESE Als Vorlage für das Festival diente ihm die 1987 ins Leben gerufene Veranstaltung Kulturzelt Kassel – auch aus buchstäblich naheliegenden Gründen: Denn bei nur etwa zweihundert Kilometern Distanz zwischen den beiden Städten bot es sich einfach an, bereits für Kassel gebuchte Künstler im gleichen Zeitraum auch in Jena auftreten zu lassen. So war es ebenso naheliegend, dass der künstlerische Leiter des Kulturzeltes Kassel, Lutz Engelhardt, auch in Jena dieselbe Aufgabe übernehmen würde. Er hat sie gemeistert – und zeichnet bis heute verantwortlich für die musikalische Auswahl. Außer dem ambitionierten Weltmusik-, Jazz- und Popprogramm bietet die Kulturarena, deren Name von Udo Lindenbergs Stück Rock n Roll Arena in Jena abgeleitet wurde, auf verschiedenen Bühnen in der Stadt auch Theater- und Filmaufführungen und eine Kinder-Arena. ... mehr im Heft |
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