NEY MATOGROSSO – DER SEHER
SÄNGER, SCHAUSPIELER, SCHWULENAKTIVIST, NATURSCHÜTZER, LEPRABEKÄMPFER, RADIKALER REALIST
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Der Mann lebt in einer Stadt namens Rio de Janeiro, in der seit Jahren beinahe
täglich Menschen auf Scheiterhaufen lebendig verbrannt werden, wie der
Berlinale-Sieger 2008, Tropa de Elite, plastisch
zeigt. Und in der ausgerechnet Lepra, diese eigentlich überwunden
geglaubte, insbesondere mittelalterliche Seuche, immer noch grassiert. Der Mann
agiert zudem in einem Land, in dem schlimmste Folter alltäglich ist. Doch
merkwürdig – in Brasiliens Heer von Musikern und Komponisten scheint sich
gerade mal ein winziges Häuflein darüber zu empören. Nur einer schreit seinen
Protest Woche für Woche vor großem Publikum heraus: Ney Matogrosso.
Text: Klaus Hart
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„Ich sehe, wie die Zukunft lediglich Vergangenheit wiederholt – aus
unserem Land machen sie eine Hurenabsteige, einen Puff, nur weil das mehr Kohle
bringt. Deine Ideen und Vorstellungen sind fern der Realität!“, ruft er den
Tausenden gleich im ersten Song des Abends zu. Der Sänger, Schauspieler,
Schwulenaktivist und Naturschützer zählt zu den markantesten
Künstlerpersönlichkeiten Brasiliens – mit einer der schönsten,
sensibelsten Stimmen der Populärmusik. Nicht nur wegen seiner erfolgreichen
Konzerte, sondern auch wegen scharfer, treffender Kritik an der politischen,
sozialen und kulturellen Situation des Tropenlandes ist Ney Matogrosso derzeit
häufiger als jeder andere Künstlerkollege in den Medien. In Lateinamerikas
Megacity São Paulo dreht er jetzt einen weiteren sozialkritischen,
apokalyptischen Spielfilm, verkörpert in der Hauptrolle einen hochintelligenten
Schwerkriminellen, der in einem brasilianischen Horrorknast Kant und Nietzsche
liest. Vielleicht hat der Streifen mehr Glück als jener allen Brasilienklischees
zuwiderlaufende Berlinale-Knaller Tropa de Elite und wird,
anders als dieser, dem deutschen Kinopublikum nicht vorenthalten.
„Manchmal hätte ich Lust,
Bomben zu werfen –
aber das bringt
ja nichts.“
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2009 läuft für den Ex-Hippie, der zu den Symbolfiguren der sexuellen Befreiung
Brasiliens zählt, so erfolgreich wie 2008. Trotz einschneidender Finanz- und
Musikmarktkrise, in der vielen Kollegen die Plattenverträge gekündigt werden,
kommen letztes Jahr 17 seiner besten CDs erstmals in einer attraktiven Box
heraus. In zwei Dokumentarstreifen macht er auf dem nationalen Filmfestival in
Brasilia Furore. In dem einen spielt er mit einem Freund ein homosexuelles
Liebespaar – denn Matogrosso ist auch eine Ikone der brasilianischen
Gay-Kultur.
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