GASTSPIEL
Germanisches Roulette
Anmerkungen zur vulgär-aufdringlichen Ödnis der deutschen Radiolandschaft
VON GEORGE LEITENBERGER*
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Big Bill Broonzy erzählte einmal diese Geschichte aus den Südstaaten, als sein
Onkel einer Wasserschildkröte den Kopf abschlug, die diese Tatsache jedoch
ignorierte und zum Wasser zurückkroch. Schau dir diese Schildkröte an. Sie ist
tot und weiß es nicht. Und Big Bill folgerte: So ist es heute mit vielen
Leuten – sie haben den Blues und wissen es nicht.
Autoreninfo:
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*GEORGE LEITENBERGER ist Gitarrist und Sänger, sowie Film- und Theaterkomponist.
Aufgewachsen in deutschen Landen lebte er viele Jahre in Berlin, im Remstal, in
Frankreich und in London. Seit 2006 wohnt der Künstler mit Herzdame, Kind und Hund
in Genf. Aktuelles Album: Café Comercial (DMG/Broken Silence). www.georgeleitenberger.com
George Leitenberger (Singer/Songwriter)
01.10.11 10-Berlin: Volksbühne
02.10.11 10-Berlin: Kaffee Burger
28.10.11 73-Plüderhausen: Theater hinterm Scheunentor
29.10.11 70-Stuttgart: Merlin
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Jeder, der zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten unterwegs ist, kennt das.
Man stellt irgendwo in Deutschland das Radio an und fragt angesichts
primitivsten Akustikmülls ganz schnell: Wo zum Teufel bin ich hier? Was hat das
mit mir zu tun? Man dreht oder zappt, wie man will, und stellt fest: Die
deutsche Radiolandschaft hat eine vulgär-aufdringliche Ödnis erreicht, in der
sich ein aufgeklärt denkender Mensch deutscher Muttersprache zunehmend anwesend
fremd fühlt. Germanisches Roulette
Wörter wie Einschaltquote und Auflage dienen zu nichts anderem als dem
Fernhalten von unbequemen Ideen, unangepassten Lebensentwürfen und unerwünschter
Realitätswahrnehmung, in einem Wort: Sie dienen der Zensur.
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Ich rede nicht von den teils großartigen Alternativradios, den Minisendern mit
Sendungsbewusstsein. Ich rede vom öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Das sind die
großen Radios mit sogenanntem Bildungsauftrag, die über die
Gebühreneinzugszentrale GEZ finanziert werden. Ich rede nicht von etwas
altväterlich, aber wenigstens gelassen und gediegen daherkommenden klassischen
Kultursendungen. Ich rede von der allgegenwärtigen Seuche des sogenannten
Formatradios oder, anders gesagt: dem Dudelfunk. Einer vom Volk bezahlten
Verblödung der penetranteren Sorte, die unter dem Druck der Anpassung der
Öffentlich-Rechtlichen an die Vulgarität der Privaten in den vergangenen zwei
Jahrzehnten vonstattenging unter dem Richtschwert der modernen Medieninquisition,
dem großen, janusköpfigen Dämon sogenannter demokratischer Entscheidungen.
Ich rede von der Quote.
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