FOLKER – Rezensionen

Rezensionen DEUTSCHLAND


DIRKS UND WIRTZ
Kinski Spencer Gismonti

(Acoustic Music Records 319.1465.2/Rough Trade, go! www.dirks-und-wirtz.com )
12 Tracks, 43:18

Auf dem fulminanten Nachfolger ihres Debüts Danza Non Danza verlassen sich die Konzertgitarristen Reentko Dirks und Daniel Wirtz fast gänzlich auf ihre atemberaubende eigene Handschrift. Schon der ruhige Opener „La Plage Et La Nuit“ führt einem die große Gabe des Duos zu schönem Ton vor Ohren. Die meditative Eröffnung wird abgelöst von einer sich ganz und gar nicht weltmusikalisch anbiedernden Hatz – „Bombay The Hard Way“. Traditioneller geht es in Tunes wie „Visa Fran Untanmyra“ zu, dem schwedischen Jazzpianisten Jan Johansson gewidmet, der unter anderem die Filmmusik für Pippi Langstrumpf geschrieben hat. Wie auch immer es zu den Widmungen an Klaus Kinski und Bud Spencer kam, hochinteressante Musik auf spieltechnischem Topniveau ist es allemal. Das „Theme From Schindler’s List“ in einem zarten Arrangement und unmittelbar darauf eine Tarantella, die ihrem Namen „La Tarantula“ alle Ehre macht, rasant und außer Rand und Band. Beeindruckend ist immer wieder die klangliche Bandbreite des wie aus einem Guss agierenden Duos. Rhythmisch präzise, selbst in den abgefahrensten Passagen. Dass es da weltweites Lob hagelt, ist kein Wunder. Mein bescheidenes Bravo gesellt sich dazu.

Rolf Beydemüller

 

DIRKS UND WIRTZ – Kinski Spencer Gismonti


DIVERSE
7. Politscher Aschermittwoch

(Con Anima CA 26590/NRW Vertrieb, go! www.aschermittwoch-berlin.de )
Do-CD, 24 Tracks, 141:27, live

Am Aschermittwoch ist alles vorbei – denkste! Während die Politiker aller Couleur vor allem in Bayern in Bierzelten zu ihren Anhängern schwadronieren, wird in Berlin seit Jahren zum großen kabarettistischen Halali geblasen. Zum siebten Mal führte Alt-Tornado Arnulf Rating in der Arena inzwischen durch den Politischen Aschermittwoch. Der abstruse, gegelte Doktor war da noch in aller Munde, inzwischen sind ja noch einige andere ihres abgeschriebenen Titels verlustig gegangen. Das Leben ist manchmal so schnelllebig, dass das Kabarett gar nicht so flott hinterher kommt, wie Dieter Hildebrandt in seinem Beitrag beklagte. Der wackere Altmeister aus München und der strubbelige Anstaltsleiter Urban Priol aus Aschaffenburg waren die Hauptredner der kritischen Runde. Bestsellerfresser Wolfgang Nitschke aus Köln arbeitete sich an Nina Hagen und ihrer neuen – christlichen – Liebe ab, Karls alter Enkel Hans-Eckardt Wenzel sorgte für musikalische Einlagen. Der Berliner Surfpoet Andreas „Spider“ Krenzke kramte in seinen Urlaubserinnerungen auf Usedom, und Mathias Tretter aus Würzburg berichtete unter anderem von seinen Erfahrungen in der neuen Leipziger Heimat. So macht der Aschermittwoch Freude.

Rainer Katlewski

 

DIVERSE – 7. Politscher Aschermittwoch


DOTA
Dota solo live

(Kleingeldprinzessin Records/Broken Silence CD 12711, www.kleingeldprinzessin.de)
17 Tracks, 46:02, mit dt. Texten und Infos

Dota Kehr hat ihr künstlerisches Handwerk nicht nur als langjährige Straßenmusikantin gründlich erlernt – aus dieser Zeit stammt ihr Beiname „Kleingeldprinzessin“ – sondern auch als Schülerin des „unsichtbaren Riesen der Kleinkunst“ Christof Stählin und seiner Akademie für Poesie und Musik, Sago. Ihre aktuelles Album Dota solo live enthält Märchenhaftes („Die alte Piratin“), Trauriges („Wo soll ich dich suchen?“), Traumsequenzen („Die wahre Geschichte“), und dennoch spürt der Hörer recht schnell, dass die Künstlerin mit jeder Zeile dem Diesseits verpflichtet bleibt. Nachdem die Gattung Protestsong fast in der künstlerischen Versenkung verschwunden ist, kommt ihr Lied „Vergiftet“ besonders interessant und notwendig daher. Dota Kehr überzeugt durchgehend mit ihrer völlig unverstellten, natürlichen Stimme und einem ungekünstelten, dabei gleichzeitig kunstvollen, die Aussage ihrer Texte immer wirkungsvoll unterstützenden Gitarrenspiel. Dadurch erfahren ihre Lieder eine große Glaubwürdigkeit. Völlig zu Recht erhielt Dota Kehr im März den Deutschen Kleinkunstpreis 2011.

Kai Engelke

 

DOTA – Dota solo live


FIDDLE FOLK FAMILY
Ungeschieden, ungekämmt, ungehört – Live in der Schilfe

(HeiDeck HD20104, go! www.fiddle-folk.de )
CD, 18 Tracks, 56:0364:53, mit Fotos und dt. Infos

(HeiDeck HD20111, go! www.fiddle-folk.de )
DVD, 18 Tracks 63:17 plus Interview 26:00

Auf den ersten Eindruck eine der vielen Publikationen mit gängigen irischen und schottischen Songs & Tunes, in die auch ein paar deutsche Volkslieder eingestreut sind. Beim Hören zeigt sich aber eine Band, die hier und da auch die tradierten Melodien variiert und mit jazzigen Rhythmen und Zwischenspielen garniert. Besonders das deutsche Lied „Im Grunewald ist Holzauktion“ wird durch Intermezzi von Bluegrass bis Dixieland und Ragtime auf Banjo und Blockflöte zu einem bislang ungehörten Hörgenuss. Doch erst die DVD desselben Konzerts vermittelt richtig, dass es sich bei der Fiddle Folk Family um eine musizierende Familie aus Leipzig handelt, deren jüngster Spross Felix mit seinen 16 Jahren nicht nur ein Multiinstrumentalist (Blockflöte, Tin Whistle, Geige, Schalmei, Gitarre, Percussion, Gesang), sondern vor allem auf der Flöte auch ein angehender Virtuose ist. Der Rezensent wittert den Beginn einer musikalischen Karriere, hoffentlich im Folk. Eingebettet ist der Sprössling in den Schoß der Familie Klinger mit Vater Andreas (voc, git), Mutter Bettina (viol, perc, Brummtopf), Schwester Christiane (voc, lw) und den Brüdern Stephan (viol, mand, bj, cj, voc) und Simon (b, voc).

Michael A. Schmiedel

 

FIDDLE FOLK FAMILY – Ungeschieden, ungekämmt, ungehört

FIDDLE FOLK FAMILY – Ungeschieden, ungekämmt, ungehört


HOTEL BOSSA NOVA
Bossanomia

(Yellowbird 9708 2/Enja/Soulfood Music, go! www.hotelbossanova.com )
11 Tracks, 62:33, mit port. Texten und engl. Infos

Aller guten Dinge sind drei bei dem Wiesbadener Quartett, das mit der Bossa in Bandnamen und Albumtitel eigentlich einschränkt, was es eine großzügige Stunde lang tatsächlich zu bieten hat. Waren die ersten beiden Alben noch deutlicher dem Bossa Nova zugeneigt, sind die Pforten des Hotels nun auch weit geöffnet für Afro, Singer/Songwriting, kammermusikalischen Esprit und die alte Bandliebe, den Jazz. Schon die ersten Takte des afrikanisch-perkussiven, sich später zum Samba wandelnden Eröffnungsstücks reißen den Zuhörer mit – samt dem anmutigen Gesang der portugiesisch-indischstämmigen Sängerin Liza da Costa, seit ihrer Kindheit in Deutschland. Die von ihr verfassten und im Ensembleverbund komponierten farbenfrohen, eleganten und gedankenvollen Songpoesien sind von den vier Musikern und ebenso vielen Gastinstrumentalisten einfallsreich und einfühlsam gestaltet. Das Album hält viele wohlklingende, aparte Detailideen bereit, etwa den Kontrabass zu Beginn von „Tapete Escaldante“, einem mit Fadogefühl versetzten Walzer. Mit jedem Lied wird man neugieriger aufs nächste, das dann wieder neue Überraschungen birgt. Das Finalstück ist eine Art Suite, das ein Viertel des Albums ausmacht.

Katrin Wilke

 

HOTEL BOSSA NOVA – Bossanomia


SUSANNE SCHÖNWIESE
Spring

(Claywork cwr 1016, go! www.susanne-schoenwiese.de )
10 Tracks, 51:07, mit dt. u. engl. Infos

Kluge Entscheidung, als Sängerin mit diesem Namen eine Platte im Frühling herauszubringen. Man atmet vom ersten Klang den Duft der Blütenblätter und die Lust am Singen mit ein. Was für eine wunderbar wechselwarme Stimme, frisch, frech, übersprudelnd, aber auch dunkel und geheimnisvoll, die da über imaginäre Wiesen verschiedenster Stimmtechniken zwischen Orient und Okzident und auf der Grenze zwischen Jazz und Weltmusik wandelt. Sie wird begleitet, umspielt von Uschi Laars Harfe, die, präzise, dynamisch, dennoch dezent und mit ausgesprochen schönen musikalischen Ideen als zweites Soloinstrument gehört werden kann. Ergänzt werden die beiden Musikerinnen durch Willi Lichtenberg (Kontrabass, Gimbri) und Ramesh Shotham (Percussion), die dem gemeinsamen Projekt Tiefe und rhythmische Vielfältigkeit geben – ohne ihm etwas an Transparenz und Leichtigkeit zu nehmen. So dicht die kompositorische Substanz auch ist, drängt sich nichts auf, nichts vor, bleibt lebendige Kommunikation, ja scheint manchmal wie eine Improvisation des Augenblicks. Diese Musik kommt daher, wie gerade zufällig gefunden, überraschend und unberechenbar wie Wirbelwind über einer schönen Wiese mitten im Mai.

Cathrin Alisch

 

SUSANNE SCHÖNWIESE – Spring


GEORG SCHROETER & MARC BREITFELDER
Live At Blues Baltica … On The Way To Memphis

(Analoghaus AH1102/New Music Distribution, go! www.bluestour.de )
11 Tracks, 66:01, mit dt. Infos

Ein Duo der Sonderklasse bilden der Pianist und Sänger Georg Schroeter und der Mundharmonikaspieler Marc Breitfelder aus Kiel. Seit gut zwanzig Jahren spielen die beiden den Blues. Auf ihrem neuen Album interpretieren sie Klassiker wie „I Can’t Be Satisfied“ von Muddy Waters ebenso wie eigene Stücke wie „Rush Hour“ und „Rock ’n’ Roll Queenie“. Besonders gelungen sind die Aufnahmen, bei denen Tom Ripphahn – Hands on the Wheel und Labelchef – mit seiner professionellen Handschrift mitwirkt. Der höchst gefühlvolle Titel „Sugar & Spice“ macht Lust auf mehr. Natürlich können gestandene Musiker auch Titel von Eric Clapton („Runnin’ On Faith“) und John Fogerty („Long As I Can See The Light“) ins Programm aufnehmen, ohne dass beim Zuhörer Langeweile aufkommt. Zusammen mit dem rhythmusfesten Schlagzeuger David Herzel spielte sich das Duo beim 21. Blues Baltica in Eutin in die Herzen des Publikums, 2011 wurde es in der Kategorie Duo zum Bluesweltmeister der International Blues Challenge in Memphis, Tennessee ernannt. Gratulation! Durch unzählige Liveauftritte in Europa sind Schroeter und Breitfelder zu einer Einheit verschmolzen. Frischer, kann der Blues heute nicht klingen.

Annie Sziegoleit

 

GEORG SCHROETER & MARC BREITFELDER – Live At Blues Baltica … On The Way To Memphis


JOHANNA ZEUL
Live

(Tier Records, go! www.johannazeul.de )
14 Tracks, 47:24, ohne Texte und Infos

Die ersten Töne klingen nach Neuer Deutscher Welle, aber das war’s dann auch schon an Ähnlichkeiten – der Rest ist in jeder Beziehung original Johanna Zeul. Ihr Gesangsstil, die druckvoll akzentuierte Gitarrenarbeit, ihre Texte – alles ungewöhnlich, eigenwillig, voller nahezu ungebändigter Energie, auf jeden Fall anders. Johanna Zeul reiht keine verbrauchten Metaphern aneinander, vielmehr erzählt sie kleine, manchmal recht abgedrehte Geschichten, von Raubtieren und vom Sandmann, vom begehrenswerten Fremden und von seltsamen Rettungsaktionen. Live präsentiert insgesamt vierzehn Songs, Konzertaufnahmen und Radioauftritte, die Hälfte davon bisher unveröffentlicht. Johanna Zeul auf der Bühne zu erleben, ist ein eindrucksvolles Erlebnis, dieses Album ist durchaus in der Lage, zumindest einen Teil ihrer ungewöhnlichen Bühnenpräsenz zu vermitteln. „Ich bin doch mit keinem Großen verwandt“, heißt es in einem ihrer Lieder. Stimmt nicht, ihr Vater ist der großartige Thomas Felder. Doch sollte man sich nicht aufs Glatteis führen lassen: Bühnenfigur und Privatperson sind bei Johanna Zeul nicht unbedingt identisch. Auch wenn sie gerade mit Gitarre und Baby auf Deutschlandtour war.

Kai Engelke

 

JOHANNA ZEUL – Live

Update vom
09.02.2023
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