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--> Das St. Patrick´s Day Celebration Festival geht wieder auf Tour

Zehnjähriges Jubiläum

Der 17. März ist bekanntermaßen irischer Nationalfeiertag. Und der wird fast überall in der Welt gefeiert, wo (Exil-) Iren leben. In manchen Ländern, wie bespielsweise in den USA, wird der St. Patrick´s Day mit pompösen Paraden sogar noch intensiver begangen als in Irland selbst.

TarrasDer irische Nationalheilige St. Patrick verbreitet dabei mit »seinem« dreiblättrigen grünen Kleeblatt die Botschaft von Friede, Freundschaft und guten Willen. Petr Pandula hat vor zehn Jahren ein viertes Blatt hinzugefügt: das St. Patrick's Day Celebration Festival, das seitdem alljährlich im März in Deutschland unterwegs ist. In dieser Zeit hat der ehemalige Musiker (Uilleann Pipes und Whistles) mit seiner Agentur Magnetic Music nicht nur bekannte irische Namen auf die Bühnen gebracht, sondern auch Künstler, die, vor einigen Jahren noch unbekannt, jetzt zur Crème der Szene in Irland gehören, wie beispielsweise Dervish, Tamalin, Nomos und Kila oder Solisten wie Dereck Hickey (heute bei De Dannan), Brian Finnegan (Flook) und Eamon McElholm (Stocktons Wing). Mit dem Erfolg des Festivals und der bei Magnetic Music veröffentlichten CDs im Rücken, wagte Petr Pandula im vergangenen Jahr den Sprung auf die grüne Insel selbst. In Dublin meldete er eine irische »Zweigstelle« von Magnetic Music Records als Ltd. Company an. Als der gebürtige Tscheche Pandula beim 1. St. Patrick's Day Celebration Festival 1990 noch als Musiker mitwirkte, hätte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, einmal als »Managing Director« einer irischen Firma in Cannes auf der MIDEM vertreten zu sein. Nach seiner Rückkehr von der Messe hat Michael Kleff für den Folker! mit ihm gesprochen.

Folker!: Was hat es gebracht? Welche Rolle spielt das »keltische« Musiksegment in der Businesswelt von Cannes überhaupt?

Petr Pandula: Ich war dieses Jahr zum ersten mal auf der MIDEM als »Ire«. Möglich wurde das, weil unsere Firma letztes Jahr in Dublin eine Tochterfirma gegründet hat. Wir sind jetzt eine Limited Company, haben eine irische Steuernummer und können demnach als ein irisches Unternehmen auf dem irischen Gemeinschaftsstand ausstellen. Das macht einfach mehr Sinn als z.B. auf dem deutschen Stand vertreten zu sein. Denn kein japanischer oder amerikanischer CD-Vertrieb wird auf dem deutschen Stand nach keltischer Musik suchen.

Wir haben ohne Umwege genau die Vertriebe und Lizenzpartner weltweit sprechen können, die sich für keltische Musik interessieren. Da Magnetic Music eine andere musikalische Sozialisation als ein typisch irisches Label hat, sind wir erfrischend anders. Deswegen fallen wir auf und werden als innovativ empfunden. War es als ein deutsches Label die letzten Jahre auf der MIDEM schwierig, Partner für Export unserer keltischen CDs zu gewinnen, so haben wir dieses Jahr den erfreulichen Umstand gehabt, daß konkurrierende Vertriebe plötzlich um uns regelrecht feilschten. Deswegen war diese MIDEM für Magnetic Music die erfolgreichste aller Zeiten.

Unsere alten Geschäftspartner sind begeistert von der Entwicklung, die Magnetic Music nimmt, und die neuen sind jetzt weniger zögerlich, von uns zu lizensieren oder unsere CDs als »finished product« zu importieren. Die MIDEM ist unumstritten die weltweit wichtigste Musikmesse und keltische Musik hat sich innerhalb von Dance, Rock, Jazz, Blues, Latin usw. einen festen Platz erarbeitet. Es ist eine Tatsache, daß in dem eher rückläufigen CD- Markt traditionelle keltische oder keltisch inspirierte Musik eine der wenigen Wachstumsbranchen ist. Entsprechend hat die »Credibility« der Labels, die sich damit beschäftigen, bei den »global players« also den Majors und den Medien zugenommen.

Folker!: Du sprichst im Jubiläumsprogramm des 10. St. Patrick´s Day Celebration Festival von den »Londoner Kulturimperialisten, die sich anmaßen, irische Kultur aus London heraus weltweit zu vermarkten«. Wer ist das und warum lassen sich irische Musiker denn darauf ein?

P.P.: Die Briten sind immer schon der Meinung gewesen, das Land zu sein, das den Pop und den Rock´n´Roll erfunden und demnach ein Patent darauf hat. In London hat sich eine Szene aus Agenturen etabliert, die eine unglaubliche Macht darstellen, weil sie so ziemlich alles, was es an kommerziell erfolgreichen Künstlern und Bands gibt, exclusiv weltweit vermarkten. Diese paar Agenturen sind fast konkurrenzlos und können daher die Preise und Bedingungen gnadenlos diktieren. Sie können nach Belieben Kultur zuteilen und vorenthalten. Es ist ähnlich wie mit der OPEC und dem Erdöl. Sie bestimmt die Jennifer RolandFörderquoten, die Preise und die Zuteilung. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß man z.B. als ein deutscher Veranstalter einen Headliner direkt ansprechen und mit ihm einen Vertrag schließen kann. Das wäre aber durchaus sinnvoll. Zuerst würde die Kommunikation viel schneller laufen und auch der Preis der Produktion wäre geringer, da der englische Mittelsmann nicht auch noch seine Kommission auf die Gage des Künstlers
draufrechnen würde. Und damit könnten dann z.B. erschwinglichere Eintrittspreise genommen werden. Der Zuschauer könnte sich eher eine Eintrittskarte leisten und man hätte mehr Leute im Saal. Der Künstler hätte am Ende der Tour etwas mehr im Geldbeutel und der örtliche Veranstalter in egal welchem Land, hätte ein geringeres finanzielles Risiko. Viele Künstler und ihre persönlichen Manager denken aber, daß man nur erfolgreich sein kann, wenn man sich über Londoner Agenturen vermarkten läßt. Es ist für viele zunächst eine Image-Sache. Weiterhin ist der Mensch ein Gewohnheitstier, das gerne auf alten Trampelpfaden wandert. Und last but not least ist es für einen persönlichen Manager eines Künstler einfacher, seinen Schützling in London unterzuingen, als selber eine Tournee zu buchen. Nachdem er in London einen Vertrag hat, kann er auf die Kanarischen Inseln verreisen, denn jetzt arbeiten andere für ihn. Ob sie es gut tun, ist dann eine andere Frage.

Was ich sage, gilt nicht nur für Irland, sondern für alle Länder und es gilt auch für alle Musikstile. Bei afrikanischen oder irischen Künstlern wirkt der Weg über London aber besonders bitter. War nicht Irland Jahrhunderte lang eine englische Kolonie? Haben nicht die Engländer mit allen Mitteln versucht, die kulturelle Identität der Iren zu brechen, das Gälisch und die traditionelle Musik auszumerzen? Es waren gerade die Künstler, die die irische Identität am Leben gehalten und die letztendlich ihr Volk zu dem Bewußtsein geführt haben, ein unabhängiger Staat werden zu wollen. Es ist geradezu anachronistisch! Keine zwei oder drei Generationen später finden es irische Künstler aller Stile und ihre Manager schick, sich aus London heraus vermarkten zu lassen. Der Kapitalismus hat mal wieder über das Geschichtsbewußtsein gesiegt. Dabei wäre es nicht nur für das Bewußtsein des Landes, sondern vor allem für die Ökonomie besser, sich selber direkt aus Irland zu vermarkten. Die Iren wären mit ihren Produktionskosten wettbewerbsfähiger, sie würden mehr Geld nach Hause bringen und kein Kulturenthusiast würde von einem Londoner Rechtsanwalt oder Steuerberater, der die Welt als eine auszubeutende Kolonie betrachtet, bis auf den letzten Blutstropfen geschröpft.

Folker!: Dekorierte Hallen und ein »abgestimmtes« Gastronomiekonzept sind seit einigen Jahren schon feste Bestandteile beim St. Patrick's Day Celebration Festival. Das klingt nach »corporate identity« und »entertainment«, wo die Präsentationsform im Mittelpunkt steht. Wird die Musik da nicht zum Beiwerk?

P.P.: Nein, auf keinen Fall. Wenn wir Weltmusik oder Folkmusik für unsere Zuschauer attraktiv machen wollen, so müssen wir ein Ambiente anbieten, in dem sich der Zuschauer wohlfühlt und die Musik in entsprechend angenehmer Atmosphäre genießen kann. Zudem ist Kultur nicht nur eine Angelegenheit des Sinnesorgans Ohr. Augen und Gaumen wollen auch kein kümmerliches Dasein fristen. Es ist also genau umgekehrt. Je mehr wir unsere Zuschauer rundum zufrieden stellen, umso besser ist die Chance, daß die Zuschauer der Folkmusik auch in der Zukunft die Treue halten. Viele Folkveranstalter haben offensichtlich schon lange nicht mehr ein Konzert eines anderen Musikstils besucht, um zu erleben, was dort dem Zuschauer alles sonst noch geboten wird. Wenn die Folkveranstalter nicht den Wettlauf um die Gunst der Zuschauer verlieren wollen, dann müssen sie sehr dringend am Produktionsstandard arbeiten. Und dazu gehören neben Licht und Ton eben auch Gastronomie und Gestaltung.

Folker!: Für Dich gehören die deutschen Iren zur Familie der »Pogues von überall«. Wo ist das Problem?

North CreggP.P.: Ich freue mich über jeden Menschen, der auch außerhalb von Irland zu einem Instrument greift, um Irish Folk zu spielen. Denn genau das erweitert die Popularität und Lebensgrundlage dieses Musikstils. Es ist ein Kompliment an Irland und seine Kultur. In Deutschland sehe ich eine wachsende Anzahl an Menschen, die sich sehr intensiv mit irischer Kultur auseinandersetzen. Man nehme z.B. die DUPG, die deutsche Uilleann Pipes Gesellschaft. War ich 1976 der einzige hiesige Musiker, der Uilleann Pipes spielte, so sind es jetzt unter der Dachorganisation der DUPG über 100! Da werden hervorragende Lehrer nach Deutschland geholt und man bekommt einen kompetenten Unterricht. Und so etwas gibt es für andere Instrumente, irischen Tanz oder auch Gälisch. Und wer von diesen Wochenend- Workshops noch nicht genug hat, der schreibt sich im Sommer z.B. in der Willie Clancy Week in Miltown Malbay als Schüler ein. Kein Wunder, daß das Niveau irischer Musik in Deutschland von Jahr zu Jahr besser wird.

Die Ausnahme bilden jedoch Bands, die ich als die »Pogues von überall« bezeichne. Sie bestehen in der Regel aus Musikern, die ihre klischeehaften und romantisierenden Vorstellungen von Irland mittels ihrer Musik ausleben, ohne sich jedoch die Zeit genommen zu haben, das musikalische Handwerk, die irische Geschichte oder die traditionellen Verzierungstechniken richtig zu erlernen. Interessanterweise klingen diese Bands meistens alle gleich und spielen weitgehendst ein ähnliches Repertoire. In ihren Presseinfos, die ich eine Zeit lang gesammelt und ausgewertet habe, beziehen sie sich immer auf die Pogues. Sie bezeichnen sich gerne als die Pogues ihrer Gemeinde oder ihrer Region und so kam ich seinerzeit zu der Bezeichnung »Pogues von überall«.

Gerade diese Musiker findet man nicht gerade oft bei Workshops oder in Irland bei Fortbildungsmaßnahmen. Sie sind in der Regel auch keine berauschenden Rockmusiker. Viele mittelmäßige Musiker betrachten den Folkrock als einen cleveren Quereinstieg in den Musikmarkt. Unter Zehntausenden von waschechten Rockbands ist es schwieriger, sich durchzusetzen als unter ein paar Dutzend der deutschen Folkrock-Formationen. Hat man sich eine feste Fangemeinde und einen Plattenvertrag erspielt, so ist es auch mit der Liebe zu Irish Folk bald vorbei und das kommerzielle Rockprofil tritt deutlicher hervor. Hat man dann seinen Plattenvertrag bei einer Major Company verloren, so macht man wieder auf »back to the roots«, wie man es gerade bei einer der bekanntesten und erfolgreichsten »Pogues von überall« Bands erleben kann.

Diese Bands haben der irischen Sache einen schlechten Dienst erwiesen, denn sie haben platte Irland-Klischees befördert und durch ihren kommerziellen Erfolg so verfestigt, daß immer mehr Jugendliche die ihnen aufgetischte Fata Morgana für das echte Irland halten. Weil die »Pogues von überall« so wenig für die Erweiterung und Vertiefung der kulturellen Horizonte getan haben und letztendlich nur wie eine Kopie ihrer großen Vorbilder klingen, wenden sich viele Medienvertreter mit Grausen, wenn das Stichwort Irish Folk oder Folkrock fällt. Und da habe ich oft als einer, der Celtic Rock mit Leidenschaft aufs Label nimmt und promotet, einen schweren Stand. Viele Medienvertreter haben leider berechtigte Vorurteile und können sich nicht vorstellen, daß Celtic Rock handwerklich perfekt und anders als die Pogues klingen kann. Nachdem der SWR eine gewisse deutsche Folkrock Band aus der Rotation genommen hat und auf Distanz gegangen ist, wird es meiner Meinung nach für die »Pogues von überall« in Deutschland kommerziell ruhiger werden. Inhaltlich gesehen herrscht bei den schon lange »Friedhofsruhe«. Für viele dieser Bands bin ich eine Art Autor der »satanischen Verse« und gelte nicht gerade als ein »nice guy«. Ob ich mit meiner Kritik Recht habe oder nicht, das wird man erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand sehen können. Was ich heute in der Musiklandschaft vermisse, ist eine ideologische Auseinandersetzung. Heute wollen alle möglichst wenig auffallen und in Ruhe ihren Geschäft nachgehen. Zeiten wie in Paris der 30er Jahre, als die Surrealisten leidenschaftlich um die ideologische Ausrichtung ihrer Bewegung diskutierten, sind mir lieber als die geschäftige Friedhofsruhe unserer Zeit. Und deswegen sorge ich mit meinen sicherlich kontroversen Ansichten ab und zu gerne für ein wenig Belebung. Und die hat unsere Musiklandschaft fürwahr nötig.


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