Es macht es Sinn, sich über die Bedeutung eines Fremdwortes klar zu werden, bevor man Wertungen vornimmt. Der Duden ist eine gute, fundierte Ausgangsposition, und dort erklärt man in seiner Fremdwörterausgabe das Wort Authentizität mit den Begriffen Echtheit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit. Wunderbar, genau so sehen wir doch die Folk- und Weltmusik: echt, zuverlässig und glaubwürdig. Martin Weber vergibt im Kölner Stadt-Anzeiger ausgerechnet anlässlich einer Mumford-&-Sons-Konzertbesprechung explizit das Prädikat Authentizitätsgenre Folk. Haben wir nicht irgendwann einmal gesagt, dass uns die Rock- und Popmusik viel zu kommerziell ist, dort geht es nur um Geld, Ruhm und schönen Schein? Wie kann eine Musik, die Stadien füllt, denn echt sein? Wenn aber eine kleine Combo im Klub um die Ecke traditionelle englische Lieder singt, die akustische Gitarre am Lagerfeuer erklingt, oder der ältere farbige Herr so herzergreifend den Blues hat, das bevorzugen wir, denn das ist das wahre Ding, die richtig echte, zuverlässige und glaubwürdige Musik. Diese Musiker sind also authentisch. Aber sind sie und ihre Musik das wirklich? Die Autoren von Faking It widmen ihr komplettes, empfehlenswertes Buch dieser Frage, und sie tun das aus einem ziemlich amerikanischen Blickwinkel. Das ändert nichts an der Allgemeingültigkeit ihrer Erkenntnisse, zumal ihre Definition von populärer Musik von Elvis Presley über Disco, Punk und Nirwana hin zu Folk, Weltmusik und Ein interessantes Beispiel ist der renommierte Feldforscher John Lomax, der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts teils zusammen mit seinem Sohn Alan (der die Dinge später unter dem Einfluss Woody Guthries differenzierter betrachtete) etliche schwarze Bluesmusiker entdeckte. Ihm ging es um die reine, die pure, unverfälschte und primitive afroamerikanische Musik. Deshalb konzentrierte er seine Forschungstätigkeiten auf die Gefängnisse der amerikanischen Südstaaten, weil dort die schwarzen Gefangenen hermetisch von ihrer (weißen) Außenwelt abgeriegelt waren. Das Prinzip ist in Kunst und Politik nicht neu: Ich bastle mir meine Theorie, suche dann nach den Dingen, die meinen Vorstellungen entsprechen, und klammere alles andere aus. Lomax fixe Idee von der Kraft des reinen, simplen Wilden ist jedoch doppelter Unsinn. Zum einen wird jeder, der sich je mit afrikanischer Musik beschäftigt hat, bestätigen, dass sie alles andere als simpel ist. Die Rhythmen alleine sind unendlich ausgefeilt. Und zum anderen übernimmt Musik generell immer und von überall her Einflüsse. Macht sie das nicht, existiert sie unter einer Käseglocke, stagniert und stirbt ab. Woher kam denn die Faszination, die zum Beispiel ein Leadbelly auf sein Publikum ausübte? ... mehr im Heft |
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