Besondere CDs
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DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND
QUADRO NUEVO
Grand Voyage
(Fine Music FM 151-2/GLM Music/Soulfood, www.soulfood-music.de
)
18 Tracks, 79:00, mit dt. Infos
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Wird die Bezeichnung Weltmusik für Musiker von Welt verwendet, die sich in
ihren eigenen Aktionsrahmen weder von kulturellen noch kommerziellen
Engstirnigkeiten einschränken lassen, trifft sie auf Quadro Nuevo ganz unbedingt
zu. Im Mai 2010 wurde das erfolgreiche Ensemble mit dem Echo geehrt, fünf Monate
später veröffentlicht es nun sein neuntes Album Grand Voyage
mit einer Spieldauer von 79 Minuten, vielen Reisebildern und persönlichen
Statements der Bandmitglieder. Diese sehen das Album selbst als die
authentischste ihrer bisherigen Veröffentlichungen. Es ist ein musikalisches
Reisetagebuch, das die Eindrücke zwischen Istanbul und der Krim, Korsika und
Brooklyn, Tallin und Tunis festhält und wiedergibt, Begegnungen, Bewegungen,
Farben, Formen, Gerüche. Zu hören sind fast ausschließlich eigene
Kompositionen, souverän, virtuos und dennoch mit der beinahe lasziven
Leichtigkeit gespielt, die regelrecht ein Markenzeichen der Band geworden ist.
Nichts drängt sich vor. Die Klänge haben Raum, können atmen und sind dennoch
organisch miteinander verwoben. Zu hören sind aber neben den tonalen oder
rhythmischen Anleihen der jeweiligen Stationen dieser Grand Voyage
auch die akustischen Gegebenheiten eben dieser Orte. Die Titel wurden während
der Konzertreisen der vergangenen drei Jahre in Berghütten (Cien Anos) oder
Palästen (Die Reise nach Batumi) aufgenommen, in Kirchen (Lethe) und
Theatern (Mosaique Tunisienne). Quadro Nuevo spielt mit der gleichen
Selbstverständlichkeit Straßenmusik unter freiem Himmel wie Konzerte in der
Carnegie Hall oder Tango bis in den frühen Morgen der Milonga – wer diese
Musiker je unmittelbar erlebt hat, spürt die Natürlichkeit, mit der sie all die
verschiedenen Traditionen und Stile pflegen, unbedingt. Grand Voyage
ist nicht nur ein Album, es ist auch Ausdruck einer Haltung, zum Beispiel zu
Abschied und Neubeginn in der Welt der Musik wie im Leben selbst.
Cathrin Alisch
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DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND
SPILLCK
Pipers Cathedral – Die 17 Dudelsäcke im Kölner Dom
(Oomoxx Media, www.spillyck.eu
)
17 Tracks, 52:05, mit umfangreichen Infos
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Wie kommt der Dudelsack, im Mittelalter als Instrument des Teufels verpönt, in
den Hohen zu Köln? Immerhin gibt es dort 17 bisher bekannte Abbildungen auf
Fensterbildern, Mosaiken, Gemälden und Skulpturen, die zu einer musik- und
kulturhistorisch höchst spannenden Entdeckungsreise einladen. Das Quartett
Spillÿck – bergisch für Spielleute – kam auf die Idee, die
wechselhafte Geschichte des Dudelsacks, der auch ein Instrument der himmlischen
Engelschöre war, musikalisch in einem Konzeptalbum nachzuzeichnen. Das
40-seitige Beiheft enthält Zeichnungen der Dudelsackspieler mit ihren
Instrumenten sowie kurze ikonografische Anmerkungen auf Deutsch und Englisch und
verzeichnet ihre Lage im Dom. Die Musik lädt zu einer musikalischen Reise durch
den kölschen Sakralbau und die Musikepochen ein, wobei die Musiker weniger Wert
auf historisch korrekte Rekonstruierung der Klänge voriger Jahrhunderte legten,
sondern stattdessen zu einer Fantasiereise einladen. Es erklingen
traditionelle und selbstkomponierte flotte Polkas, flinke Siebensprünge und
fetzige Rheinländer aus den alten rheinischen Herzogtümern Jülich, Cleve und
Berg. Arrangiert wurde die Musik konzertant bis fetzig, die Musiker Rafael Daun,
Christian Starke, Ruthilde Holzenkam und Thórralf Schuh verzichteten auf einen
Dudelsack-Overkill und setzten stattdessen auf geschmackvoll-abwechslungsreiche
und vor allem sehr luftig und transparent aufgenommene Instrumentals. Darin
erklingen die verschiedenen Säcke, von der northumbrischen Small Pipe über die
galicische Gaita bis zum oberpfälzischem Bock, von der Cornemuse Grande
Bourbonnaise bis zur zentralfranzösischen Bechonnet in immer wieder neuen,
fesselnden Klangfarben. Zusammen mit Waldzither, Saxofon, Blockflöten, Schalmei,
Low Whistle, Akkordeon, Harfe, Kontrabass, Perkussion und Bodhràn ergibt das
eine schwungvolle Mixtur, die nicht nur Dudelsackfreunden unbedingt ans Herz
gelegt sei.
Ulrich Joosten
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DIE BESONDERE – EUROPA
ELIZA CARTHY & NORMA WATERSON
Gift
(Topic Records TSCD579, www.topicrecords.co.uk
)
11 Tracks, 54:18, mit engl. Infos
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Es gibt Menschen, nicht nur in England, die verdrehen die Augen, wenn mal wieder
ein neues Album aus dem Waterson/Carthy-Umfeld über den grünen Klee gelobt wird.
Kann man nachvollziehen, denn das passiert ziemlich regelmäßig. Doch was bleibt
den armen Rezensenten übrig, wenn die Damen und Herren des Clans fast
ausnahmslos Spitzenleistungen abliefern! Nun also musizieren erstmals Mutter
Waterson und Tochter Carthy zusammen, und wo die tätig sind, da sind auch Gatte
und Vater Martin Carthy und andere Familienmitglieder nicht weit, plus
prominente Freunde wie Martin Simpson oder Danny Thompson. Könner allesamt! Was
das Album jedoch besonders auszeichnet ist der Mutter/Tochter-Gesang, wobei
beide auch solo glänzen. Gerade Norma Watersons Stimme fasziniert, sie scheint
überhaupt nicht zu altern, sondern reift wie besonders wertvoller, samtener
Rotwein. Aber auch Eliza Carthy steht ihr kaum nach, beider Stimmen sind stark
und charaktervoll, ob sie jubilieren oder klagen, voller Emotionen und mit
schierer Freude am Singen. Die meist traditionellen Lieder stammen von beiden
Seiten des Atlantiks, Poor Wayfaring Stranger, Bunch Of Thyme oder das
mitreißende Shallow Brown sind nur die bekanntesten Beispiele. Und mit einem
Augenzwinkern wird die Swingnummer Ukulele Lady mit dem Amen-Corner-Hit (If
Paradise Is) Half As Nice von 1969 gekoppelt – mit charmantem Effekt.
Doch doch, es ist eben so: ein weiteres Meisterwerk aus dem Hause
Waterson/Carthy!
Mike Kamp
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DIE BESONDERE – INTERNATIONAL
DONSO
Donso
(Comet Records COMETCD051/Groove Attack, www.grooveattack.de
)
Promo-CD, 11 Tracks, 48:59
Der umfassend integrative Ansatz: Hier werden einerseits beinhart traditionelle
westafrikanische Elemente verwendet, das gilt für den Gesang von Gédéon Diarra,
die Song- und Rhythmusstrukturen und für Guimba Kouyates Spiel von Ngoni und
Gitarre; aber nahtlos verknüpft wird das Althergebrachte andererseits mit
hypermodernem Elektrogefiepe und -geplucker von Pierre-Antoine Grison. Und das
Ergebnis klingt verblüffenderweise so selbstverständlich und überzeugend, dass
man fragen kann, wieso das Muster nicht längst Standard ist. Die eingesetzten
Keyboards ahmen keinerlei instrumentale, vermeintlich natürliche Klänge nach,
sondern stellen offensiv ihre digitale Herkunft aus und passen dennoch gut zu
Melodien, wie sie auch auf Ali-Farka-Touré-Alben erklingen könnten. Die Rhythmen
sind teils synthetisch, teils analog getrommelt, und bilden trotzdem eine
organische Einheit. Anders als in den schrecklichen Achtzigern, als versucht
wurde, aus afrikanischer Musik westlichen Pop zu machen, klingt das Ergebnis
hier nicht nach Vergewaltigung, sondern nach Vereinigung. Und beide Seiten
begegnen sich mit Liebe und Respekt. Veröffentlicht wurde Donso
von Comet, dem französischen Label, das vor mehr als einem Jahrzehnt schon den
legendären Afrobeatschlagzeuger Tony Allen mit Elektrofricklern
zusammenbrachte. Bleibt zu hoffen, dass sich für diesen erfreulich unspießigen
und überhaupt nicht musealen Umgang mit dem musikalischen Erbe auch ausreichend
Zuhörer finden lassen. Für Hörer von Klubmusik stellen die traditionellen
Elemente derartigen Afro-Elektros wahrscheinlich eine nicht unerhebliche
Herausforderung dar, und die hierzulande immer noch häufig anzutreffenden,
schlimmstenfalls barfuß tanzenden Freunde des Exotischen, Ekstatischen und
Wilden dürften mit dem Donso-Sound auch eher wenig anfangen können.
Aber das ist ja vielleicht eher eine Chance – im vorliegenden Falle auch
auf die Rettung der Musik vor ihren Hörern.
Gunnar Geller
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FOLKER auf Papier
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