CARMEN SOUZA
Protegid
(Galileo MC GMC036, www.galileo-mc.de
)
12 Tracks, 56:30, mit kreolischen und engl. Texten
Sanfte, fließende Gitarrenklänge, federnde, leichte Rhythmen, schöne
Frauenstimmen – die Musik der Kapverden. Carmen Souza stammt von der
Inselgruppe im Atlantik und singt im kreolischen Portugiesisch ihrer Heimat.
Eines der Stücke auf Protegid
heißt „Sodade“. Genau, das Lied, das Cesaria Evora bekannt gemacht hat. Soviel
zum Mainstream. „M’sta Li Ma Bô“ (port. „Ich bin für dich da“), das
Eröffnungsstück des Albums, weist einen etwas anderen Weg. Da sind Carmen
Souzas expressiver Skatgesang, der akustische Bass, die Perkussionseinlagen
ihres musikalischen Partners Theo Pas’cal und eine ungewöhnliche, spannende
Klavierbegleitung. Die stammt vom Kubaner Omar Sosa, einem der „Special Guests“
auf Protegid. Andere sind die in Portugal beheimatete Bigband Tora Tora auf „Kem ê Bô?“, der
palästinensische Oudvirtuose Adel Salameh und der französische Akkordeonist Marc
Bertoumieux. Theo Pas’cal schrieb die Musik und Carmen Souza die Texte. Diese
werben für mehr Verständnis unter den Menschen und rufen zur Eigenverantwortung
auf. Das schön gestaltete Beiheft beinhaltet alle Texte mit sorgfältigen
englischen Übersetzungen. Afrikanischer Ethnojazz, rhythmisch vertrackt, locker,
hochmusikalisch.
Martin Steiner
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TAMIKREST
Adagh
(Glitterhouse Records GRCD 703/Indigo, www.indigo.de
)
11 Tracks, 42:40, mit Texten in Tamascheck und engl. und franz. Infos
ETRAN FINATAWA
Tarkat Tajje/Let’s Go!
(Riverboat Records/World Music Network WMN TUGCD1055/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com
)
Promo-CD, 10 Tracks, 63:25
MARIEM HASSAN
Shouka
(Nubenegra INN 1136-2/Megaphon Music, www.megaphon.com
)
16 Tracks, 70:00, mit span. und engl. Infos
Wie angesagt Musik aus der Sahara derzeit in Europa ist! Eine Tuaregband in der
Nachfolge Tinariwens mit großem Potenzial legt ihr Debüt beim Rootsrocklabel
Glitterhouse vor. Sänger und Leadgitarrist Ousmane Ag Mossa, zwei weitere
Gitarristen, ein Bassist, ein Perkussionist und zwei Sängerinnen verstehen sich
als Tamikrest („Bündnis“ in Tamaschek); Adagh ist eine Region des Berglandes
Adrar des Ifoghas. Die durchweg melancholisch anmutenden Lieder handeln von den
schwierigen Lebensbedingungen der Tuareg, kritisieren die Repressionen der
Zentralregierung („Aratane N’Adagh“). Viele Texte sind von Verzweiflung geprägt,
aber auch von der ungebrochenen Sehnsucht nach Freiheit. Dass der Mix aus Blues,
psychedelischem Rock, Reggae sowie den hypnotischen, sonoren melodischen
Strukturen der überlieferten indigenen Musik auch Rockhörgewohnheiten
entsprechen kann, dürfte wesentlich Produzent Chris Eckman (The Walkabouts)
zuzuschreiben sein. Er zählt neben Hugo Race auch zu den Gastmusikern.
Vergleichbar faszinierend das nunmehr dritte Album von Etran Finatawa aus dem
benachbarten Niger aus, einem Quintett von Tuareg- und Wodaabenomaden. Auch hier
spielt die E-Gitarre eine zentrale Rolle bei der Melodieführung. Die betörende
Rhythmik ist bei Etran Finatawa noch dominanter, ebenso der
Call-and-Response-Gesang und die gutturalen weiblichen Stimmen. Dafür ist der
Klang insgesamt weniger rockig als bei Tamikrest, die Lieder klingen
aufgeräumter, optimistischer, fast fröhlich. Gleichwohl sollen auch deren Texte
kritisch sein, mehr Beachtung der misslichen Lage der Menschen zwischen Sahara
und Sahel fordern. Aufgenommen wurde Tarkat Tajje in den Real World
Studios unter der Regie von Colin Bass (Camel, 3 Mustaphas 3).
Das neue Album der westsaharischen, 1958 geborenen Sängerin Mariem Hassan, lässt
unvermittelt Vergleiche mit der anderen Saharaseite, eben der Tuareg aufkommen:
ähnliche melodische Muster, Call and Response, die gutturalen Frauenstimmen,
E-Gitarren und E-Bass, unterlegt von dezenter Perkussion. Dazu hier aber die
markante, äußerst wandlungsfähige Stimme Hassans. In ihren anrührenden Liedern
ergrieft die Aktivistin der Befreiungswegung Polisario Partei für ihr von
Marokko geknechtetes Volk (siehe Folker 2/1999). Nicht von ungefähr heißt
Shouka auch „Stachel“. Aber neben bisweilen schreiendem Agitprop à la Sahara
verzaubern Mariem Hassan und ihr vorzügliches Ensemble auch mit einer sehr
intensiven Musik mit starken klanglichen Wurzeln in der heimischen Tradition.
Der zwölfminütige Titelsong enthält eine Ansprache des spanischen
Sozialistenführers Felipe González in algerischen Flüchtlingscamps 1976. Platz
eins der World Music Charts Europe ist letztlich keine Überraschung für das
außergewöhnliche Album.
Roland Schmitt
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