Rezensionen Nordamerika
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DUANE ANDREWS
Raindrops
(Eigenverlag/ www.duaneandrews.ca
)
11 Tracks, 42:40
Kleine Zeitreise gefällig? Verrauchte Bars, gibt’s ja heute kaum mehr, Menschen
mit hochgeschlagenen Mantelkrempen, Bogart und Bergmann, aber nicht in
Casablanca, sondern irgendwo in Neufundland. Wovon spricht dieser Rezensent denn
nur? Die Raindrops klingen, als erschienen sie mit mindestens siebzig Jahren Verspätung. Eine
Gypsygitarre, sehr direkt und sehr akustisch, Vibrafon, Trompete, ein muffiger
Kontrabass, Rhythmusgitarre und bisweilen das ungewöhnlich und zurückhaltend
aufspielende Atlantic String Quartet. Gepflegte Tristesse, gekonntes
Understatement, das Richtige für dämmrige Herbsttage und die Stunden, die man
gerne alleine verbringt. Das alte Europa von der Neuen Welt aus gesehen. Duane
Andrews ist der Kopf dieses außergewöhnlichen Unternehmens. Neben Traditionals,
in diesem Falle Waltzes und Reels aus dem an der Ostküste Kanadas gelegenen
Landstrich, steuert Andrews Blues aus der eigenen Feder bei. Wir lauschen einer
französischen Musette, einem als Folk interpretierten Standard von Charles
Mingus, und der Geist Django Reinhardts wird ebenfalls beschworen. Selten hielt
ein Album so viele Überraschungen bereit. Und darüber freut sich ein Profihörer
mehr als er sagen kann.
Rolf Beydemüller
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ADDIE BRIK
Strike The Tent
(Itza Music ITZACD009/Rough Trade, www.roughtrade.de
)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:40
Wie würde ein ungarisches Album von Laurie Anderson klingen? Was, wenn Johnny
Cash als Indianerin zur Welt gekommen wäre? Addie Brik schafft das Kunststück,
ihren eigenen Weg zu gehen – das macht die Beschreibung ihrer Musik
schwer. In einen Undergroundklub passt Strike The Tent
genauso wie nach Rudolstadt, man hört klare Anleihen aus dem Hip-Hop, aber kein
Rapper wird die Scheibe mögen. Das Album ist Mainstream durch und durch, und
doch hat man selten etwas so Authentisches gehört: Addie Brik, Amerikanerin aus
England, präsentiert ein elektronisches Album, welches selbst Folkpuristen unter
„Roots“ einsortieren könnten. Akkordeon und Zither treffen auf tanzbare Grooves,
indische oder osteuropäische Elemente werden unprätentiös und dadurch fast
unerkannt verarbeitet. Der Mix sorgt für ein Album, welches völlig unspekatulär
scheint und doch nachhaltig zu gefallen weiß. Wer den Red Hot Chili Peppers ein
Folkalbum zutraut, der kann Addie Brik ungehört kaufen. „Strike the tent“ soll
der letzte Satz General Robert E. Lees gewesen sein – baut das Zelt ab.
Addie Brik macht das Gegenteil: Sie errichtet ein Zelt. Und ein ganz neues, nie
gesehenes, eigenes ist es gleich noch dazu.
Chris Elstrodt
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GORDON GANO & THE RYANS
Under The Sun
(Yep Roc CD-YEP-2210/Cargo, www.cargo-records.de
)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:48
Da ist sie wieder, die Stimme der nervösen Folkpunkband Violent Femmes, die
einem bei schwächeren Songs gehörig auf die Nerven gehen kann, aber immer das
Potenzial zu bohrender emotionaler Eindringlichkeit hat. Beim ersten Track
klingt es noch wie ödes Standard-Indie-Song-Geschrubbe eines alten Recken, dem
nicht mehr viel einfällt, aber was dann folgt ist ein erstaunlich frisches Album
voller abwechslungsreich komponierter und instrumentierter Songs, die sich gerne
gegen Ende geradezu ekstatisch steigern. Durchweg elektrisch, überraschen
quietschige Orgeln, straffe Bläsersätze oder ein Kinderchor und dazu singt Gano
irrsinniges Zeugs wie das traurige Trinklied „Oholah Oholibah“. Oder „My mother
and your mother were hanging out clothes / My mother gave your mother a punch in
the nose“ (in „Red“, einem klassischen Rocksong, schnell, eingängig und kurz).
Doch am stärksten sind die Balladen. Wie viel mögen die begleitenden Ryan-Brüder
Billy und Brendan zu all dem beigetragen haben? Gordon Gano läuft in dieser
Kolloboration jedenfalls zu solcher Hochform auf, dass das der Beginn einer
zweiten, wirklich überzeugenden Schaffensperiode sein könnte. Sehr erfreulich.
Gunnar Geller
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JOANNIE MADDEN, BRIAN CONWAY, BILLY MCCOMISKEY, BRENDEN DOLAN
Pride Of New York
(Compass Records COM4522/Sunny-Moon, www.sunny-moon.com
)
13 Tracks, 55:10, mit engl. Infos
Was ist der New York Style innerhalb der Irish Traditional Music? Wer dabei an
Riverdance, Solas oder gar an Black 47 denkt, liegt weit daneben, zumindest wenn
man den sehr ausführlichen Infos im Booklet dieses Albums Glauben schenkt. Weder
hat er etwas mit Jazz- noch mit Rapeinflüssen auf die Musik der Irish Community
im Big Apple zu tun, stattdessen ist er zumindest für die Ohren des Rezensenten
eine sehr traditionelle irische Musik, die sich wahrscheinlich dem Drang von
Migranten in der Diaspora verdankt, sich gegen fremde Einflüsse hermetisch
abzuriegeln. Allenfalls kommen hier die Stile von Sligo, Galway und Clare
zusammen, und eventuell ist das eingesetzte Keyboardpiano, das Fiddle, Akkordeon
und Flute/Whistle begleitet, ein neuer Einfluss, aber das ist schon alles.
Reels, Jigs, Walzer, Hornpipes werden einfach geradeheraus heruntergespielt,
fast ohne Variationen. Zwischendurch kann man sich bei einer Air von dem
Einerlei erholen. Sicher ist das erstklassige, tanzbare Céilí-Musik, aber zum
bloßen Zuhören ist sie für Nichtpuristen recht eintönig. Das Booklet informiert
aber über die Herkunft und Geschichte jedes einzelnen Tunes und ist daher eine
Fundgrube für Historiker.
Michael A. Schmiedel
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KRIS KRISTOFFERSON
Closer To The Bone
(New West Records NWA3047/Blue Rose/Soulfood Music, www.soulfood-music.de
)
Promo-CD, 12 Tracks, 33:24
Produzent Don Was konzentriert sich wieder weitgehend aufs Wesentliche: die
Stimme wie ganz altes, ganz brüchiges Sandpapier, eine spröde Gitarre, Songs, so
grundsolide, stimmig und makellos wie sie außer wenigen Auserwählten wie
„Bobby-McGhee“-Autor Kristofferson eigentlich nur der Volksmund hinbekommt
– und ein offenbar unfehlbares Herz am rechten Fleck. Zum Beispiel in
„Sister Sinead“, in dem unser Held noch einmal tut, was er schon beim „Bobfest“
als einziger tat: Wie der alte Haudegen da noch einmal die warmen Worte für die
ausgebuhte junge Schwester im Geiste findet, die er seit langem über die
Vorfälle im Herbst 1992 im Liveprogramm hat – wen das nicht anrührt, der
liegt womöglich immer schief? Auf dem Titelsong singt laut www.allmusic.com
Bob
Dylan mit – klingt möglich, aber nicht zwingend. Der verstorbene Stephen
Bruton spielt auf dem Album zum letzten Mal seine Gitarren. Als Abschluss gibt’s
den ersten Kristofferson-Song von vor 62 Jahren, 11 Jahre alt – ein
sarkastischer Durchhaltesong fürs Scheitern in Liebesdingen! Und in „Starlight
And Stone“ heißt es: „Be who you are just as long as you can“. Es klingt nach
Abschied – sehr bewegend, vom ersten bis zum letzten Ton.
Christian Beck
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PEASANT
On The Ground
(Paper Garden Records PGR002/Indigo, www.indigo.de
)
13 Tracks, 35:48
Damian DeRose ist Peasant, was so viel heißt wie „Bauer“ oder „bäuerlich“. Die
deutsche Assoziation von etwas Ungehobeltem ist hier unpassend. Vielmehr sollte
man sich unter dem Projekt etwas Erdverbundenes, Schlichtes vorstellen. Der aus
Pennsylvania stammende DeRose legt trotz seiner erst 23 Jahre mit On The Ground
schon sein drittes Album vor. Poetisch, eher ruhig, mit Ohrwurmmelodien bezirzt
er den Hörer. Verschiedene Kritiker vergleichen ihn mit Paul Simon. Peasant
selbst bezeichnet seinen Musikstil als „Folk Pop Dream“. In der Tat kann man
sich seinen Stücken träumerisch hingeben. Das wichtigste Instrument ist die
Gitarre. Die Arrangements sind unaufgeregt einfach, die Stücke scheinen leicht,
aber auch zerbrechlich. Allem haftet etwas Nachdenkliches an. Aber auch wenn
man Musik gerne nicht nur als Begleitung nebenbei hört, sondern gezielt
auflegt, um auch Hörforschung zu betreiben, wird man sich mit Peasant nicht
langweilen. Trotz der Homogenität lassen die Lieder ein breites Spektrum im
Kopfkino zu.
Sarah Habegger
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CHUCK PROPHET
¡Let Freedom Ring!
(Cooking Vinyl COOKCD499-CDR/Indigo, www.indigo.de
)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:10
Nur weil es kracht, scheppert, schweißtreibend brodelt, stampft und rollt, heißt
das nicht, dass es sich hier nicht um klassisches Geschichtenerzählen bester
amerikanischer Tradition handelt. Wenn Chuck Prophet in „Barely Exist“ ganz
sanft davon singt, wie schwer es für einen Achtjährigen aus dem Ghetto ist, auf
dem Sportplatz lebendig auszusehen, wenn schon sein Frühstück asbestverseucht
ist, dann ist das politische Sozialreportage par excellence. Wie Prophet aber
die Bilder tupft, wie er sie in Musik verpackt und als reine Stimmung darbringt,
gesanglich wie in seine knackigen Gitarren verpackt, das macht daraus reine
Poesie, in der sich jeder wiederfinden dürfte, der das Gefühl auch nur einmal
hatte – dass er gerade mal so noch existiert. Ökonomie, Macht, Gefühle
– das gesamte bei Schweinegrippe in Mexiko City eingespielte Album redet
eins zu eins vom Leben da draußen. Wie man darin innerlich aufrüsten muss und
dabei automatisch auch musikalisch immer scharfkantiger wird. Funky. Oder
– in hoffnungsvolleren Momenten – auch mal überschwänglich
nostalgisch. Wie diese an beiden Enden brennende und leuchtende personifizierte
Fackel des Singer/Songwriter-Rock-’n’-Rolls unserer Tage ...
Christian Beck
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TODD SNIDER
The Excitement Plan
(Continental Song City CSCCD 1056/Continental Record Sercvices CRS/In-akustik, www.in-akustik.com
)
12 Tracks, 40:13, mit engl. Infos
Schon den Kollegen nach zu urteilen, mit denen er Pfade kreuzt, geht der Weg des
43-Jährgen aus Portland stabil über fruchtbares Gelände: Vor Jahren bestritt er
das Vorprogramm des großen John Prine und durfte dabei auch ein Liedchen mit
diesem gemeinsam vortragen; er gab mit der aufregenden Amy Rigby auf deren
Til The Wheels Fall Of ein knisterndes Titelstück. Und nun produziert und begleitet ihn
Champions-League-Produzent Don Was (siehe auch Kris Kristofferson) nicht nur,
er stellt ihm auch gleich noch Jim Keltner (Schlz), Greg Leisz (Steel Git,
Dobro) und – Achtung – „Coal Miner’s Daughter“ Loretta Lynn an die
Seite! Mit der schrieb und röhrt Snider die swingende Boogienummer „Don’t Tempt
Me“, komplett mit Honky-Tonk-Klavier und einem Ruch nicht nur von Lug und Trug
in jeder Note, sondern auch von Prohibition, Vergnügungsschuppen vor den Toren
des Städtchens und viel Livemusik. Überhaupt klingen Sniders Kompositionen und
Ton zunehmend leicht nostalgisch – was nicht heißen soll, dass sein
Singer/Songwriter-Act im rumpelnden Bandgewand nur ein Iota seiner Schärfe
eingebüßt hätte. Dieser Vollblutperformer ist offenbar ein bisschen zu
getrieben, um einen auf gemütlich zu machen ...
Christian Beck
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NAOMI SOMMERS
Gentle As The Sun
(Continental Song City CSCCD 1055/In-akustik, www.in-akustik.com
)
14 Tracks, 56:13, mit engl. Texten
Mädchen mit Gitarren, die Songs schreiben, gibt es viele. Aber wenige schaffen
es, eines Tages tatsächlich mit ihrem Traumproduzenten und erstklassigen
Instrumentalisten aus der Musikszene Nashvilles zusammenzuarbeiten. Naomi
Sommers ist offenbar hartnäckig geblieben. Geboren in Neuengland, wuchs sie mit
Bluegrass, Blues, Jazz, Old-Time und Folk in einer musikalischen Familie auf.
Die Bande dorthin sind immer noch intakt: Bruder Daniel Rosenthal trägt
Trompetentupfer zu Gentle As The Sun bei, was mal
besser („Hypnotizing“), mal schlechter passt („Mama’s House“). Das
Mitwirken ihrer Verwandtschaft und alter musikalischer Mitstreiterinnen von den
Gray Sky Girls verhindert, dass es ein typisches Nashville-Album geworden ist.
Produzent Jim Rooney, der sonst Iris DeMent und Nanci Griffith betreut, setzt
Naomi Sommers’ dunkel gefärbte Stimme in Szene, indem er alle gewähren lässt.
Die Songs drehen sich um Alltagsdinge und Gefühle, gekoppelt an Veränderungen
in der Natur, etwa in „February“. Balladen überwiegen und nicht jedes Stück ist
ein großer Wurf, aber die Trefferzahl kann sich hören lassen. Manches geht wie
„It’ll Be Alright“ sofort ins Ohr, anderes mag sich entwickeln.
Volker Dick
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OTIS TAYLOR
Pentatonic Wars And Love Songs
(Telarc CD-83690/In-akustik, www.in-akustik.com
)
13 Tracks, 68:55, mit engl. Infos
Otis Taylor lässt sich Zeit. Schon für den Opener „Looking For Some Heat“
benötigt er fast sechs Minuten, auch eine ganze Reihe anderer Stücke
überschreitet die übliche Länge deutlich. Aber vielleicht hat Taylor das
Zeitgefühl der Afrikaner adaptiert, mit denen er sich verbunden fühlt und deren
Perkussionsinstrumente wie Gbanloko und Odjembe er in seine Musik einbaut.
Überhaupt klingt manches nach afrikanischen Strukturen, etwa im gleichförmig
fließenden „Maybe Yeah“, das Taylors Tochter Cassie überzeugend singt –
wie auch einige andere Songs des Albums. Unterstützung liefern außerdem
Gitarrist Gary Moore, Pianist Jason Moran und Ron Miles am Kornett. Während
Moore wie zu erwarten dem Blues treu bleibt, tragen die beiden anderen ungewohnt
Jazziges bei – bis zum achtminütigen „Walk On Water“, einer an- und
abschwellenden Klangorgie mit viel Raum für freie Improvisation. Die Themen der
spartanischen Texte dagegen klingen nach typischem Blues: Verlust, Rassismus,
Sehnsucht, Liebe. Otis Taylor mäandert um wenige Zeilen herum, viel Text braucht
er nicht. Gefühle drückt er mit Klangzeichnungen und einer Stimme aus, die bis
zum Steinerweichen klagt. Da ist doch auch er wieder klassischer Blueser.
Volker Dick
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MUSIK AUS QUÉBEC
Die Musik aus der ostkanadischen Provinz Québec hat zwei Grundmerkmale, die zwar
nicht unbedingt bei jedem Stück, aber auf jedem der folgenden Alben zu hören
sind: den Call-and-Response-Gesang und die Perkussion mit den Füßen auf einem
Holzbrett, meist ausgeführt vom Fiddlespieler. Wer meint, das sei ein sicheres
Rezept für Eintönigkeit, der kann sich hier eines Besseren belehren lassen. Alle
Veröffentlichungen bis auf eine stammen vom Label Roues et Archets
( www.rouesetarchets.com
). Das Quartett namens REVEILLONS!
mit den Brüdern Berthiaume bevorzugt die direkte Art: Die alten Lieder werden
kraftvoll, Jigs und Reels und dergleichen schnörkellos interpretiert, wie es
sich für eine Band geziemt, die auch gerne zum Tanz bittet. Fiddle, Konzertina,
Gitarre und Banjo dominieren den Sound, die Besetzung des aktuellen und zweiten
Albums Malbrough N’est Pas Mort ... (Roues et Archets RA013, 13 Tracks, 56:19)
ist die gleiche wie beim Erstling Quiquequoidontoú? (Roues et Archets RA003, 14 Tracks, 60:16)
aus dem Jahre 2003. GENTICORUM, ein bereits international bekanntes Trio,
schwören jeden Eid, dass sie die Idee für das Cover ihres dritten Albums
La Bibournoise (Roues et Archets RA012/Weatherbox/Al!ve,
www.alive-ag.de
, 12 Tracks, 57:49)
nicht von Show of Hands geklaut haben. Was ihre Musik (Fl, Bass, Fiddle, Git,
Maultrommel) von der der meisten Landsleute unterscheidet, ist der leicht
keltische Sound bei den Instrumentals und der oft variationsreiche
Harmoniegesang. Live sind sie ein absoluter Knaller! Nun einige ältere
Veröffentlichungen des Labels, die alle eins gemein haben: Auf ihnen prangt der
beliebte „Bravos!!!“-Sticker, mit dem die Kollegen vom französischen
Trad Magazine besonders gute Veröffentlichungen auszeichnen. Da wäre das Duo
NICOLAS BOULERICE & OLIVIER DEMERS mitLe Vent Du Nord Est Toujours Fret ...
(Roues et Archets RA001, 15 Tracks, 43:28) aus dem Jahre 2001 und mit
Un Peu D’Ici, Un Peu D’Ca (Roues et Archets RA007, 11 Tracks, 47:06)
von 2006. Das meist selbst geschriebene Material des Erstlings der beiden, die
normalerweise zur Gruppe Le Vent du Nord zählen, klingt ausgesprochen
europäisch beziehungsweise französisch. Das mag an der Drehleier liegen, die
neben der Fiddle dominiert. Der Nachfolger klingt dann doch erkennbarer nach
Québec, ohne dass bei Liedern und Melodien völlig auf die Normandie oder die
Bretagne - hier mit dem bretonischen Lokalhelden Yann-Fañch Kemener -
verzichtet wird. Trocken, zielstrebig und wie in alten Zeiten interpretieren
die vier Herren von LA PART DU QUÊTEUX auf Paye La Traite
(Roues et Archets RA009, 11 Tracks, 48:17)
von 2007 Traditionelles, Eigenes und Fremdes im Québec-Sound. Wie üblich sind
es Gitarre, Flöte, Banjo, Bouzouki, Fiddle, Mandoline und Stehbass, die bei
manchen Instrumentals auch mal für einen dezent keltischen Einschlag sorgen.
Quasi live im Studio - und das überzeugend! Das musikalische Gegenteil sind
ERIC & SIMON BEAUDRY. Ihr 2007er Album Le Sort Des Amoureux
(Roues et Archets RA011, 12 Tracks, 51:26)
ist das modernste Werk dieses Blocks. Poppige nordamerikanische Klänge
verbunden mit lokalem Einfluss, das Material ist aus der Provinz, die
Aussprache des Französischen oft nicht. Wahrscheinlich das Album mit der
größten Breitenwirkung dieses Überblicks, aber auch das, bei dem die Wurzeln
häufig am wenigsten deutlich zu hören sind. Da muss man sich entscheiden, was
man will. Nach all den Roues-et-Archets könnte der Eindruck entstehen, dass
Folkmusik in Québec eine männliche Domäne wäre. Da trifft es sich gut, dass der
großartige Sampler Par Un Dimanche Au Soir (Folquébec FOLQ2008, Do-CD, 33 Tracks, 118:26)
die mitreißende Damen-A-capella-Gruppe Galant Tu Perds Ton Temps gleich an den
Anfang stellt. Und weil das Material von der lokalen Folkdachorganisation
zusammenstellt wurde, stößt es auch an keine Labelgrenzen und versammelt
wirklich die Crème der Szene in Québec, sogar die Superstars La Bottine
Souriante. Fürwahr eine atemberaubende Ansammlung von Talenten, die die
Ausnahmestellung dieser Provinz in Nordamerika unterstreicht. Einen Haken hat
die Sache allerdings womöglich: Der Sampler ist meines Wissens Promomaterial
und nicht im freien Handel erhältlich. Die üblichen verdächtigen
Internethändler bieten ihn aber gleichwohl an - und wenn alle Stricke reißen
sollten, kann man ja immer noch ganz nett und höflich und vielleicht sogar noch
in Französisch an info@folquebec.com
schreiben und begründen, warum
Par Un Dimanche Au Soir im eigenen Player Sinn macht. Wenn man dann Glück hat: Lohnen würde es sich,
klar! Und damit noch ein höfliches Wort an die Chefin von Roues et Archets:
For your support, Geneviéve, merci beaucoup!
Mike Kamp
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FOLKER auf Papier
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