Singen bis zur Morddrohung
Tiken Jah Fakoly
Reggae aus Afrika ist selten geworden. 2007 starb Lucky Dube aus Südafrika. Von
Majek Fashek aus Nigeria und Alpha Blondy aus Elfenbeinküste hört man kaum noch
was. Und bis Nachwuchskünstler akustisch auch bei uns in Erscheinung treten,
dauert es immer eine ganze Weile. Das galt auch für ihn, Tiken Jah Fakoly,
ebenfalls aus Elfenbeinküste und zurzeit de facto
Reggae-Kontinentalbevollmächtigter. Längst ist er eine feste Größe und stellt
die Grundversorgung der westlichen Bevölkerungen mit dunkelschwarzem Reggae im
Alleingang sicher. Immerhin ist er einigermaßen regelmäßig mit Konzerten und
neuen Alben unterwegs und damit auch mit frischen Nachrichten über einen ganzen
Kontinent im Kriegszustand. Denn bei ihm ist ein Lied immer auch ein Stück
Zeitung und Zeitgeschichte. Gerade jetzt hat er wieder eine neue CD
fertiggestellt, und wer seine politisch rotzfrechen Texte kennt, den wundert
auch dieser Albumtitel nicht: African Revolution. Denn die steht seiner
Meinung nach immer noch aus.
TEXT: LUIGI LAUER
Eines fällt schon nach wenigen Takten der Platte auf: Revolution bezieht sich
auch auf die Musik Tiken Jah Fakolys. Klar, er spielt Reggae, was sonst, Roots
Reggae, um genau zu sein. Aber eben nicht wie gehabt. Akustische
westafrikanische Instrumente wie Balafon, Kora und die Geige Soukou geben seiner
Spielart des Stils eine völlig neue, tiefafrikanische Färbung, eine, die zum
Albumtitel passt. Das ist eine erstaunliche Parallele zu Femi Kuti aus Nigeria,
dessen ebenfalls noch lauwarmes neues Werk Africa For Africa
von einer ähnlichen Wut über die noch immer katastrophalen Zustände dominiert
wird und das ebenfalls eine sehr afrikanische Angelegenheit ist, aufgenommen in
Lagos mit ausschließlich nigerianischen Musikern. Man möchte die beiden CDs
nebeneinanderlegen und die Titel wirken lassen: Africa for Africa wird es
ohne African Revolution nicht geben.
„Ich weiß,
dass Bildung
Afrika
verändern
wird.“
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Es ist Fakolys zehntes Album für Afrika und das siebte für Europa. Er wollte
keinen neuen Stil, aber einen neuen Sound, eine Veränderung, die ihn und wohl
auch sein Publikum vor Langeweile schützen soll. Wenig revolutionär und damit
auch weiterhin revolutionär an African Revolution
sind die Texte, und das ist gut so. Sie sind wie immer hellwach, politisch,
kritisch, voller Sprachwitz und Ironie und stets fordernd. Tiken Jah Fakoly
– amtlich eigentlich Doumbia Moussa Fakoly – stellt sich
entschieden gegen Neokolonialismus, Rassismus, Waffenhandel, Beschneidung
weiblicher Genitalien, Ausbeutung, Korruption und Machtmissbrauch. Dass er nur
gegen sei, muss er sich dennoch nicht sagen lassen, er ist für bessere
Bildung, Chancengleichheit, Demokratie, die Einheit Afrikas und Schuldenerlass.
Das hat ihm 2008 sogar den allerersten vergebenen Freemuse Award für die
Verteidigung der Redefreiheit eingebracht. Den bekam er, als er gerade aus dem
Exil zurückkam: Fünf Jahre lebte Fakoly in Mali, nachdem er und seine Familie
fortgesetzt bedroht worden waren. Das war der Preis, den er für seine
Aufrichtigkeit zahlen musste.
„Das Fernsehen
ist unsere neue
Kolonialmacht.“
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Er würde es immer wieder tun, denn die Menschen sollen wissen, was los ist. Und
das so früh wie möglich. Darum gibt er Geld für Schulen aus: Es ist total
wichtig, Schulen in Afrika zu bauen. In Mali habe ich gerade eine Grundschule
gebaut, in der Elfenbeinküste auch, und aktuell wird eine in Burkina Faso
errichtet. Ich weiß, dass Bildung Afrika verändern wird. Wenn man betrachtet,
wie der Kontinent heute hinterherhinkt, dass wir arm sind trotz des Reichtums an
Bodenschätzen, dann weiß ich, wir verschlafen es wieder. Und Bildung wird die
Menschen wachrütteln und sie nach ihren Rechten fragen lassen. Die Menschen
haben die Macht! Wenn in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung nicht
einverstanden ist mit Angela Merkel, dann muss sie ihre Politik ändern. Die
Leute werden in den Städten demonstrieren und Aufhören! brüllen. In Afrika
wirst du das nicht erleben. Die Präsidenten machen, was sie wollen, und alle
akzeptieren das und sagen: Sie werden mich umbringen, wenn ich was sage.
Nein!
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