FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA


MARC BLACK
Pictures Of The Highway

(Suma Records Suma 2010, go! www.marcblack.com )
12 Tracks, 42:14

Eines der härtesten Geschäfte ist, sich in den USA als Songschreiber durchzusetzen. Marc Black ist auf diesem Weg weit gekommen, hat Lob geerntet von namhaften Magazinen wie dem Rolling Stone, aber genauso von Musikerkollegen. Mit etlichen von ihnen hat er in der Vergangenheit zusammengearbeitet, so unterschiedlichen wie Taj Mahal, Jack De Johnette und Rick Danko. Auch auf seinem neuen Album erhält er prominente Unterstützung, etwa von Steve Gadd am Schlagzeug. Black schöpft in den zwölf Songs aus vielen Töpfen der populären US-Musikkultur, fällt mal in federnden Countrygroove, mal in lockeres Jazzfeeling samt Klarinette oder in zurückhaltendes Balladenspiel. Die Band folgt mit Leichtigkeit, ob er nun bei „Ooh I Love My Coffee“ in Keb’ Mos Revier wildert oder mit „Red Light“ einen Song liefert, der in seiner meditativen Gelassenheit sehr gut auf Van Morrisons Common One gepasst hätte. Es sind bittere Geschichten, die Marc Black erzählt, aber nicht nur – auch sein Humor scheint immer wieder auf. Beispielsweise, wenn er der Musikgeschichte mit „I Love You Rachel Maddow“ eine weitere skurrile Frauenfigur hinzufügt – in Ohrwurmqualität. Songs mit Substanz.

Volker Dick

 

MARC BLACK – Pictures Of The Highway


ANNIE GALLUP
Weather

(Waterbug WBG0093, go! www.anniegallup.com )
12 Tracks, 44:47, mit engl. Infos

Auf ihrer neunten Veröffentlichung verzichtet die Singer/Songwriterin aus Ann Arbor, Michigan, sogar noch auf ihre akustische Gitarre. Begleitet von einem Streichquartett changieren ihre Stücke so zum Großteil zwischen Spoken Word Performance, Kunstlied und Kammermusik. Nur gelegentlich nehmen sie herkömmliche Singer/Songwriter-Folk-Formen an, sowohl was die Texte betrifft, nur ausnahmsweise mit Andeutungen klassischer Refrains, als auch bezüglich ihrer Rhythmik, auf die überwiegend fast gänzlich verzichtet wird zugunsten elegisch schwebender, wenn nicht gar stehender Klänge der Streicher. Gallups Geschichten reflektieren die Welt der Poetin verblüffend umfassend: Persönliches, natürlich, sowieso; die Zeit und ihre gesellschaftlichen Themen, Kunst und Medien inklusive; selbst die Politik schimmert immer wieder durch, wenn man einen Sinn für derartige Implikationen hat – wie es für eine bewusste Amerikanerin ihrer Generation, heute wohl so um die fünfzig, ja nun natürlich Standard ist und bleiben wird. Ein federleichtes, dabei enorm intensives Stück Poesie zwischen den Genres. Mit einem meditativen Potenzial, das Türen aller Art öffnen kann. Vermutlich in jede erdenkliche Richtung.

Christian Beck

 

ANNIE GALLUP – Weather


LITTLE SCREAM
The Golden Record

(Secretly Canadian SC236/Cargo Records, go! www.littlescream.com )
Promo-CD, 10 Tracks, 46:44

The Golden Record ist das erste Album von Little Scream, deren Kopf die Singer/Songwriterin Laurel Sprengelmeyer ist. Es ist ein unaufdringliches Pop-Songwriting-Album. Sprengelmeyers helle, sanfte Stimme dominiert, die Songs scheinen dahinzufließen. Die Amerikanerin, einem Freund nach Kanada gefolgt, spielt mit Nähe und Entfernung, wobei die Entfernung am Ende gewinnt. Dadurch entstehen verschiedene Facetten von Intimität, Perspektive und Raum. Die Instrumente stehen dagegen oft im Gegensatz zum Gesungenen. Harte Gitarren, ein dröhnendes Schlagzeug zerschneiden immer wieder das Sanfte, Harmonische des Albums. Little Scream experimentieren auf der Indiepop-Spielwiese, werden dabei gelegentlich etwas mystisch, kehren aber immer wieder zu eingängigen Melodien zurück. Manchmal, wie bei „The Heron And The Fox“, sind sie ganz auf schlichtem Liedermacherterrain, was zwischen all dem Besonderen sehr entspannt. Dass der Titel sich auf die Datenplatte bezieht, die an der Raumsonde Voyager angebracht ist, um etwaigen Außerirdischen durch Bilder, Musik und Literatur etwas über die menschliche Kultur zu vermitteln, ist allerdings eindeutig Übermut.

Sarah Habegger
 

LITTLE SCREAM – The Golden Record


BUDDY MILLER
The Majestic Silver Strings

(New West Records NW6188/Blue Rose Records/Soulfood Music, go! www.buddymiller.com )
CD, 13 Tracks, 56:46, mit engl. Infos;
DVD: „The Making of“ und „‚Why Baby Why‘ live at the Belcourt Theatre, Nashville“, 2 Tracks, 24:27

Einerseits kamen für dieses Album mit Buddy Miller, Marc Ribot, Bill Frisell und Greg Leisz vier der renommiertesten Gitarristen der Americana und angrenzender Genres zusammen, um ein paar Klassiker des großen amerikanischen Songbooks wie „Freight Train“ oder „Bury Me Not On The Lone Prairie“ und mehr zu interpretieren – das ist natürlich toll und bringt auch stellenweise geradezu rasend amtliche Ergebnisse. Andererseits kann man vor allem die Ernsthaftigkeit dabei aber auch übertreiben: Leisz’ extreme Fade-in-Fade-out-Pedal-Steel lädt das ganze Unternehmen schon alleine fast bis zum Anschlag mit Pathos auf, Frisells bestenfalls sanftes Tupfen an die Saiten verstärkt den Effekt; dazu singen Emmylou Harris und Lee Ann Womack, als ginge es um olympische Ehren im Erstarren vor Ehrfurcht – am Ende alles ein bisschen viel des Guten. Wie es sehr viel besser geht, zeigen die Gitarreros alle zusammen „No Good Lover“ und vor allem „Why Baby Why“, George Jones’ Honky-Tonk-Hit von 1955: Miller und Ribot singen, Frisell und Leisz spielen. Und der große Exzessor des Country, sein Feuer und seine Lebendigkeit stieben und dampfen dem Stück auch in dieser Version noch aus allen Poren …

Christian Beck

 

BUDDY MILLER – The Majestic Silver Strings


GABY MORENO
Still The Unknown

(Paisley Records/World Connection WC43106/Edel Kultur )
11 Tracks, 44:29, mit knappen engl. Infos

Während über dem Teich bereits das zweite Album der 29-Jährigen, Illustrated Songs, erschienen ist, wird hierzulande erst noch einmal der Erstling von 2008 nachgereicht. Das ist ausnahmsweise sinnvoll, sticht Still The Unknown seiner Qualitäten wegen aus der Masse vergleichbarer Veröffentlichungen zwischen allen Singer/Songwriter-Stühlen doch tatsächlich heraus. Alle Songs, überwiegend auf Englisch, sind rund, vor allem aber verfügt die gebürtige Guatemaltekin aus Los Angeles über eine zupackende Muskulösität in Stimme und Darbietung, die seit „Leise ist das neue Laut“ eigentlich fast verpönt scheint. Die Songs oszillieren zwischen der Melodie- und Harmonieseligkeit der Sechziger (Beatles), Latinogemüt und der Intensität des Blues, der Moreno als 14-Jährige auf einer Reise in New York angeblich wie mit dem Vorschlaghammer traf. Das könnte, wenn es stimmt, das natürliche Gewicht erklären, das Produzent Jay Bellerose ohne jegliches Rumpelpumpel, mit dem er inzwischen ein Album im Dunstkreis vor allem T-Bone Burnetts nach dem anderen veredelt, seelenruhig auf den Punkt produziert hat. In der so eingefangenen Ruhe und Sanftmut liegt sie tatsächlich einmal – die sprichwörtliche Kraft.

Christian Beck

 

GABY MORENO – Still The Unknown

Update vom
09.02.2023
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