Rezensionen DEUTSCHLAND
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ALPCOLOGNE
Alpsolut
(Westpark Music CD 87197/Indigo, www.indigo.de)
14 Tracks, 54:15
Auch mit seinem zweiten Album beweist das Kölner Quartett um die
italoamerikanische Sängerin und Songautorin Victoria Riccio, dass man mit nur
drei Alphörnern und einer voluminösen, wohltönenden Stimme großartige Musik
machen kann. Verblüffend, wie modulationsfähig die auf Naturtonreihen
beschränkten, vier Meter langen Urhörner sind, welche warmen und
abwechslungsreichen Klänge man mit dreien solcher Geräte erzeugen kann, wenn sie
so pfiffig und überraschend arrangiert sind wie hier. Die Musiker können einige
Referenzen vorweisen: Bandgründer Mitch Hoehler spielte Posaune und Saxofon im
Sogenannten Linksradikalen Blasorchester, bei Dicke Luft und der Schäl Sick
Brass Band; Ebasa Pallada, studierter Jazztrompeter, arbeitete mit diversen
Bands und dem Tanztheater Bonn; Norbert Schmeißer ist Posaunist im
WDR-Rundfunkorchester und arbeitete auch schon mit Peter Herbolzheimer und Ray
Charles. Vielfältig sind die Einflüsse aus Jazz, Folk und Weltmusik in den
Alpcologne-Arrangements der Eigenkompositionen von Riccio und Höhler, die Spaß
und gute Laune verbreiten. Intelligente Kompositionen und große Virtuosität
lassen auch das neue Album der Kölner Senner wieder zu einem Genuss werden.
Ulrich Joosten
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COCONAMI
Ensoku
(Trikont US-0409/Indigo, www.indigo.de)
15 Tracks, 54:24
Der Charme des Debüts ist noch nicht verflogen, wenngleich das
Überraschungsmoment nun fehlt – insofern war das erste Album des in
München lebenden japanischen Duos tatsächlich aufregender. Dafür heißt es jetzt
entspannen und der Musik lauschen, in deren Mittelpunkt weiterhin Miyajis
Ukulelen und Namis Gesang stehen. Das minimalistische Konzept reduziert bekannte
Songs aufs Wesentliche und offenbart deren Substanz. Zwar fehlen diesmal Titel
der Ramones, dafür haben sich Coconami Sweet Child O Mine von Guns N Roses
angenommen – aber nix mit Haare schlenzen; dafür eher mit Seele baumeln.
Auch Minas Hit aus den frühen Sechzigern, Tintarella Di Luna, erfährt eine
Neuinterpretation, genauso wie der Leiber/Stoller-Klassiker Three Cool Cats.
Und Tilman Rossmys Loswerden gewinnt durch Computertuba und den hingehauchten
Gesang plus Melodika noch an Bitternis. Außerdem widmet sich Coconami erneut der
bayerischen Volksmusik, spielen etwa den Boarischen in C und Die
Kaiserbirne, bei der ein alter Bekannter singt: der Münchner Gastwirt Ferdl
Schuster. Die eigenen kleinen Songs kommen auf Japanisch daher – schade,
dass Erläuterungen fehlen. Sonst aber bin ichs wieder gerührt.
Volker Dick
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JÖRG HUBE
Herzkasperl
(Trikont US-417/Indigo, www.indigo.de)
Do-CD, 29 Tracks, 128:11, mit Infos
Der im Juni 2009 in München verstorbene Jörg Hube war einer der seltenen
Künstler, die ebenso eindringlich als Kabarettist wie als auch als Schauspieler
am Theater und in Film und Fernsehen zu beeindrucken wussten. War der
Schauspieler Hube an Drehbuch, Regie und Institutionen gebunden, gab ihm das
Kabarett die Möglichkeit frei seine eigene Persönlichkeit, seine Ansichten,
Kritik und Einsichten vor dem Publikum auszuleben. Die von ihm geschaffene Figur
des Herzkasperls bot ihm die Gelegenheit, seinem Publikum witzig und doch voller
Ernst all das mitzuteilen, was ihn bewegte. In fünf Programmen seit 1975
referierte, parodierte, alberte und grantelte er in verschiedenen Rollen weniger
über Tagespolitisches als über Grundsätzliches und nahm sich selbst bei seinen
kritischen Reflexionen nicht aus. So ist denn auch Vieles von dem was er auf die
Bühne brachte noch heute aktuell und bewegend. Der Querschnitt aus seinen
Programmen wird ergänzt mit Ausschnitten aus einem Interview, das er kurz vor
seinem Tod im April der Herausgeberin Sigrid Menzinger gab und das noch einmal
erklärend seine Arbeit als Kabarettist zusammenfasst. Eine beeindruckende
Zusammenstellung.
Rainer Katlewski
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MARTIN C. AND THE 20TH CENTURY PEOPLE
As Long As There Is Sound
(Lonesome Loser Records MCH2010D, www.lonesomeloser.de)
Do-CD, 30 Tracks, 132:23, mit Texten
Für die einen ist er der beste unbekannte Gitarrist der Welt, für die anderen
nur schwer erträglich. Manche weigern sich, seinen Gesang als solchen
anzuerkennen, andere würden sich in die Klangfarbe am liebsten hineinlegen
– an Martin C. Herberg scheiden sich die Geister. Das wird mit diesem
Album nicht anders sein, bei dem der Wuppertaler einmal mehr eigene Wege geht.
Dabei klingt Herberg zwar immer wie Herberg, aber – zum Glück für den
Hörer und zum Leidwesen des Rezensenten -, auf jedem Album auch wieder völlig
überraschend und neu, was jedes seiner Alben absolut unvergleichlich macht. Auf
As Long As There Is Sound
wagt er sich erstmals an ein Bandkonzept. Mit Akkordeon, Schlagzeug und Geige
bewaffnet, könnte man die Musiker fast für eine normale Folkrockkapelle halten.
Doch dann erinnert die Gitarre an die Beatmusik der Undergroundszene, wagt
unfassbare Abstecher zur irischen Folklore – die den Zorn eines jeden
Keltophilen auf sich ziehen dürften – und räumt erfolgreich mit allen
Al-Stewart-Klischees auf. Wie jemand bei 200 Konzerten im Jahr noch Zeit hat,
dieses Meisterwerk zu erzeugen, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
Chris Elstrodt
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MASEN
Wenn schon suchen, dann das Glück
(Blickwechsel/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:35
Für seine unaufdringlich selbstironischen Texte und deren Unverwechselbarkeit
in einem eigenen, aber nicht festgelegten, lebendigen musikalischen Stil
erhielt der 1963 in Syrien geborene und in Berlin aufgewachsene Masen 2003 den
Förderpreis der Liederbestenliste. Masen ist ein Künstler, der auf das
Vortrefflichste die westliche Art des Liederschreibens mit der arabischen
Tradition des Geschichtenerzählers verbindet. Und in der Tat schneidert er jedem
einzelnen seiner Songs das passende Kleid. Da klingt es mal jazzig, mal rockig,
mal nach Tom Waits, mal nach Hanns Eisler. Da erklingen Geigen, aber manchmal
reicht auch schon eine Gitarre aus, um eine Geschichte zu erzählen. Masens
Geschichten handeln von Liebe und Verlust, vom Suchen und vom Finden, vom
Zweifel und vom Glück. Mit dem vorliegenden Album hat er, der übrigens auch als
Dozent und Sachbuchautor erfolgreich ist – Songtexte schreiben: Handwerk
und Dramaturgie (s. Folker 3/2007) – ein Werk
vorgelegt, das sich sowohl durch seine inhaltliche Tiefe auszeichnet
als auch durch eine erfreuliche musikalische Vielfalt.
Kai Engelke
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PETER CROW C. AND THE WEED WHACKERS
Evil Queen Of Diamonds
(Stormy Monday Records MO81292/In-akustik, www.inakustik.de)
12 Tracks, 40:36, mit engl. Infos
Vielen ist er als Gitarrist der Boogietruppe Crazy Hambones ein Begriff –
mit diesem Album kehrt Peter Krause alias Peter Crow C. jener Band den Rücken
zu, zurück zu seinen akustischen Wurzeln. Unterstützend zur Seite stehen ihm als
Wheed Whackers die alten Weggefährten Tony Ramos an Mundharmonika und Gesang und
Dirk Vollbrecht am Kontrabass. Zu hören sind eigene Songs aus der Feder von
Peter Crow C. sowie Coverstücke von Bluesgrößen wie Muddy Waters, Blind Lemon
Jefferson oder Big Joe Williams. Evil Queen Of Diamonds
wird so zu einem entspannten Album eines Bluesmusikers, der sein Können schon
lange nicht mehr unter Beweis stellen muss. Locker verbindet Crow C. Spirituals
mit verschiedensten Bluessongs und Ragtimestücken zu einem bunten Ganzen. Hier
wird die Musik wieder zu etwas Echtem – Blues zum Anfassen
gewissermaßen. Obendrein scheint es den Herrschaften richtig Spaß zu machen,
dieses Album – das hört man. Der Gesang von Tony Ramos gibt etwa dem
Traditional St. James Infirmary eine besondere, neue Note. So arbeiten sich
die drei Musiker, allen voran Bandleader Peter Crow C., durch zwölf Songs voll
bluesgetränkter Extraklasse. Entspannt und ausdrucksstark zugleich.
Carina Prange
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CHRISTIANE RÖSINGER
Songs Of L. And Hate
(Staatsakt. Akt 712/Rough Trade Distributioin, www.rough-trade.net)
Promo-CD, 10 Tracks, 34:42
Die Stimme auf diesem sehr durchwachsenen Singer/Songwriter-Album ist teilweise
Teletubbies. Das ist sicher nicht jedermanns Sache – aber natürlich kein
Kriterium für eine Kritik. Anders verhält es sich schon damit, dass das
textliche und musikalische Niveau der Songs Of L. And Hate
das der Kinderstundestars von damals mitunter keinen Millimenter übersteigt:
Wenn die Unterschicht das Kindergeld versäuft
/ Ja, dann sind wir wieder in
Berlin – soll das Sarrazin-Kritik sein? Ernst gemeint? Arschlochkinder,
Hundehaufen. Na ja. Binsen, Phrasen und Klischees – von Andreas Spechtl
passenderweise quer durchs Album am liebsten mit bis zum Wahnsinn repetiertem
Kinderladengehämmer auf dem Klavier instrumentiert. Dabei kann Christiane
Rösinger auch ganz anders – wie etwa Ich muss immer an dich denken,
Sinnlos, Es geht sich nicht aus zeigen. Alle auch nicht frei von
Plattitüden, aber sanft, verletzlich, in Momenten anrührend. Und vor allem
nicht so großmäulig stammtischmäßig dahergeplaudert wie Berlin oder
Desillusion. Die Nachdichtung von Jackson Brownes These Days – sehr
schön. Ein Stück dagegen wieder wie Verloren, das ein Wort mit ver- nach
dem anderen herunterleiert – puh
Christian Beck
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SORRY GILBERTO
It Was The Longest Day And We Didn`t Know How To End It
(Goldrausch Records GDR005/New Music Distribution, www.nmd-newmusic.de)
11 Tracks, 31:42
Der Kinderzimmerfolk des Berliner Duos Sorry Gilberto ist das genaue Gegenteil
dessen, was täglich durch Hitradios an Poser-Rock unsere Ohren beleidigt. Jakob
Dobers und Anne von Keller führen Popmusik wieder auf ihre Ursprünge im Folk,
der Straßenmusik und den Moritaten Weillscher Prägung zurück. Hier gibt es keine
künstlich übertriebenen Emotionen. Der Gesang ist vergleichsweise stoisch, das
Instrumentarium, von dem die Musik lebt, umfasst neben Gitarre und Bass vor
allem etwas ausgefallenere Instrumente wie Ukulele, Banjo, Glockenspiel und
Beats aus dem Minicasio. Die Songs sind schnörkellos, haben aber etwas von
Kinderliedern oder Leierkastenmusik, und schnell erwischt man sich beim
Mitsummen. Trotz der scheinbaren Steifheit des Vortrags merkt man schnell, wie
liebevoll die Arrangements gestaltet sind und wie die Vielzahl der Instrumente
jeden Song in ein anderes Praliné verwandeln. Letztlich ist dies die
Verweigerung einer Popentwicklung, die einmal als einfaches Lied begann und beim
aufgeblähten Bombast eines Eurovision Song Contest endete. Die Sehnsucht nach
einfachen, beschwingten Liedern scheint aber wieder zu wachsen. Deshalb ein
Hurra auf die Leichtigkeit!
Hans-Jürgen Lenhart
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WENZEL
Kamille und Mohn
(matrosenblau CD 952552, www.matrosenblau.de)
13 Tracks, 45:47, mit Texten
Kaum hat man sich in ein Wenzel-Album vertieft, liegt schon das nächste bereit.
Ein Qualitätsverlust ist dabei nicht festzustellen – ganz im Gegenteil!
Kamille und Mohn
knüpft an die sehr persönlichen Alben an, die zwischen der typisch Wenzelschen
Melancholie und bissigem Spott pendeln. Das Geld ist krank, es leidet an der
Pest oder An den Aufschwung glauben nur die Doofen / Was uns treu bleibt sind
die Katastrophen stehen neben wunderschönen Liebesliedern wie Hab gewartet.
Den Konflikt der Generationen stellt er in Jugend in S. grotesk dar, das
Älterwerden illusionslos: Nach den Tänzen schmerzen mir die Knochen /
Auszuruhen brauche ich oft Wochen. Passend dazu die Illustrationen von
Heilkräutern mit handschriftlichen Anmerkungen zur Wirksamkeit gegen
Leberstörungen, Nachtschweiß oder Gedächtnisverlust. Neben den eigenen Songs
ist – fast schon traditionell – ein Titel von Theodor Kramer dabei.
Die Studioband agiert solide und adäquat, während Wenzel sich selbst an
Akkordeon, Piano und Gitarre begleitet. Das neue Album genießt man wie einen
Mix aus Kräutern für alle Sinne, gerade jetzt zur Winterzeit, und mit einer
Tasse Kamillentee oder einem Kräuterbitter.
Reinhard Pfeffi Ständer
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FOLKER auf Papier
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