Rock ’n’ Rumba!
Staff Benda Bilili
Im Rollstuhl zum Erfolg
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Eine kongolesische Truppe gehandicapter Musiker, die nie etwas anderes wollte,
als für ein paar Münzen auf den Straßen Kinshasas zu spielen. Jetzt erneuern sie
mit einfachsten Mitteln mal eben die kongolesische Rumba und entern die Bühnen
der Welt. Vor ihrem Auftritt in Hamburg kamen sie mit dem Folker ins Gespräch.
„So manche Rockband
sieht dagegen echt
steif aus.“
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Text und Fotos: Gunnar Geller
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Kalt ist es. Und feucht. Dennoch können die Fotos mit Staff Benda Bilili nur
draußen gemacht werden, im Hotel gibt es keinen Platz für eine Band mit acht
Mitgliedern und fünf Rollstühlen. Und ob es den Musikern, die gerade erst vor
drei Tagen aus der Demokratischen Republik Kongo hergeflogen wurden, gefällt,
sich bei diesem Scheißwetter draußen fotografieren zu lassen, ist fraglich. Aber
ihr belgischer Manager Michel Winter hat für dicke, prallvoll gefütterte und
eigens bedruckte knallrote Jacken gesorgt, und überhaupt zeigen sich die
Bandmitglieder so euphorisiert, dass ihnen Temperatur und Nieselregen wohl eh
nichts anhaben könnten. „Fantastisch! Unglaublich!“, sagt der 55-jährige Ricky
Likabu, der Bandleader, auf jede Frage, die auf ihre Ankunft in Europa und die
aktuelle Tour zielt. Und während es vorab allerlei Bedenken gab, ob es den
Musikern mit Behinderungen denn überhaupt zuzumuten sei, für ein Foto das Hotel
zu verlassen, macht sich die kleine Truppe an diesem grauen Morgen jetzt
ausgesprochen munter auf den Weg zur verlassenen Garagenrampe, auf der sich
Rollstuhlfahrer bestens für ein Foto staffeln lassen.
„Wir sind für
alles offen.
Wir spielen,
was uns gefällt.“
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Nach den Aufnahmen entscheiden sie sich, auch für das Interview draußen zu
bleiben. Und Ricky Likabu beginnt, die wundersame Geschichte seiner Band zu
erzählen. Am Anfang seht eine fiese Krankheit: Kinderlähmung. Als jungen Mann,
23 Jahre alt, hat es ihn noch erwischt. Seit die durch Viren ausgelöste Polio
damals ihr grausames Werk verrichtet hat, muss er sich mit Lähmungen durchs
Leben schlagen. Ein Schicksal, das überall hart ist, aber nirgendwo härter als
in einem von Kriegen zerriebenen, von Diktatoren ausgesaugten, bettelarmen Land
wie dem damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Erst Ende
der Neunziger konnte er sich die schlimmsten Fehlstellungen der Beine und Füße
korrigieren lassen. Und da kam Coco Ngambali ins Spiel: „Ich habe Coco im
Krankenhaus kennengelernt. Er lag da aus dem gleichen Grund. Und beide mochten
wir Musik. So ging’s los.“
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Musikalische Erfahrung hatten sie beide seit ihrer Kindheit, beide hatten sie in
Kirchengemeinden gesungen und gespielt. Fortan musizierten sie ab und zu
zusammen, eine von vielen Arten des schwierigen Broterwerbs auf der Straße.
Likabu: „Später haben wir dann Mitstreiter gesucht, die in der gleichen
Situation waren wie wir, um gemeinsam zu spielen.“ Sie gründeten 2003 eine Band,
die komplett aus Polio-Opfern bestand, und traten von da an täglich auf, vor
Restaurants, auf öffentlichen Plätzen, überall, wo man ein Publikum finden
konnte. Ihre Zentrale, ihr Übungs- und Wohnraum war und ist das
heruntergekommene Gelände des Zoos von Kinshasa.
... mehr im Heft
WIE DIE RUMBA IN DEN KONGO KAM
Kleine Geschichte einer großen Musikrichtung
Léopoldville, das heutige Kinshasa, war schon in den Zwanzigerjahren des letzten
Jahrhunderts ein Schmelztiegel, in dem sich auch musikalisch die
unterschiedlichsten Einflüsse vermischten: Reiche lokale Traditionen stießen auf
die Musik neu angesiedelter Arbeiter aus Angola und dem Senegal, auf die
europäischen Klänge der Missionare und auf die Musik der Händler aus
Griechenland, dem Libanon und Indien. Die ersten Plattenfirmen wurden schon Ende
der Dreißigerjahre gegründet, dokumentiert sind aus der Frühzeit vor allem
Vokalaufnahmen kleiner Bands, gesungen in Lingala. Meist hat hier bereits die
Gitarre traditionelle Begleitinstrumente abgelöst.
Ab den Vierzigerjahren gab es einen Radiosender, der dazu beitrug, die lokalen
Aufnahmen populär zu machen. Über diese neuen Medien verbreiteten sich rasch die
lateinamerikanischen Rhythmen, vor allem die kubanische Rumba, deren Kern
wiederum afrikanischen Ursprungs ist. Bands in der Region nahmen die neuen
Einflüsse schnell auf, die damit einhergehenden Tänze verbreiteten sich überall.
Von 1952 stammt die legendäre Aufnahme „Marie-Louise“ von Wendo, dem
einflussreichen Gründervater der kongolesischen Rumba. Im Verlauf des Jahrzehnts
entstand eine große Szene von mehreren Hundert Orchestern, und es bildete sich
ein relativ homogener Stil heraus, instrumental weiterhin bestimmt durch die
Gitarre. Die populärsten Formationen waren African Jazz, geleitet von Joseph
Kabasele, sowie OK Jazz, mit dem Franco sich seinen legendären Ruf erspielte.
Mit Jazz hatte deren Musik allerdings nichts zu tun, vermutlich hatte das Wort
nur einen schönen, modernen, internationalen Klang. Während sich rundherum
ständig Bands auflösten und neue gegründet wurden, hielt Franco sein Ensemble
über dreieinhalb Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1989 zusammen. ...
Gunnar Geller
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FOLKER auf Papier
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