Zeit für Musik gegen Faschismus?
Mitte Januar veröffentlichte die britische Tageszeitung
The Guardian einen Artikel über den Musikgeschmack der „schlechtesten Menschen der Welt“.
Aufgedeckt wurde Osama bin Ladens Schwäche für Whitney Houston, Simbabwes
Diktator Robert Mugabe hat Musik von Cliff Richard in seinem CD-Regal stehen,
und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il wird als Eric-Clapton-Fan „geoutet“. In
die Liste aufgenommen wurde auch Holocaustleugner Nick Griffin, der Parteichef
der British National Party (BNP). Wie sollte es anders sein, stellte der Autor
fest, Nick Griffin schwärmt für „das arthritisch weißeste Genre –
englische Folkmusik“. Er ist ein Fan der Folkmusikerin Eliza Carthy und hebt in
seinem Blog deren Kollegin Kate Rusby als „Alternative zum Multikulti-Schrott“
hervor. Auf Konzerten Rusbys tauche er bei Gelegenheit persönlich auf.
Text:
Helen Hahmann
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Griffins Parteinahme für Musiker aus der britischen Folkszene hat Konzept. Die
BNP animiert ihre Mitglieder und Sympathisanten dazu, sich auf die „religiösen
und kulturellen Traditionen“ Großbritanniens zurückzubesinnen. Als besonders
geeigneter Zeitpunkt, um für dieses Anliegen in Aktion zu treten, wird der St.
George’s Day, der englische Nationalfeiertag am 23. April genannt. Dass die BNP
mit diesem Aufruf Erfolg haben könnte, das befürchten nun einige demokratische
Kreise in Großbritannien, denn die nationalistische Partei ist in den
vergangenen Jahren aus ihrem Schattendasein herausgetreten. Zur Europawahl im
Juni 2009 zogen zwei BNP-Politiker, einer von ihnen Griffin, ins Europäische
Parlament ein. Das Erstarken der BNP weckt die berechtigte Befürchtung, die
Partei könnte durch ihren Einfluss zunehmend gesellschaftliche Bereiche
unterwandern. So gründete Griffin 2009 den English Fair Fund zur finanziellen
Unterstützung kultureller und sozialer Projekte. Der Kopf der 1982 gegründeten
Partei führt zehn Prozent seines EU-Gehalts an diese Stiftung ab.
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„Das arthritisch
weißeste Genre –
englische
Folkmusik.“
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Eine der ersten Initiativen, die versuchen auf diese prekäre Situation
öffentlich aufmerksam zu machen, ist „Folk Against Fascism“, ein Zusammenschluss
britischer Musikerinnen und Musiker sowie von Akteuren aus der Folkszene [der
Folker berichtete, siehe „Szene“ der Hefte 6/2009 und 2/2010; Anm. d. Red.]. Es soll
verhindert werden, dass die Partei auf die Musik- und Volkstraditionen des
Landes zugreift. Eine der Initiatorinnen von Folk Against Fascism ist Joan
Crump, künstlerische Leiterin der Sidmouth Folk Week. Sie befürchtet, dass mit
dem Geld aus dem English Fair Fund die Durchführung von Konzerten zum besagten
St. George’s Day ermöglicht werden könnte. „Ein Musiker, der gefragt wird, ob
er im Rahmen einer Veranstaltung ein Konzert spielen kann, weiß nicht, woher
das Geld für seine Gage kommt. Bevor die Musiker es merken, nehmen sie an einem
Fest teil, das von der BNP gesponsert wird.“ Möglicherweise erscheinen die
Bands im Nachhinein als Teilnehmer der rechtsmotivierten Feier auf einer
Website der BNP, gibt Crump zu bedenken. Mit der Initiative soll in erster
Linie auf diese undurchschaubare Situation aufmerksam gemacht werden.
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Gleichzeitig dient Folk Against Fascism als Anlaufstelle für Musiker, die Rat
suchen oder Informationen einholen wollen. Wenn jedoch die CDs von britischen
Folkmusikern im Onlineshop der BNP angeboten werden, dann können selbst die
Aktivisten von Folk Against Fascism nicht mehr tun, als ihre Stimme zu erheben.
Crump sieht die einzige Möglichkeit zum Gegensteuern darin, das Schweigen zu
brechen. „Viele Folkmusiker wussten zwar, dass ihre Musik auch auf diesem Wege
verkauft wird, wollten es aber nicht öffentlich machen, da sie Angst hatten,
dass das die Umsätze steigern könnte, was letzten Endes der BNP zugutekäme.“
Folk Against Fascism organisiert sich derzeit hauptsächlich über Facebook. Dort
registriert das Grassrootsprojekt bereits mehr als 7.100 Mitglieder und zwei
lokale Gruppen in Maidstone und Barnsley. Unter den Unterstützern sind auch
einige bekannte Namen zu finden, wie die von Chris Wood oder der Oysterband.
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