Die Musik vom Alltag trennen, gar von der Politik? Mit der „Balkanszene“ funktioniert das nicht, mit der Wiener Tschuschenkapelle schon gar nicht. Denn sie hat ihren Sitz mitten im Wiener Leben. „Die da oben schenken uns nichts“, heißt es bei einer der dienstältesten Formationen des Genres. Text: Harald Justin Wer, wie die Wiener Tschuschenkapelle, in diesen Tagen sein zwanzigjähriges Jubiläum feiert, noch dazu mit einer neuen CD – Haus am Wasser–, kann behaupten, nicht nur Teil der, sondern selbst Szene zu sein. Im Café Weidinger, einer achtzig Jahre alten Wiener Institution, deren vergilbte Gardinen des Alters würdig sind, sitzt Slavko Ninic, diplomierter Soziologe, Dolmetscher, gebürtiger Kroate mit österreichischer Staatsbürgerschaft und Spiritus Rector der Tschuschenkapelle. Gerade hat er in einer Zeitung einen Artikel über den ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger gelesen, der vor einhundert Jahren starb und während seiner Amtszeit mit Antisemitismus so nachhaltig Stadtpolitik schrieb, dass ihm bis heute Straßen und Denkmäler gewidmet sind. „Diese Populisten“, sagt er nachdenklich und beginnt damit den Anfang eines Gesprächs, bei dem es sich um die Wiener Tschuschenkapelle und um Musik dreht, Politik aber nicht außen vor bleibt.
Die Kapelle besteht momentan aus fünf Mitgliedern: aus ihm, dem Sänger und Gitarristen, dem Akkordeonisten Mitke Sarlandziev, der Perkussionistin Maria Petrova, dem Kontrabassisten Jovan Torbica und dem Klarinettisten Hidan Mamudov. Bei der Frage, welchen Stellenwert sie wohl in der Wiener Balkanszene haben, zuckt Ninic mit den Schultern. Und das nicht nur, weil die Kapelle Musiken Südosteuropas in einer Pionierleistung bereits nach Wien brachte, als an den heute bereits wieder in Misskredit geratenen Hype um polyfone Gesänge und Hochgeschwindigkeitsbläsertruppen noch nicht zu denken war. Wie ist „Szene“, wie die Musik dieses Quintetts zu verstehen? ... mehr im Heft |
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