GASTSPIEL
Enthusiasmus als Voraussetzung für selbstlose Kunstvermittlung
Dreißig Jahre Preis der deutschen Schallplattenkritik
VON LOTHAR PROX*
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www.schallplattenkritik.de
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* Der Musik- und Medienwissenschaftler Professor Dr. Lothar Prox lebt in Bonn und
ist seit 2009 Vorsitzender des Vereins Preis der deutschen Schallplattenkritik.
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„Was macht ein Fußballspiel zu einem zauberhaften Spiel?“ Gute Frage. Für Marcel
Reif, Chefkommentator der Bundesliga, gilt der unbedingte Siegeswille der
Spieler, ihre Intuition, Begabung, ihr „hemmungsloser Enthusiasmus“ (Chrismon,
06/2010). Seine Gesprächspartnerin Felicitas von Lovenburg, Rezensentin der FAZ,
sieht keine Parallele, den Zauber großer Literatur zu erklären: „Toll! Alles,
was Sie sagen, ist für jeden Fußballfan unmittelbar anschaulich. Die Codes, die
Sie verwenden, werden von Millionen verstanden. Diese Transparenz ist jedoch in
der Literaturkritik schwieriger herzustellen. Natürlich kann ich mich auf einen
Kanon beziehen, kann sagen: Das erinnert mich an X, hier sehe ich Einflüsse von
Y. Aber das Publikum, das all diese Verweise, alle Codes versteht, ist kleiner
geworden. Eine Sendung wie das Literarische Quartett könnte es heute wohl nicht
mehr geben. Nicht nur, weil es keinen zweiten Marcel Reich-Ranicki gibt, sondern
weil es weniger Menschen gibt, die sich sagen: Ich setze mich anderthalb Stunden
vor den Fernseher, ich kenne zwar keines der Bücher, über die da gesprochen
wird, aber ich finde die Auseinandersetzung darüber wichtig.“
„Fast scheint es,
dass nur noch ein
Star wird, wer
aussieht wie ein
Supermodel, und
dass Schönheit
mehr zählt als
Können“
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Wie unzeitgemäß ist dagegen die Gründung eines „Phonographischen Quartetts“,
jüngstens vom Jurygremium Preis der deutschen Schallplattenkritik e. V. aus der
Taufe gehoben? Der Zusammenschluss von rund einhundertvierzig namhaften
Musikkritikern, Journalisten und Musikexperten Deutschlands, Österreichs und der
Schweiz erfolgte vor dreißig Jahren mit dem Ziel, auf dem Musikmarkt eine
qualitative Orientierung zu geben. Heute, da bei zehntausenden Neuerscheinungen
pro Jahr eine Übersicht nicht mehr gegeben ist, erweist sich diese Aufgabe als
dringender denn je. Offensivspiel ist angesagt. So tritt der Verein künftig
stärker mit verschiedenen neuen Projekten vor die Öffentlichkeit und wird in
Verabredung mit Festivals, Konzertveranstaltern und Medienanstalten das Publikum
direkt ansprechen. Das Phonographische Quartett – eine „Dachformation“,
die zu wechselnden Themen ihre Experten beruft – kann dafür ein Beispiel
sein. So der Auftritt im Herbst beim Beethovenfest 2010 in Bonn. Vier bekannte
Vertreter der Klavierjury diskutieren auf der Basis von Vergleichs- und
Verweismöglichkeiten Beethovens pianistisches Spätwerk Diabelli-Variationen
op. 120 mit erhellenden Hörbeispielen. Wenn anschließend der jugendliche
Igor Levit spielt – die FAZ stellte ihn kürzlich als einen der
großen Pianisten dieses Jahrhunderts vor –, findet das monumentale Tastenstück
seine letzte Vertiefung. Gleichzeitig präsentieren sich Vertreter der Opernjury
als Phonographisches Quartett beim Musikfest Stuttgart (Thema: Robert Schumanns
Faust-Szenen). Zur Konzeption gehört, dass auch die Kollegen der U-Musik
als Experten des Jazz, des Chansons oder des Blues als Vermittler auftreten und
die Idee des Phonographischen Quartetts beleben.
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