Die Zeiten verordneter Folklore sind vorbeiDas EBU Folk Festival als Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen
Bereits zum zweiten Mal nach 1994 gastiert das Folkfestival der European Broadcasting Union (EBU) beim TFF Rudolstadt. Die EBU – ein Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des „Alten Kontinents“ mit einer ganzen Reihe assoziierter Anstalten aus anderen Gegenden der Welt – veranstaltet dieses Festival seit 1980. Jedes Jahr lädt ein anderer Sender die „Folk-Völker“ ein. Dabei kommt meist ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher Präsentationen von zeitgenössischer und traditioneller Folkmusik zusammen. In diesem Jahr ist der MDR Gastgeber in Rudolstadt. Vorbereitet wird das Programm von der EBU-Arbeitsgruppe Folk und traditionelle Musik, der Redakteure aus den europäischen Radiostationen angehören. Sie wählen aus ihren Reihen darüber hinaus einen Arbeitsausschuss von sieben Vertretern. Derzeit ist Marc Vandemoortele vom VRT aus Belgien Vorsitzender des Gremiums. Nachdem sie schon seit Mitte der Achtzigerjahre – damals noch mit Radio DDR – zu den Abnehmern von Programmangeboten der EBU gehört hatte, ist Hanni Bode zudem seit 1995 in verschiedenen Projekten aktiv beteiligt und gehört seit 2003 dem Arbeitsausschuss an. Im Folker-Gespräch beschreibt die Redakteurin von Deutschlandradio Kultur die Arbeit des Gremiums und jüngste Veränderungen in der europäischen Folkmusikszene.
Sie sollten zunächst etwas darüber sagen, wer die EBU eigentlich ist und was sie macht. Alle öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehstationen können Mitglied sein. Den meisten Menschen dürfte die EBU durch die Organisation des Eurovision Song Contest oder durch Sportereignisse bekannt sein. Die Radioabteilung hat jedoch einen erheblichen größeren Anteil am Austausch von Programmen als das Fernsehen. Geld fließt dabei in der Regel nicht, das heißt die abgebende beziehungsweise anbietende Anstalt kommt für die Kosten auf. Diese Struktur erklärt natürlich auch, dass das Angebot davon abhängt, was sich eine Rundfunkanstalt leisten kann. Die Kosten werden also, je nachdem, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den einzelnen Ländern organisiert ist, vom Gebührenzahler oder von einer Rundfunksteuer getragen. Welche Folgen auf die Organisationsstruktur hatten in diesem Zusammenhang die politischen Veränderungen Anfang der Neunzigerjahre? Die EBU hat sich seitdem enorm nach Osten hin erweitert. Und gerade auf dem Gebiet von Folk und Weltmusik sind hier eine ganze Menge aktive Leute hinzugekommen. Nur können die nicht alle in den verschiedenen Facharbeitsgruppen tätig werden, weil dazu eine gewisse Stellung im jeweils eigenen Haus gehört oder, dass es eine ganze Redaktion für diesen Bereich gibt. Das ist heute bei sehr vielen Radiosendern jedoch nicht mehr der Fall. Bei einigen gibt es gar keinen eigenen Fachredakteur mehr. Das erschwert die Arbeit natürlich. Der Erfolg der Folkarbeitsgruppe hängt davon ab, ob eine Anstalt bereit ist, dafür Geld auszugeben. Dieses Problem stellt sich in „West“ und „Ost“ gleichermaßen. Dann kommen wir doch konkret auf die Arbeitsgruppe für Folk und traditionelle Musik zu sprechen. Diese Arbeitsgruppe ist wirklich sehr erfolgreich. Es gibt sie seit den Achtzigerjahren. Lange Zeit wurde sie von dem BBC-Produzenten Geoffrey Hewitt geleitet, der auch an ihrer Gründung beteiligt war. Eine Zeitlang waren wir ähnlich dem Weltmusikworkshop organisiert, der ja nur einen offiziellen Verbindungsmann zur EBU-Zentrale hat. In unserem Bereich stellte sich dann Ende der Neunzigerjahre jedoch heraus, dass es gerade wegen der vielen neuen Mitgliedssender sinnvoll war, die Arbeit klarer zu strukturieren. Folk und traditionelle Musik hat in Osteuropa einen großen Stellenwert, Fachredakteure und Sendeplätze, auch wenn sie langsam weniger werden. Im Weltmusikworkshop der EBU versammeln sich viele freie Mitarbeiter, das macht die Sache unter dem Dach des Gesamtverbundes nicht gerade einfacher. Die Fragen stellte Michael Kleff. ... mehr im Heft |
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