GASTSPIEL
Juchu, Talfahrt!
Wer hat die Bremse?
Über gebeutelte Musikmärkte, Medienwahnsinn, kulturpolitische
Wünsche und zu verspeisenden Fensterkitt
VON GÜNTHER WILDNER*
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www.wildnermusic.com
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* Günther Wildner, geboren 1971 in Wien, arbeitet als Musikschaffender, Künstlermanager und Musikverleger
in Wien. Setzt sich dabei in verschiedensten Funktionen für die Verbesserung musikalischer und kulturpolitischer
Rahmenbedingungen ein, unter anderem als Generalsekretär des Österreichischen Musikrates, Vorstandsmitglied der
Musikergilde und des Kulturrats Österreich sowie Lektor in verschiedenen Musikwirtschaftsfächern am Institut für
Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
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Bogdan Roscic, der Alpenrepublik legendärster Radioformatierer, der den einzigen
österreichweiten Popsender Ö3 von (hörbar) heimischem Inhalt säuberte, soll nun
als weltweiter Klassikchef für Sony die Kastanien aus dem Rückzugsgefechtsfeuer
holen. Selbst, wenn ihm das teilweise gelingen sollte, sind die vormals
schmackhaften Baumfrüchte nach elendslanger Musikindustriekrise durch und durch
schwarz, nicht mehr genießbar, nicht mehr einer ebenfalls rabenschwarzen
Konzernbilanz zwecks Auffrisierung beizufüttern. Mit dem Frühjahr 2009 und der
Veröffentlichung der 2008er Bilanzen der International Federation of the
Phonographic Industry (IFPI) und ihrer Mitgliedsfirmen steht klar fest: So sehr
die Musikindustrie die Abwärtsschraube im Tonträgergeschäft auch stoppen will,
sie wird beinhart weitergedreht von Millionen zahlungsunwilligen Musiknutzern,
die eine Gesellschaft formen, der geistiges Eigentum nicht viel gilt – zum
Allgemeingut wird es erklärt, entwertet, verschenkt. Dieses geistige Eigentum
wird den vorgetäuschten Interessen des Konsumentenschutzes, der
Hardwarehersteller, Telekommunikationsbetreiber und Internetdienstleister
geopfert. „Geiz ist geil!“ – vom Volke schnell erlernt, vom Souverän nicht
mehr umzukehren. „Uns gehört die Welt!“ (Klaus Werner-Lobo, Hanser Verlag,
2008), möchte man in Endlosschleife entgegenbrüllen.
„Gerechtere Verteilung von Finanzen und Chancen in der Musikarbeit ist angesagt, Sinn stiften, Einkommen
generieren – so kurz, so bündig, so nötig.“
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Es ist nicht nur eine weidwunde Musikindustrie, die sich verzweifelt und auf der
Suche nach Schuldigen für den Markteinbruch auf eine Kriminalisierung von Usern
stürzt, sondern es ist eine breite Koalition von Kreativen und ihren Verwertern,
die den Rohstoff des kreativen Schaffens nicht ausreichend geschätzt und
abgegolten sieht – absurd in einer Informations- und Wissensgesellschaft,
deren Grundlage das geistige Eigentum nun einmal ist. Schutz und Abgeltung
desselben sollten nicht diskutiert werden müssen, wie Christopher von Deylen,
alias Schiller, treffend propagiert: „Kreativwirtschaft heißt kreatives
Wirtschaften. Es wäre schön, wenn man uns ließe. Natürlich ist illegales
Filesharing zu verurteilen. Natürlich ist illegales Filesharing zu verbieten,
natürlich ist dieses Verbot auch umzusetzen – alles andere wäre unlogisch
und unehrlich“ (Musikwoche, 15. Mai 2009). Impressario Marek Lieberberg formuliert: „Wieso erlauben wir
hier die flächendeckende Enteignung? Was für ein Gesicht machen wir, die wir mit
Kreativen Geschäfte machen und/oder die Schätze ihrer Arbeit lieben, wenn uns
die Gratis-Fratze angrinst? Und auf welcher Seite steht die Politik?“ (Süddeutsche Zeitung, 30. März 2009).
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