HEIMSPIEL
Deutschland verändert sich und wird immer bunter. Welche Rolle kann und soll die oft unterschätzte und schlecht geförderte Weltmusik dabei spielen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der anspruchsvolle Kongress Creole2day Global Music & Diversity im Karlsruher Kulturzentrum Tollhaus. Veranstaltet wurde er vor allem vom Verein Globale Musik aus Deutschland, der aus dem Trägerkreis des deutschen Weltmusikwettbewerbs Creole hervorgegangen ist. Text: Christian Rath
In einer Zeit, in der Deutschland Hundertausende Flüchtlinge aufnimmt und integrieren will, schien es günstig, das Thema musikalische Vielfalt neu auf die Agenda zu setzen. Doch kann Weltmusik bei der Integration von Flüchtlingen wirklich eine relevante Rolle spielen?
Eigentlich eine naheliegende Überlegung. Doch warum ist es so schwer, sie gesellschaftlich umzusetzen? Andreas Freudenberg, langjähriger Leiter der Berliner Werkstatt der Kulturen, kritisierte die Hierarchisierung und Zementierung kultureller Machtverhältnisse in den bestehenden Kulturinstitutionen. Diese hätten kein Interesse, ihre gewohnte Arbeit für weltmusikalische Ansätze zu öffnen oder sogar zugunsten neuer Akteure auf Gelder zu verzichten. Mut zu Verteilungskämpfen Letztlich ist wohl Druck von außen erforderlich. Die Politik muss auf die Veranstalter einwirken, damit diese nicht nur Verdi und Wagner spielen, sagte der NRW-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas (SPD). Da nicht mit wachsenden Kulturetats zu rechnen ist, werde es zu Verteilungskämpfen kommen. Das ist unschön, aber diese Diskussion muss man führen. Immerhin wurde die Tagung im Karlsruher Tollhaus von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters (CDU) und der Stadt Karlsruhe sowie den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz finanziert. Wichtig ist für Freudenberg auch die musikalische Bildung. Grundwissen über andere Musikkulturen müsse selbstverständlich werden. Ein pluriversales Klangerleben solle das neue Leitbild sein. An der Universität Rotterdam kann schon seit 1985 Weltmusik in immer mehr Facetten studiert werden, wie der langjährige dortige Abteilungsleiter Leo Vervelde berichtete. ... mehr im Heft
Was machen Pfadfinder, wenn sie in der Natur unterwegs sind oder am Lagerfeuer sitzen? Sie singen. Und was machen sie, wenn sie nicht in der Natur unterwegs oder am Lagerfeuer sind? Sie messen ihre Sangeskünste bei einem Wettbewerb. Der wichtigste, bekannteste und traditionsreichste unter ihnen ist der Hamburger Singewettstreit (HaSiWe). Am 20. Februar 2016 wird dieses eintägige Ereignis, bei dem sich Pfadfindergruppen aller Bünde Deutschlands treffen, zum neununddreißigsten Mal stattfinden, und zwar wie stets im Hamburger Audimax, dem großen Hörsaal auf den Hamburger Unicampus. Text: Imke Staats
Der Wettstreit existiert in seiner heutigen Form seit 1978. Natürlich gibt und gab es landesweit zahlreiche Singetreffen oder Wettstreite wie auf der Jugendburg Ludwigstein, in Ottenstein, auf am Hohen Meißner, in Bamberg, Augsburg, Würzburg, Berlin oder Bremen. Aber der Hamburger Singewettstreit ist die größte bündische Musikveranstaltung Deutschlands.
Das Besondere ist das Zusammentreffen von Hunderten Teilnehmern aus überbündischen Gruppen, der Klang von fünfzig, sechzig oder mehr Stimmen gleichzeitig und das Gemeinschaftsgefühl beim Singen ganz neuer und altbekannter bündischer Lieder mit dem Publikum. Das erzeugt eine Gänsehaut bei vielen Gästen. Natürlich gibt es wie bei jedem Wettbewerb auch Beiträge, die nicht so überzeugen. Teilweise nach Altersklassen sortiert, messen sich wie eh und je die Sippen und Gruppen, die Bünde, Stämme, Ortsringe und die Singekreise. Gemäß den Teilnahmebedingungen studieren die Singegruppen Stücke in Gesang und Musik vorher ein. Die Instrumentenauswahl entspricht dabei derjenigen, die auf Fahrt auch dabei sein könnte, es kommen also nur tragbare Instrumente wie Gitarre, Flöte, kleine Blasinstrumente, Mundharmonika oder kleines Akkordeon zum Einsatz. Bewertet werden insbesondere die Authentizität des Gesangs, inwieweit eine Gemeinschaftsleistung geglückt ist und die Originalität des Beitrags. Der Singewettstreit ist eine Spartenveranstaltung, die kaum die Grenzen der bündischen Szene überschreitet, aber immer noch stehen beim HaSiWe einen Tag lang auch junge Menschen mit Kluft und Klampfe auf der Bühne. Sie singen mehrsprachig und ganz ohne die poppige Affektiertheit von Deutschland sucht den Superstar oder The Voice of Germany. Dennoch stellt sich angesichts der jugendlichen Teilnehmer die Frage nach der Bedeutung von Coolness. Die sähe bei Pfadfindern tatsächlich anders aus, meint Vito, Mitglied des Orgateams. Cool sei es, aus vorhandenen, auch minimalen Mitteln das Beste zu machen. Das gelte in der Natur ebenso wie auf der Bühne. Auf Fahrt kommt man ohne Taschenlampen, GPS, Zigaretten oder Alkohol aus, beim HaSiWe ohne Kompressorstimme und elektronische Instrumente. Attraktiv sei die Lässigkeit, ein Lied locker und witzig zu präsentieren. ... mehr im Heft
Insgesamt einhundertfünfzig Ensembles hat das Netzwerk Klangkosmos NRW in den letzten fünfzehn Jahren auf den Bühnen Nordrhein-Westfalens präsentiert, um in der Region die vielfältigen Musikstile des gesamten Globus zu feiern. Text: Judith Wiemers Im Jahr des fünfzehnjährigen Bestehens ist das Anliegen, eine Plattform für kulturellen Austausch zu schaffen, so nah am Puls der Zeit wie nie.
Nichts scheint Barrieren so wirkungsvoll zu überwinden wie Musik. Eine universelle Sprache soll sie sein, an der Menschen aller nationalen, ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten teilhaben können. Dieser Hoffnung der Allgemeinverständlichkeit von Musik hat sich Klangkosmos NRW verschrieben. Seit dem Jahr 2000 lädt die Organisation jährlich Musiker und Bands aus aller Welt ein, um nicht nur den Variantenreichtum von Musikstilen und Instrumenten im Rahmen von Konzerten zu präsentieren, sondern auch um Musiker und Publikum zu einem Dialog anzuregen, der weit über die musikalische Performance hinausgeht. Durch interaktive Workshops, Interviews, Künstlerporträts und Livemitschnitte des WDR stellt das Netzwerk gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern Vermittlungsangebote bereit, die interessierten Zuhörern den soziokulturellen und geschichtlichen Kontext der Musikgenres und Musiker näherbringt. Birgit Ellinghaus resümiert: Unser Konzept funktioniert. Wir haben in der Regel jährlich etwa fünfunddreißigtausend Zuschauer, von denen die meisten keine Musikspezialisten sind, sondern ganz durchschnittliche Menschen, die offen und interessiert sind. In den allermeisten Fällen ist das Publikum absolut begeistert von den Konzerten. Die künstlerische Darbietung soll also ein Aufhänger sein, soll neugierig machen und den Wunsch auslösen, sich in ein Stückchen Kulturgeschichte einzufühlen. Wichtig ist den Organisatoren die Verbindung von musikalischer Gestaltung und den Persönlichkeiten auf der Bühne. Sie sollen nicht anonyme Ausführende bleiben, sondern ihre Identität und Erlebniswelt mit einbringen und erfahrbar machen. Die Musik wird also nicht als rein auditives Ereignis verstanden, sondern als bedeutungsvoller Bestandteil komplexer Kulturen. ... mehr im Heft |
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