FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA


BONNIE DOBSON
Looking Back

(Bieber Records/In-akustik, go! www.in-akustik.com )
13 Tracks, 49:27

Bonnie Dobsons Song „Morning Dew“ wurde seit sie ihn 1961 geschrieben hat von zahllosen Künstlern gecovert, darunter Rod Stewart, Robert Palmer und The Grateful Dead. Die kanadische Singer/Songwriterin selbst trat zu Zeiten des Urban Folk Revivals in New York neben Bob Dylan, Tom Paxton, Phil Ochs und anderen in Gerde’s Folk City auf und wurde als eine der wichtigsten Folkladies neben Joan Baez gehandelt. Nachdem die Sängerin nach England umsiedelte, waren in den Siebzigerjahren der deutsche Gitarrist Friedeman Witecka und David Moses am Kontrabass ihre ständigen Begleiter. Für das vorliegende Album überarbeitete Witecka drei Lieder aus ihrer gemeinsamen Zeit, ebenso wie acht Aufnahmen aus Dobsons Zusammenarbeit mit der Sängerin Annie Baker Graham – traumhafte Vokalharmonien! Er schaffte es sogar, Dobson, die seit 1989 nicht mehr aufgetreten ist, ins Studio zu locken und zwei ihrer neueren Lieder aufzunehmen. Looking Back zeigt sowohl Dobsons Qualitäten als Liedermacherin mit einem Händchen für eingängige, im Countryfolk wurzelnde Melodien mit Hitqualitäten, als auch als großartige Sängerin mit einem ungekünstelten Sopran. Die Arrangements sind von zeitloser Schönheit.

Ulrich Joosten

 

BONNIE DOBSON – Looking Back


JIM GUTTMANN
Bessarabian Breakdown

(Kleztone Records 0002, go! www.jimguttmann.com )
11 Tracks, 56:56

Ein Dutzend Alben hat Bassist Jim Guttman seit 1981 mit der Klezmer Conservatory Band eingespielt, dazu kommen weitere in anderen Formationen. So war das Wagnis nicht allzu groß, nach über dreißig Jahren professionellen Musizierens einmal selbst ganz vorn zu stehen, zumal wenn er dabei von seinen KCB-Kollegen Art Bailey (p), Mark Berney (tp) und Grant Smith (dr) sowie KCB-Gründungsmitglied Mimi Rabson (v) unterstützt wird. Nimmt man dazu noch Szenengrößen wie Frank London (tp), Billy Novick (cl) oder Brandon Seabrock (g, mand), dann ist etwas Hörenswertes so gut wie garantiert. Fulminant beginnt das Album mit „Philadelphia Sher“, das – mit geschickten Bläserarrangements bestückt – gerade nicht die musikalische Richtung, namentlich Klezmer, vorgibt, die der unbedarfte Zuhörer erwartet. In abwechslungsreicher Reihenfolge, die niemals Langeweile aufkommen lässt, geht es über Jazziges wie in „And The Angels Sing“ oder einen Abstecher in Latinogefilde mit dem fantastischem „Descarga Gitano“ zu traditionell Jüdischem, etwa dem zum Mittanzen einladenden „Sadegurr Chusidl“. Guttmanns Ziel, alles, was er in den letzten drei Dekaden machte, in einem Album zu vereinen, ist ihm mit Bravour gelungen.

Matti Goldschmidt

 

JIM GUTTMANN – Bessarabian Breakdown


THE JOHN HARTFORD STRING BAND
Memories Of John

(Compass Records 7 4539 2/Sunnymoon, go! www.sunny-moon.com )
15 Tracks, 49:09, mit engl. Infos

2001 starb der Songschreiber und Melonenträger John Hartford, so etwas wie die Integrationsfigur der US-amerikanischen Old-Time- und Bluegrass-Szene. Mit dem Evergreen „Gentle On My Mind“ hinterließ er sein musikalisches Markenzeichen. Bis heute wird Hartford schmerzlich vermisst, vor allem von jenen, die mit ihm zusammen auf einer Bühne gestanden haben. Seine frühere, erstklassig besetzte Begleitband hat sich nun wieder zusammengefunden, um dieses Tribute-Album einzuspielen. Darauf zu finden sind vor allem Songs von John Hartford, aber auch Fremdkompositionen, die zu seinem Repertoire gehörten. Etwa Johnny Bonds „Love Grown Cold“, das ebenso zu den Höhepunkten zählt wie der Hartford-Klassiker „M.I.S.I.P.“ und „Lorena“, beide einfühlsam gesungen von Tim O’Brien. Der gehört ebenso wie Alison Brown (bj), Béla Fleck (bj) und Alan O’Bryant (voc) zu den „special guests“ der Aufnahmen, die großenteils innerhalb weniger Tage fertiggestellt wurden. Sie vermitteln eine warmherzige Atmosphäre von hochmusikalischer Leichtigkeit. Der mit zwei bislang unveröffentlichten Songs ebenfalls noch einmal vertretene John Hartford würde sich im Grab umdrehen – mit einem Lächeln.

Volker Dick

 

THE JOHN HARTFORD STRING BAND – Memories Of John


JOHNSMITH
Gravity Of Grace

(Blue Pine Productions, go! www.johnsmithmusic.com )
13 Tracks, 51:38

Kickin’ This Stone

(Blue Pine Productions, go! www.johnsmithmusic.com )
13 Tracks, 51:35

Johnsmith, aufgewachsen in irisch-amerikanischem, katholischem Umfeld auf dem Land in Iowa, ist ein Songwriter der exquisiten Sorte. Auch wenn seine Themen oft sozialkritischer Natur sind, fehlt der erhobene Zeigefinger. Die sehr persönlichen Geschichten seiner beiden Alben von 2009 hat er in bluesig angehauchte Country- und Folkarrangements verpackt, oft auch mit Acoustic-Rock- und keltischen Elementen unterlegt. Seine irischen musikalischen Wurzeln lassen sich, was die Qualität der eingängigen Melodien angeht, nicht verleugnen. Die Melodien zu den sehr poetischen, anrührenden Texten sind bemerkenswert gut arrangiert und mit einer ganzen Horde Gastmusiker eingespielt worden, auf diversen Saiteninstrumenten, von der elektrischen bis zur akustischen Gitarre über Mandolinen und Geigen zu diversen Tasteninstrumenten, gewürzt mit Bluesharp und Tin Whistle. Johnsmiths ansprechende Stimme zwischen Bariton und Tenor bringt die Emotionen seiner Lieder mit leichtem Timbre in genau der richtigen Dosierung rüber, ohne peinlich zu wirken. Er wird dabei von diversen Backing Vocals sehr schön unterstützt. Johnsmith macht mit seinen Songs richtig gute Laune – eine echte Entdeckung!

Ulrich Joosten

 

JOHNSMITH – Gravity Of Grace

JOHNSMITH – Kickin’ This Stone


OLD CANES
Feral Harmonic

(Saddle Creek LBJ-140/Cargo Records, go! www.cargo-records.de )
Promo-CD, 12 Tracks, 39:51

Wer glaubt, alles in seinem Leben schon einmal gehört zu haben, sollte dringend zu Old Canes aus Kansas greifen. Mit Feral Harmonic erzeugt das Künstlerkollektiv um Chris Crisci von den Appleseed Cast bereits zum zweiten Mal erstauntes Kopfschütteln. Das beginnt bei der Aufnahmetechnik: Das Album klingt wie die Schwarzpressung eines Konzertes, bei dem das einzige Mikro hinter dem Schlagzeug stand. Tatsächlich ist die Betonung des Schlagzeugs und die Rücknahme solch nebensächlicher Dinge wie Gesang ein gezieltes Stilmittel der Band. Verschroben auch die Auswahl und der Einsatz der Instrumente. Glockenspiel zum Beispiel wird verwendet, um dem Material einen harten Akzent zu verleihen. Das Album strotzt nur so vor Folkelementen, und dennoch wird es wohl eher von extremeren Indiefreaks konsumiert werden. Musikalisch formell handelt es sich jedoch um Countrymusik. Im ersten Durchgang klingen die Old Canes gleichzeitig gut hörbar und sperrig und man weiß nicht genau, ob man das Album wegwerfen oder zur Platte des Monats küren soll. Die FAZ hat sich immerhin zur „Platte der Woche“ durchgerungen. Old Canes klingen wie ... Old Canes.

Chris Elstrodt

 

OLD CANES – Feral Harmonic


RUFUS WAINWRIGHT
All Days Are Nights: Songs For Lulu

(Decca Records 06025 2735558/Universal Music, go! www.universal-music.de )
Promo-CD, 12 Tracks, 48:10

Immer wieder interessant ist der Minderwertigkeitskomplex gegenüber der E-Musik, dem selbst Populärkünstler von der Statur Frank Zappas, Lou Reeds oder Elvis Costellos erliegen. So auch Rufus Wainwright. Als Singer/Songwriter mit dynastischem McGarrigle/Wainwright-Stammbaum etwas sehr schnell zu etwas sehr viel Ruhm gekommen, buhlt er seitdem um die Gunst der Hochkultur. Erst wurden seine Songs vollorchestriert, dann brachte er mit Robert Wilson Shakespeare-Sonette auf die Bühne, dann gleich eine eigene Oper, und hier kommt das Kunstlied. Wie immer bei Theatraliker Rufus Wainwright mit ganz großer Geste: allein am Klavier, drei Shakespeare-Vertonungen, einmal Französisch („Die Feuerwerke rufen dich“), manch netter kleiner inniger Moment – vor allem aber viel üppig dimensioniertes Sentiment, viel Inbrunst und Bedeutungsschwangerschaft, mit manch Holzhämmerchen dargeboten, und immer wieder mit fast so viel Vibrato wie geht. Und natürlich mit dem Schuss Exhibitionismus, den die Generation Realityshow heute wohl mit Authentizität verwechselt: „Martha, it’s your brother calling / Time to go up north and see mother“. Und dazu gibt’s auf der Bühne das weinende Auge; im Saalformat ...

Christian Beck

 

RUFUS WAINWRIGHT – All Days Are Nights: Songs For Lulu

Update vom
09.02.2023
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