GASTSPIEL
Es ist sehr viel Kummer in der Welt. Und Verwirrung. Aber woher kommt die Irritation? Warum scheint das so unerwartet? War die Ablenkung so perfekt? Im Dokumentarfilm Bowling For Columbine von Michael Moore, der nach den Ursachen des Amoklaufs beim Schulmassaker von Littleton forscht, gibt es diese prägnante Szene: Ein Mitarbeiter der ortsansässigen Munitionsfabrik wird interviewt und während im Hintergrund Teile von Waffen und Raketen durch die Halle transportiert werden sagt er inhaltsgemäß in die Kamera: Es ist mir unbegreiflich, wo diese Gewalt herkommt und wie bei uns ein solch unfassbares Verbrechen passieren konnte! Text: Michy Reincke *
Für Chaos zu sorgen und sich zu wundern, dass es ein Echo gibt und der Bumerang zurückkehrt, scheint mir naiv und unecht. Die meisten Reaktionen darauf poppen auf wie Gefühlsschablonen, reflexartig, austauschbar. Als würde selbst Anteilnahme zu einer Betroffenheitsmarke aus der Werbung. Es wirkt, als ob wir in einer Gesellschaft leben, die ihre Lebendigkeit und ihren Reichtum, in vielen unterschiedlichen Formen zu leben, zu fühlen und sich zu Wort zu melden, in großen Teilen bereits eingebüßt hat. Geht es vielleicht doch nicht spurlos an einer Gesellschaft vorüber, wenn man ihren Staat ideologisch als Heile-Welt-Krämerladen organisiert und sie es zulässt, dass Unternehmensberatungsfirmen die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte des Staates bestimmen? Wenn sie mit deren Hilfe alle Leistungsschwachen, Underperformer und alternativ Denkenden auf subtile Weise aussortiert? Wenn die wirtschaftlichen Bedürfnisse einer Gemeinschaft auf Shareholder-Values reduziert und ihre gemeinschaftseigenen Medien von geistigem Wachstum und Meinungsvielfalt befreit werden, um politische Meinungen besser bündeln und kontrollieren zu können? Wenn die monochrome Abbildung von Kultur nur noch seifige Unterhaltung ist und weder geistigen noch seelischen Nutzen besitzt, um unter anderem effizienter für den Verkauf von Reklame zu sein? Eine widerstandsfähige, politisch gebildete, emotional gesunde und handlungsfähige Gesellschaft sieht jedenfalls anders aus, oder? ... mehr im Heft |
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