Nun endlich ein Unternehmen, das zum Scheitern verurteilt ist. Schon der Blick auf die europäische Gitarristenliga konnte nur funktionieren unter Auslassung zahlloser Namen. Namen, die wichtig gewesen wären, während die Namen, die Erwähnung fanden, eine ganz persönliche Auswahl darstellten. Und nun: die Welt. Die Erde in sechs (oder ein paar mehr oder weniger) Saiten. Wer erscheint da unmittelbar auf der Leinwand des gitarristisch vorgeformten Bewusstseins? Gilt es die Namen zu nennen, die ohnehin schon jeder kennt? Was gibt mir die Nennung von Musikern, von denen ich nie gehört habe? Nun, es folgt ein kurzer Flug über Kontinente und Meere, knappe Schlaglichter hier und dort. TEXT: ROLF BEYDEMÜLLER
Beginnen möchte ich mit einer Nicht-Gitarre. Doch ihr Name ist Stellvertreter für das Grundelement aller Lauteninstrumente – das Holz, arabisch al ’ud. Die Ud, eine bundlose Kurzhalslaute, ist im gesamten arabischen und türkischen Raum verbreitet. Sie ist meist mit fünf Doppelsaiten versehen, gespielt wird sie in den unterschiedlichsten Stimmungen. Einer der wichtigsten und weltweit bekanntesten Udspieler lebt im Irak: Munir Bashir. Der sehr empfehlenswerte halbdokumentarische Film Al Oud (1990) stellt den bedeutendsten Udspieler Nubiens vor: den im Mai 2006 verstorbenen Hamza El Din. Bekannt wurde er unter anderem für seine Zusammenarbeit mit dem Kronos Quartet und Grateful-Dead-Schlagzeuger Mickey Hart. Für ihre weltweite Kollaboration mit Musikern unterschiedlichster Herkunft stehen auch die tunesischen Saitenvirtuosen Anouar Brahem und Dhafer Youssef. Im deutschsprachigen Raum lebend, sind Rabih Abou-Khalil und Roman Bunka, ein früher Embryo-Mitstreiter, zu nennen.
Auch in Indien begegnen wir typischerweise nicht der Gitarre wie wir sie kennen, sondern einem modifizierten Vielsaiter, der den wichtigsten klanglichen Besonderheiten der Musik des indischen Subkontinents angepasst ist. Prinzipiell technisch eher einer Slidegitarre vergleichbar, wird sie auf dem Schoß liegend mit einer Art „Bottleneck“ gespielt. Auffallend ist die große Zahl an Resonanzsaiten, die dem Raga entsprechend gestimmt und mit angeschlagen werden. Die bekanntesten Künstler sind Vishwa Mohan Bhatt und Debashish Bhattacharya. Beide sind tief in der Tradition klassischer indischer Musik verwurzelt, aber ebenso geneigt, transkulturelle Beziehungen einzugehen. Besonders erwähnenswert sind die außergewöhnlichen, weil außergewöhnlich schönen Aufnahmen, die auf Water Lily Records erschienen sind: Bhatt im Duo mit dem Banjo-Exoten Bela Fleck oder Slidelegende Jerry Douglas. Auf diesem Weg ist nun die Brücke zur Gitarre, dem stahl- oder nylonbestückten Sechssaiter, wie er den meisten vertraut ist, ganz leicht gebaut. Einer der leidenschaftlichsten Weltreisenden in Sache Gitarre ist Bob Brozman, ebenfalls Slide-Guitar-Virtuose. Er hat nicht nur Indien bereist und mit oben genanntem Bhattacharya Aufnahmen gemacht, auch Japan und Hawaii waren Ziel seiner musikethnologischen Studien. Am spektakulärsten und eindrücklichsten ist vermutlich seine CD/DVD Songs Of The Volcano, die das musikalische Zusammentreffen Brozmans mit den Stringbands Papua-Neuguineas dokumentiert. Und Stringbands bedeutet in diesem Fall: Gitarren, Gitarren und wieder Gitarren. ... mehr im Heft |
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