HEIMSPIELAUF DIE MISCHUNG KOMMT ES ANDer Burghof in LörrachEine kulturelle Hochburg in Südbaden
Zunächst ein kleines Quiz: Leonard Cohen gibt nach Jahren der Bühnenabstinenz sein einziges Deutschlandkonzert. Wo tritt er auf? A) in Berlin, B) in Hamburg, C) in München D) in Köln? Falsch getippt: Die Antwort lautet: E) in Lörrach. Die knapp fünfzigtausend Einwohner zählende Stadt, gelegen im Dreiländereck Deutschland, Schweiz, Frankreich, spielt in Sachen Kultur nämlich in der ersten Liga mit. Verantwortlich für diese erfreuliche Tatsache zeichnet die 1998 gegründete Burghof Lörrach Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft mbH, deren erklärtes Ziel es ist, der Kultur in Lörrach eine Heimat zu geben. Im Laufe der Jahre hat man aber noch viel mehr geschafft. TEXT: MARKUS DEHM Nach zwei Jahren Bauzeit öffnete der Burghof am 6. November 1998 seine Pforten. Der Standort gab der Kulturstätte ihren Namen, denn an diesem Platz stand einst die Lörracher Burg, ehe sie 1638 in Schutt und Asche gelegt wurde. Die Stadt ist Hauptgesellschafter der Burghof GmbH und somit haben die Mitarbeiter den Auftrag, ein Angebot für alle Bürger bereitzustellen. Von zeitgenössischem Tanz über Kindertheater und Kabarett bis hin zu Klassik, Jazz, Folk sowie einer breiten Palette an weltmusikalischen Veranstaltungen ist hier ganzjährig so ziemlich alles zu hören und zu sehen, was Kultur zu bieten hat. Ferner wird das alljährliche Gesangsfest „Lörrach singt“ durchgeführt sowie ein Programm zur Singförderung an Kindergärten und Schulen. 23 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt die Burghof GmbH, die seit Beginn von Geschäftsführer Helmut Bürgel geleitet wird. Er und die zweite Geschäftsführerin Susanne Göhner stellen das Programm federführend zusammen, hier und da beraten von externen Mitarbeitern. Bürgel war zuvor Kulturamtsleiter in Lörrach, und er war es auch, der das bekannte Stimmen-Festival 1994 aus der Taufe hob, welches ebenfalls vom Burghof-Team organisiert wird und die Stadt alljährlich im Juli zu einer Festivalmetropole werden lässt: Musikergrößen wie Joe Cocker, Bob Dylan, Joan Baez und Johnny Cash gaben sich hier schon die Ehre. ... mehr im Heft
„Ganz Germanien ist besetzt von Pop, Rock, Hip-Hop und Schlagern. Ganz Germanien? Nein! (Lupe). Dort, im Hunsrück, auf einem versteckten Burggelände, trotzt ein kleines Bardendorf mutig den Schwachsinnslegionen aus Washington ...“, schrieb der Liedermacher und Gründer der Akademie für Musik und Poesie Sago, Christof Stählin, in Anlehnung an die Abenteuer des mutigen Galliers Asterix unlängst den Waldeckern ins Stammbuch. „... eine Wende, besser eine Rolle rückwärts wird vorgeführt da oben im Hunsrück. Ein neuer Geist kehrt zurück, hin zum Traditionellen, Deutschnationalen, Banal-Idyllischen, Esoterischen, Anti-Aufklärerischen und Anti-Sozialistischen/Anti-Kommunistischen. Wir hatten diesen Geist in den Sechzigern bei unseren Festivals vertrieben, kurzzeitig jedenfalls – und dabei waren wir ... nicht nur von jenen Nerother Banden immer wieder gestört worden.“ Diese verbitterten Worte wiederum stammen vom Altmeister der Liedermacherzunft, Franz Josef Degenhardt. TEXT: KAI ENGELKE
Im Spannungsfeld dieser beiden gegensätzlichen Auffassungen befindet sich die sagenumwobene Burg Waldeck, die zu Recht als Ausgangspunkt für die Erneuerung der deutschen Liedkultur gilt. Beide obigen Meinungen enthalten sowohl Richtiges als auch Falsches. Auf der Waldeck sind zwar keine Schlager zu hören – auch Katja Ebstein hat, entgegen anders lautender Behauptungen, die Waldeck zwar immer wieder besucht, niemals aber dort gesungen -, doch Pop, Rock, Blues, Jazz, Hip-Hop und viele weitere Spielarten moderner Musikkultur haben, neben den alten Liedern und Songs, längst Einzug auf der Waldeck gehalten – und das ist gut so. ... mehr im Heft
Schrecklich-schön kann das Wienerlied sein. Dank dem Wiener Volksliedwerk und privater Initiative erklingt es in moderner Form, jenseits des weinerlichen Selbstmitleids und der Heurigenseligkeit. Grund genug, sich zum zehnjährigen Jubiläum bei Wean hean, dem alljährlichen Wienerliedfestival im Herbst, umzuhören. TEXT: HARALD JUSTIN Hans Moser? Wenn Eltern oder Großeltern den Renitenzschub Jugendlicher beflügeln wollten, gab es vor wenigen Generationen ein probates Mittel: Zwangsbeschallung mit Hans-Moser-Schallplatten. Das weinerliche Dialektgejammer, immer direkt ins Weinglas hinein, erschien als Gegenteil all dessen, was seit Ende der Fünfzigerjahre flächendeckend als cool, hip, eben als modern galt. „95 Prozent des Wienerlieds sind unerträglich“, sagt denn auch Herbert Zotti. Er muss es wissen, denn er ist gewichtiger und energischer Mitinitiator von Wean hean, einer Veranstaltungsreihe, die seit 2000 alljährlich im Herbst in Wien an verschiedenen Spielorten stattfindet. Schon früher leitete er die Reihe „Singen im Herbst“ unter der Devise „Offenes Singen für jedermann“, die ein Riesenspaß war, wie steigende Teilnehmerzahlen belegten. „Der Herbert macht viel“, sagt Mitinitiator Wolfgang Sturm. „Na“, wehrt Zotti ab. Beide verweisen auf das Team, das in Ottakring, im Institut des Wiener Volksliedwerks die Arbeit macht, zu der auch die Ausrichtung von Wean hean gehört. Aber es ist nicht ganz unwesentlich, dass Sturm und Zotti Berufe jenseits von Musik und Veranstalterwesen haben. Sturm leitet das renommierte Theater Akzent, Zotti ist Unternehmer, beide wurden nicht mit der Liebe zum Wienerlied geboren. „Früher fand ich es schrecklich. Heute habe ich zu unterscheiden gelernt. Und bin süchtig!“, meint Zotti lachend. Ein Lernprozess von vielen, den er und andere durchlebt haben, nicht zuletzt durch die Arbeit am Festival. „Ohne Subventionen würde das aber nicht funktionieren“, sagen sie. ... mehr im Heft |
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