FOLKER – Gastspiel

GASTSPIEL

Über das Ende der Moderatorenköche in der „Plattenküche“

Wo bleibt das Fachpersonal?

VON PIT BAUMGARTNER*

Autoreninfo:

* Pit Baumgartner in eigenen Worten: Geboren 1958 und knapp am Wirtschaftswunder vorbeigeschrammt. In den Sixties mit Beatmusik infiziert, zeigt der Infekt in den Siebzigern erste Symptome: Folkrockband, Studiojobs, eigene Bandmaschine. In den Achtzigern unterwegs als 6/8-Punk. In den Neunzigern von der Gitarre zum Computer und vom Musiker zum Produzenten gewechselt. Ab 2000 weltweit mit De-Phazz unterwegs. Top-Ten-Album, Echo-Nominierungen (Jazz). Eigenes Label Phazz-a-delic, Radiosendungen (für Power XL Extra Lounge, Istanbul). Aktuelle Produktionen: Lala 2.0 (mit De-Phazz), Economic Poetry (mit Quicksand).

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Pit Baumgartner

Die schlechte Nachricht mal vorweg: Mein kleiner Platten- beziehungsweise CD-Laden um die Ecke macht in Kürze zu. Nicht weiter tragisch, mag man meinen, denn neben den „Mittelmaß-Märkten“ und „Geiz-Kulturgräbern“ im Speckgürtel der Stadt, in denen Musik zwischen Kühlschränken und Heizlüftern präsentiert wird, gibt’s ja noch virtuelle Musikhändler … klick, klick, klick …, bei denen ich alles finden kann … klick, klick …, falls ich weiß, was ich suche … klick …, hier vor meinem Monitor … klick …, allein bei Wasser und Brot. Aber mal unter uns, Freunde, irgendwas gefällt mir an dieser Vorstellung nicht.

„Es hängt sich auch
niemand zwei Gemälde
übereinander an die Wand!“

Der Bäcker, der Metzger, die Drogerie, und dazwischen fehlt zukünftig der Musikladen; raus mit Musik als Kunstprodukt aus der öffentlichen Wahrnehmung, rein in die „Netz- und Media-Favelas“. Eine beliebte Station auf meinem samstäglichen Müßiggang verschwindet. Wie die abgegriffenen Kopfhörer der improvisierten Abhörstation, der schlechte Kaffee, die orientierungslosen Geburtstags-CD-Käufer, die giggelnden Zahnspangenträgerinnen und die fachlich über jeden Zweifel erhabenen Stammkunden – Pop-Gläubige, ihres Tempels beraubt.

„Thieves In The Temple“ (Prince)

Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin Zeitzeuge einer einschneidenden Veränderung, wie sie wohl in jedem Jahrzehnt zu Dutzenden stattfindet, auf der Grundlage gesellschaftlicher Entwicklung (Buchdruck, Auto, Dschungelcamp). Ich weiß nur nicht, ob ich mich darüber freuen soll, und viel weniger kann ich mir vorstellen, was danach kommt. Was entsteht in dem Vakuum, dass mein kleiner Musikladen hinterlässt? Stille? Leere? Charakterlosigkeit? Amazon? Wo finde ich Fachpersonal?

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Update vom
09.02.2023
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Dieser Text ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe!

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