FOLKER – Far Out Recordings

LABELPORTRÄT 46

Far Out Recordings

Comeback- und Talentschmiede für Brasilien

TEXT: HANS-JÜRGEN LENHART

Labelchef Joe Davis

Der englische DJ Joe Davis infizierte in den frühen Neunzigern die englische Jazzdance-Szene mit kaum bekannten brasilianischen Platten aus Rios Second-Hand-Läden, denn er wollte, dass sich nicht nur altgediente Bossa-Nova-Spezialisten, sondern auch junge Neueinsteiger für brasilianische Musik begeistern. Dazu bedurfte es aber in der Folge neuer, klubmusikkompatibler Produktionen aus Brasilien. So beschloss er 1994 selbst ein Album mit Bossa-Altstar Marcos Valle zu produzieren, der schon in den Siebzigern in den USA mit Fusionsounds experimentierte. Damit war der Grundstein gelegt für eine der weltweit folgenreichsten Runderneuerungen brasilianischer Musik der letzten fünfzehn Jahre, das englische Label Far Out Recordings.

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Logo Far Out Recordings

Joe Davis überredete den in Brasilien fast vergessenen Marcos Valle, ältere, jazzorientierte Musiker mit ins Studio zu nehmen, aber auch junge Talente wie die Sängerin Célia Vaz. Es kam zu Sessionaufnahmen, aus dem das Album Friends From Rio entstand, welches die Basis von Davis’ Far-Out-Label werden sollte. Nur zu gerne erinnert sich der Produzent sich an dieses Album: „Ich gab einen Haufen Geld für Musiker aus, die ich kaum kannte. Aber das Album öffnete uns die Tür für weitere Stars wie Joyce, die alle Freiheiten bei uns bekamen.“

Marcos Valle
Sabrina Malheiros
„Wir sind Soundspezialisten geworden und die Leute kommen direkt zu uns, um für diesen Sound Kompositionen zu liefern.“

Das Producerduo Da Lata remixte zudem aus einem Stück eine Single und landete damit seinen ersten Dancefloorhit. Das Label gräbt seitdem ständig vergessene Altstars aus und fördert gleichzeitig junge Talente, denen ein zeitgemäßer Sound verpasst wird. Im Unterschied zur späteren Elektrobossa-Welle wird dabei die Seele der brasilianischen Musik nicht als bloßer Zusatz genommen, wie er insbesondere im Begriff „Brazil flavoured music“ längst zur Farce generiert ist. Das Konzept funktioniert insbesondere deshalb, weil Davis sich bei den meisten Produktionen auf den entspannt dahinfließenden Sambajazzsound von Gruppen wie den Dauerbrennern Azymuth inspirieren lässt. Manche Kinder dieser Altstars bilden zudem heute die erfolgreiche Nachwuchsabteilung des Labels: Clara Moreno ist die Tochter des „Altstars“ Joyce und Sabrina Malheiros die Tochter von
Joyce
Azymuth-Bassist Alex Malheiros. Die Band Azymuth ist für Joe Davis überhaupt der Nukleus des Labels: „Nach ihrem großen Erfolg in den Siebziger- und Achtzigerjahren zogen sich Azymuth aus dem Rampenlicht zurück. Aber viele Musiker und DJs entdeckten ihre klassischen Aufnahmen wieder. Die Band live zu sehen war für sie so etwas wie der heilige Gral. Ich bekniete Azymuth, ein Album mit ihnen aufzunehmen und habe es nie bereut.“

Auch die schon erwähnten Da Lata zählen heute zu den gehaltvollsten Pionieren der Nu-Bossa-Bewegung. Sie stammen wie Davis oder DJ-Legende Gilles Peterson aus der Jazzdance-Szene des Londoner Dingwalls-Klubs. Deren DJs bringen ihre favorisierten Mixe mit brasilianischen Musikkleinoden heute noch bei Far Out als Kompilationen heraus. Doch Brazilika-Sammler Joe Davis sorgt auch dafür, dass die Meister der früheren Jahrzehnte von dem anvisierten jungen Publikum gewürdigt werden und unerwartete Karriereschübe bekommen. So grub er die hochbetagte Bossajazzband The Ipanemas aus und nahm 2001 mit ihnen nach vierzigjähriger Plattenpause [!] ein Album auf.

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Update vom
09.02.2023
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