LABELPORTRÄT 72
Zwanzig Jahre und ein Tag
Nubenegra
Von Madrid aus einmal um die Welt
Seit 1994, demselben Jahr, in dem auch die Weltmusikmesse WOMEX in die erste Runde ging, spuckt die namensgebende schwarze Wolke musikalisch gesprochen wohltuende Regentropfen aus, nicht selten Vorboten ebenso schöner Regenbogen. Das spanische Weltmusikpionierlabel Nubenegra schlug von Madrid aus mit dem Plattendebüt der Vieja Trova Santiaguera erste entscheidende Brücken nach Kuba noch vor dem Bekanntwerden des Buena Vista Social Club. Fortan arbeitete es sich mit visionärem Abenteuergeist wie soziomusikalischem Sachverstand durch die Welt, insbesondere die der spanischen Anrainerstaaten Lateinamerikas und Afrikas.
Text: Katrin Wilke
|
Der Tatendrang von Labelchef Manuel Domínguez ist ungebrochen, wobei er den Aktionsradius seines Unternehmens nach und nach verkleinert, nicht zuletzt infolge der Veränderungen des Musikmarktes.
Wenn der nahezu lebenslange Freiberufler 2016 zumindest offiziell in Rente geht, dann möchte der Musikverrückte den immensen Labelkatalog in welcher Form auch immer am Leben erhalten.
|
»
Ich sagte anfangs der Einfachheit halber, dass Nubenegra eine mit allerhand gefüllte Wolke sei.
«
Helge Westbye
|
|
Schon seit geraumer Zeit konzentriert sich Nubenegra auf einige wenige, künstlerisch eher interdisziplinäre Projekte mit den Sahrauis aus der Westsahara und der Sängerin Mariem Hassan im Zentrum.
www.nubenegra.com
|
---|
Auswahldiskografie:
Diverse, 20 Años Y Un Día, 2014
Mariem Hassan & Vadiya Mint El Hanevi, Baila Sahara Baila, 2015
Hijas Del Sol, Sibèba, 1995
Omara Portuondo & Chucho Valdés, Desafíos, 1997
Rasha & Uxía & María Salgado, La Sal De La Vida, 1998
Vieja Trova Santiaguera, Vieja Trova Santiaguera, 1994
|
Bei der Wahl des Labelnamens hatte der eher zu gesundem Pragmatismus neigende Domínguez allerdings keinerlei metaphorische Verspieltheit im Sinn. Das zu einem Wort zusammengezogene Nubenegra geht auf ein Pseudonym zurück, unter dem der studierte Architekt und früher sehr umtriebige Musikjournalist für eine spanische Zeitung schrieb. Ein Kollege war für Flamenco zuständig, ein anderer für Klassik, und für alles andere war ich verantwortlich ob nun Rock, Punk, Liedermacher oder sonst was, erzählt er. Da man nicht wollte, dass an einem Tag mehrere Artikel mit meinem Namen erschienen, bekam ich das Pseudonym Miguel Duro, harter Miguel?, verpasst, weil es meine realen Initialen enthält. Das gefiel mir überhaupt nicht, und ich schlug Nubenegra Martínez vor, einen von einem spanischen Wrestlingkämpfer inspirierten Namen. Als ich kurz darauf eine Bezeichnung für mein Label brauchte, griff ich auf Nubenegra zurück. Wenn ich anfangs nach der Bedeutung des Begriffs gefragt wurde, antwortete ich der Einfachheit halber, dass dies eben eine mit allerhand gefüllte Wolke sei. Diese amüsante Anekdote zeigt Domínguez (musik-)kulturelle Aufgeschlossenheit im damals gerade mal knapp zwanzig Jahre jungen postfranquistischen Spanien, wo wie auch in Lateinamerika bis heute lockerer umgegangen wird mit den Genregrenzen der Populärmusik als bei uns.
Der Nubenegra-Big-Bang wie es im 2014 erschienenen Jubiläumssampler so schön heißt geschah mit besagter Gruppe Vieja Trova Santiaguera, ein paar alten Herren ohne Namen, die in der Casa de la Trova Santiago de Cubas auftraten. Ein baskischer Kollege, der die Soneros durch ein Dokumentarfilmprojekt aufgetan hatte, machte mich auf sie aufmerksam und neugierig. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich gerade meine aktuelle Arbeit beendet und begab mich mit etwas gespartem Geld knapp 2.000 Euro nach Kuba. Ich traf mich mit der Band, und wir gingen für Aufnahmen in ein vom dortigen Rundfunk zur Verfügung gestelltes Studio, so der Labelchef.
Bevor der im andalusischen Granada geborene Langzeit-Madrider mit Nubenegra sein erstes, eigenes Unternehmen gründete, hatte er neben seiner musikjournalistischen Betätigung bereits beachtliches Musikwissen angesammelt, als er für diverse Institutionen Veröffentlichungen von vielen, in Spanien damals noch unbekannten nationalen und internationalen Künstlern realisierte. Was Musik aus Kuba anbelangte, war Domínguez am ehesten mit den Künstlern der Nueva Trova, den zeitgenössischen Liedermachern wie Pablo Milanés vertraut und weniger mit den an Wortwitz und musikalisch reichen Sones der Vieja Trova. Eines dieser Lieder des Son Cubano, die Guaracha El Tren (Der Zug), köderte den Spanier und bewog ihn zu jener nachhaltigen Kubareise. Das Stück wurde später ein Hit der Formation.
... mehr im Heft
| |
FOLKER auf Papier
|
---|
Dieser Artikel ist nur ein Auszug des Original-Artikel der Print-Ausgabe!
Bestelle sie Dir! Einfach das Schnupper-Abo!
bestellen und
drei Ausgaben preiswert testen. Ohne weitere Verpflichtung!
Oder gleich das Abo
?
|
|