FOLKER – Rezensionen

Rezensionen INTERNATIONAL

 

CHECKPOINT 303
The Iqrit Files

(Kirkelig Kulturverksted, Indigo, go! www.checkpoint303.com )
13 Tracks, 45:28, arab. u. engl. Texte

Das Kollektiv Checkpoint 303 setzt mit seiner Klangcollage The Iqrit Files ein Mahnmal, erinnert an eine Tragödie aus Jahre 1948, bei der das palästinensische Dorf Iqrit im Verlauf des arabisch-israelischen Krieges zerstört wurde und seine Bewohner flüchteten. Ein schwieriges Unterfangen, zum einen, weil die Musik ohne ausführliche Informationen zu den Hintergründen wie ein experimenteller DJ-Remix anmuten kann, zum anderen, weil die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern bis heute nicht beendet wurden. Das Besondere an diesem musikalischen Mahnmal: In seiner Vielstimmigkeit, den Worten, Gesängen und Klängen wiederholen sich rhythmisch die allgegenwärtige Bedrohung, der Verlust der Heimat und das Fehlen einer lebenswürdigen Zukunft, das Hörbild wird zum Aufschrei nach Menschlichkeit und Frieden. Hinsichtlich dieses Tenors ein Mahnen, das nicht oft genug erfolgen kann und hier auf klingende Weise zugleich aufwühlt und einnehmend wie bewegend berührt. So zitiert „My Homeland“ die Melodie des bekannten Volksliedes „Üsküdara“, das so viele Kulturen ihr eigen nennen. Wird das Lied gesungen, sind Text und Inhalt immer verschieden, die Melodie aber ist weltweit immer dieselbe.

Stefan Sell

 

CHECKPOINT 303  – The Iqrit Files


MAJA & DAVID
CPH-Café-YUL

(GO’ Danish Folk Music GO0615, go! www.majandavid.com )
11 Tracks, 44:51, mit engl. Infos?

Maja Kjær Jacobsen ist Masterabsolventin der dänischen Musikakademie. Sie begann mit vierzehn, Geige zu spielen und später auch die Hardangerfiedel. Sie komponiert und ist Mitglied des Trios Fru Skagerrak und eines Trios mit ihrem eigenen Namen. Sie hat sich intensiv mit der traditionellen Musik ihrer Heimatregion, Zentral-Jütland, beschäftigt und plant hierüber ein Buch zu veröffentlichen. Der Komponist und Fiddler David Boulanger kommt aus Québec und ist unter anderem Mitglied der legendären Folkband La Bottine Souriante. Das dänisch-kanadische Duo spielt seit 2012 zusammen und hat in kurzer Zeit mit ihrem phänomenalen Zusammenspiel die Zuhörer fasziniert und die Bühnen erobert. Gleich nach dem Erfolg ihres noch über Crowdfunding finanzierten Debüts Nord (2013) produzierten sie das vorliegende Album. Auch bei diesem stehen die Fiddles im Mittelpunkt, wobei die Melodiestimme meist von Jacobsen gespielt wird, während Boulanger eine unglaublich schöne Begleitung auf den tiefen Saiten erklingen lässt. Daneben gibt es mehrere Gesangseinlagen und natürlich das frankokanadische Foot Tapping. Das gesamt Werk ist eine Mischung aus traditionellen Melodien und Eigenkompositionen der beiden Musiker. Die Texte sind auf der Website des Duos zu finden.

Bernd Künzer

 

MAJA & DAVID   – CPH-Café-YUL


NOA
Love Medicine

(MW-Records MWCD 1027, go! www.noasmusic.com )
12 Tracks, 43:25, mit engl. Infos u. engl., hebr., span. Texten

Vor über fünfundzwanzig Jahren traten Achinoam Nini, so der Name, unter dem Noa in Israel bekannt ist, und Gil Dor, Komponist, Gitarrist und Produzent, ein erstes Mal gemeinsam in der Öffentlichkeit auf. 1991 erschien Noas erstes Album. Ein knappes Vierteljahrhundert später ist es nun bereits das vierzehnte sein. Wie von Beginn an, konzentriert sich das Repertoire Noas auf zwei Märkte, zum einen auf Israel, wo ein Erfolg im Wesentlichen nur mit Liedern in hebräischer Sprache möglich ist. Zum anderen ist die in New York aufgewachsene und fließend englisch sprechende Sängerin auf dem außerisraelischen Markt aktiv, darunter vor allem in den USA, Deutschland und Spanien. So gehört das vorliegend Album eindeutig zu Letzterem, ist doch nur eines der dreizehn Lieder, „Schalom“, in hebräischer Sprache. Weitere neun Liedtexte stammen von Noa selbst, allesamt in Englisch, während die Musik zum Großteil gemeinsam von ihr und Dor komponiert wurde. Gewagt, aber trotzdem gelungen, ist die Coverversion von „Eternal Flame“, ein weltweiter Nummer-eins-Hit der Bangles aus dem Jahr 1989. Herausragend vielleicht „You“, das Noa im Duett mit dem spanischen Liedermacher Joaquin Sabina singt.

Matti Goldschmidt

 

NOA  – Love Medicine


SOLODEGUITAR
Covered With Love/Reprises Par Amour

(Acoustic Music Records, Rough Trade, go! www.solodeguitar.com )
15 Tracks, 49:36, Bonus: 50 Fotos

In Montepellier mit dem wunderbaren Namen Solo Razafindrakoto geboren, wuchs Solorazaf in seiner Heimat Madagaskar auf und kehrte mit zweiundzwanzig nach Frankreich zurück. Er wurde schon bald zu einem gefragten Sideman. Fünfzehn Jahre ist er in der Miriam Makeba Band. Kein Wunder, dass ihm auf seinem außergewöhnlichen Coveralbum mit „Pata, Pata“ eine der liebevollsten Hommagen an Makeba gelungen ist. Sein Scatgesang weht wie ein Windhauch, sein perkussives Spiel perlt wie Regentropfentrommeln und sein kunstvoll jazzig, immer afrikanisch verwurzeltes Spiel auf den Saiten seiner einzigartig dreieckigen Gitarre bezirzt vom ersten Ton an. Solorazaf spielt so locker leicht, als spiele er eine Triangel, die alles Umkreisende mit ihren Eckpunkten berührt und ihre unfassbar polyfon-rhythmischen Klänge aus dem schallenden Innenkreis in die Welt entlässt. Fast die Hälfte der Stücke sind von Jimi Hendrix, sommerlich heiter, sanft berührend variiert. Ferner Marvin Gayes „What’s Going On“ und eine fantastisch leichtfüßige Version des meistgecoverten Beatles-Stücks „Yesterday“. Flirrend-flirtend, beglückend faszinierend dreht und dreht sie sich: das Gitarrenalbum des Jahres! Es wird uns diesen heißen Sommer in Herbst und Winter hinüberretten.

Stefan Sell

 

SOLODEGUITAR – Covered With Love/Reprises Par Amour


VIBRATANGISSIMO
Voyage À Buenos Aires – Live

(Big-Tone-Records, BTR 0615, go! www.vibratangissimo.de )
11 Tracks, 76:54, mit engl., dt. Infos u. vielen Fotos

Im Rahmen des zwanzigjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft im November 2014 macht die Berliner Kulturverwaltung ihrer argentinischen Partnerin ein besonderes Geschenk, indem sie als musikalischen Gruß ein modernes Tangoquartett aus Berlin nach Buenos Aires schickt, mit Musikern, deren Lebensläufe sich wie ein Konzentrat der Geschichte des letzten Jahrhunderts lesen. Juan Lucas Aisemberg (Bratsche) wurde 1967 als Kind argentinischer Eltern in Budapest geboren, wuchs in Italien auf, studierte in Rom, Gstaad (Schweiz) und Berlin. Tuyêt Pham (Piano) wurde in Paris als Kind vietnamesischer Eltern geboren und kam zum Studium nach Berlin. Oli Bott (Vibrafon) und Arnulf Ballhorn (Bass) sind Deutsche mit allerdings nicht minder abenteuerlichen Entwicklungswegen. Das Album der vier klassisch ausgebildeten Musiker (plus César Nigro an der Gitarre auf Track 6) ist ein Livemitschnitt zweier Konzerte im Anschluss an die Reise in der Kunstfabrik Schlot in Berlin. Zu hören sind Titel von Alberto Ginastera, Astor Piazzolla, Ariel Ramírez, Horacio Salgán und Oli Bott, arrangiert von Juan Lucas Aisemberg. Zu hören ist auch die hohe Musikalität in Arrangement und Ausführung, die spieltechnische Perfektion, der Anspruch. Zu spüren ist aber auch die Distanz zum lebendigen Tango als Tanz.

Cathrin Alisch

 

VIBRATANGISSIMO – Voyage À Buenos Aires – Live

Update vom
09.02.2023
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