Rezensionen NORDAMERIKA/ KANADA
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ANNA & ELIZABETH
Anna & Elizabeth
(Free Dirt Records Dirt-CD-0072/Galileo, www.annaandelizabeth.com
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16 Tracks, 45:10, mit engl. Texten
Sie haben alte Platten gehört und in Archiven gegraben. Nicht aus nüchternem Interesse, sondern aus Zuneigung. Elizabeth LaPrelle und Anna Roberts-Gevalt geht es nicht um die Konservierung der Tradition, sondern um frisches Leben in alten Balladen, Melodien und Geschichten. Die Lieder erzählen vom Leben der einfachen Leute in den Appalachen, Heimat von Anna & Elizabeth. Dort, in Floyd/Virginia, haben sie ihr zweites Album aufgenommen. Alles klingt reduziert und lebt von den beiden ineinanderfließenden Stimmen, den Harmonien, den offenbar alten Gitarren, Fiddles und Banjos, deren Hölzer und Felle schon viele Resonanzen erfahren haben. Die Wirkung dieser Einfachheit zeigt eine greifbare Intensität und überträgt die Tatsache, dass beide Musikerinnen ehrlich empfinden, was sie da vortragen. Die Traditionals sind nicht die, die häufig in der Old-Time Music auftauchen, und auch in Sachen neuere Songs heben Anna & Elizabeth Schätze etwa Connie Converses Father Neptune. Manchmal verwenden sie auch nur Fragmente eines Songs. So wurzelt Orfeo in einem Kinderlied: Dem A-cappella-Auftakt folgen Uilleann Pipes, gespielt von Joey Abarta, und Fiddle. Ein Stein, den das kalt lässt.
Volker Dick
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GLEN CAMPBELL
Ill Be Me
(Big Machine Records 0602547227973, Universal, www.glencampbellmusic.com
10 Tracks, 32:51
Dieses Album ist der Soundtrack zur Filmdokumentation Glen Campbell: Ill Be Me, die den Musiker auf seiner Abschiedstournee begleitet, nach dem bei ihm Alzheimer diagnostiziert worden war. Berührend wie er auf der Bühne virtuos Gitarre spielt und singt, sich aber nicht mehr an den Namen seiner Exfrau erinnern kann. Das Titelstück behandelt die Krankheit, den Umstand, dass man den geliebten Partner zwar am längsten wiedererkennen werde, aber am Ende nicht vermissen wird, weil man sich auch an ihn nicht mehr erinnert, und dass das eigentlich das Beste daran sei. Ein Abschied voll Wehmut, Melancholie, aber unsentimental und voller Humor. Aufgenommen hat er dieses letzte Stück mit den legendären Studiomusikern der Wrecking Crew deren Mitglied er in den 1960ern war, bevor er seine Solokarriere begann und Country-Superstar wurde. Der Soundtrack fängt die vielen Facetten Campbells langer Karriere ein. The Band Perry und Tochter Ashley sind mit einigen Stücken vertreten, erreichen aber nicht die Intensität Campbells. Und die in Nashville mitgeschnitten Livaufnahmen zeigen, welche immense Kraft der Mann auf der Bühne noch hatte. Ein würdiger Abschied eines großen Künstlers.
Dirk Trageser
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DIVERSE
Protest Songs Stark Songs Of Struggle And Strife
(Not Now Music NOT2CD453, www.notnowmusic.co.uk
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CD 1: 73:07, CD 2: 67:26, minimale engl. Infos
2011 forderte Spex, das Magazin für Popkultur, unter der Überschrift Spex und Byte FM suchen neue Protestsongs Musiker auf, Lieder einzureichen, die textlich und/oder musikalisch Bezug nehmen auf politische, soziale oder kriegerische Konflikte der letzten Monate. Der Folker fragte damals im Editorial, was wohl Künstler dazu sagen würden, die ihre Musik als Teil einer politischen Bewegung verstanden und sie nicht als preiswürdiges Produkt präsentierten. Eine Sammlung genau solcher Musiker liegt hier vor. Der Schwerpunkt liegt auf Protestsongs aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Krieg, Armut, Rassismus und Gewerkschaften sind die vorherrschenden Themen. Unter den Künstlern: Woody Guthrie, Pete Seeger, Cisco Houston und Ramblin Jack Elliott. Sowie neben Gruppen wie The Almanac Singers, The Weavers und den New Lost City Ramblers eine Reihe von frühen Folkbluesmusikern wie Josh White, Brownie McGhee, Sonny Terry, Big Bill Broonzy und Lead Belly. Die Songs reichen von Talking Union über The Rich And The Poor Man bis hin zu so bekannten Titeln wie We Shall Overcome. Eine hervorragende Einführung in die Geschichte des Genres und ihrer Interpreten, in deren Fußstapfen später Künstler wie Bob Dylan (zumindest zeitweise), Tom Paxton und Phil Ochs traten.
Michael Kleff
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ELEPHANT MICA
ELEPHANT MICA
(Western Vinyl WV 124/Cargo, www.elephantmicah.com
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8 Tracks, 35:42, mit engl. Beiheft
Elephant Mica klingt, als würde er in einem entlegenen Wald nur für die Bäume musizieren. Oder für den Waldgeist. Sparsame Songs, allein mit der Wandergitarre begleitet, sehr old-fashioned. Kein Wunder, arbeitet Joseph OConnell, der hinter diesem Bandnamen steckt, doch hauptamtlich als Folklorist, als einer, der im Auftrag öffentlicher Institutionen Volkslieder sammelt. Seine eigenen Songs entstehen nur nebenbei. OConnell hat scheinbar auch wenig Ehrgeiz, seine Sachen in die Welt zu senden, entstanden diese Songs doch schon 2006/2007. Überaus sympathisch, wie bedeckt er sich mit seiner Musik hält. Hörbar ist OConnell außerdem ein großer Fan von Will Oldham aka Bonnie Prince Billy. Tatsächlich singt der bei einigen Songs auch Harmoniegesang. Manchmal gibt es eine geschlagene Handtrommel, oder Blockflöte und Harmonium sind zu Gesang und Gitarre arrangiert, was der Lagerfeuerqualität dieser Musik guttut. Es scheint, als würde dieses Album in seiner gesamten Laufzeit immer leiser werden, als hätte OConnell Angst, seine Zuhörer mit Worten und Musik zu erschrecken, zu verstören. Doch man sollte eher das Gegenteil machen, ganz laut aufdrehen, um diese totale Innerlichkeit voll genießen zu können. Seine Musik klingt wirklich weltvergessen und ist dadurch ganz besonders eindringlich.
Michael Freerix
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LEA
Let You In
(Eigenverlag, www.thisislea.com
)
10 Tracks, 35:30
Meine Güte, hat diese Frau Soul in der Stimme mit einem Timbre, das an Joan Armatrading denken lässt oder an Tracy Chapman, mit der sie gern verglichen wird. Doch die Singer/Songwriterin Lea Morris aus Washington, D. C., ist mit mehr als einer außergewöhnlichen Stimme gesegnet. Frau Morris ist nebenbei eine exquisite Gitarristin, die von der zart gepickten Ballade bis zum jazzig-groovenden Flatpicking so ziemlich jede Spielart beherrscht. Und sie versteht es, großartige Songtexte mit meist positiver Grundstimmung zu schreiben. Dazu gelingen ihr wunderbare Melodien, mit denen sie ihre bildhafte Lyrik zu Songs verschmilzt, die stilistisch zwischen Gospel, Folk, Jazz, Country und Rhythm and Blues angesiedelt sind. Auf ihrem neunten Album präsentiert die Songschreiberin Lieder, die Geschichten aus weiblicher Sicht erzählen, für die Morris jeweils in die Rolle der Protagonistin schlüpft. Unterstützt wird sie von einer glänzend aufgelegten Studioband mit funkig-rockigen Arrangements, wobei die klassische Besetzung aus Schlagzeug, Bass und elektrischer Gitarre um Piano, Orgel, Akkordeon, Cello, Steel Drums, Banjo und Mandoline erweitert wird. Special Guest Howard Levy schließlich vervollständigt mit gänsehauttreibenden Bluesharpsoli den kompakten Gesamtklang eines exzellenten Albums.
Ulrich Joosten
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LYDIA LUNCH & CYPRESS GROVE & SPIRITUAL FRONT
Twin Horses
(Rustblade/Broken Silence RBL 047, www.lydia-linch-official.com
)
10 Tracks, 43:46 mit engl. Infos
Die amerikanische Sängerin, Schauspielerin und Dichterin Lydia Lunch ist seit den Siebzigerjahren in der Szene aktiv. Nach A Fistful Of Desert Blues legt sie nun ein zweites Album in Zusammenarbeit mit dem englischen Singer/Songwriter und Produzenten Cypress Grove vor. Die beiden Grenzgänger mit einem Faible für düsteren Rockblues und Neofolk verbünden sich hier mit der für melancholischen Folkblues und gefühlvollen Suicide Pop bekannten italienischen Band Spiritual Front eine eindrucksvolle Mischung. Zu hören sind je vier Kompositionen von Lunch/Grove und Spiritual Front sowie der Eagles-Klassiker Hotel California sowie eine weitere Coverversion.
Annie Sziegoleit
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BOZ SCAGGS
A Fool To Care
(Savoy/Caroline FTN16037/Universal, www.bozscaggs.com
)
15 Tracks, 64:32
Oh, diese Stimme melt frozen butter, wrapped in silk sagte einst ein Kritiker, und auch im Alter von 71 Jahren trifft das den Kern. Im Laufe seiner Karriere war Boz Scaggs zunächst Sänger einer Rock-n-Roll-Band, entdeckte dann den Rhythm and Blues für sich, tauchte tiefer in den Blues ein und machte in den letzten Jahren als Jazzcrooner Furore. Dies alles verschmilzt nun in A Fool To Care zu einem Gesamtkunstwerk amerikanischer Musik. Eine selbstverständliche Lässigkeit, ein mal treibender, mal swingender Groove zieht sich durch alle Aufnahmen. Die Qualität der Musik, das Können der Musiker ist schier atemberaubend, und immer wieder kommen kleine Meisterwerke zum Vorschein, sei es ein Wechsel in der Stimmlage des Sängers, eine rhythmische Drehung oder ein kurzes, wie zufällig eingeworfenes Solo. Herausragende Titel sind hierbei das irgendwo zwischen Texas-Shuffle und Country liegende Hell To Pay mit der Bluessängerin Bonnie Raitt im Duett, oder auch Last Tango On 16th Street, ein sentimentaler Tango mit Bandoneonbegleitung.
Achim Hennes
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JAMES TAYLOR
Before This World
(Concord/ Universal, www.jamestaylor.com
)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:52
Er hat nach wie vor Geschichten zu erzählen. Nach dreizehn Jahren entstand ein neues Studioalbum mit zehn eigenen Songs und dem Traditional Wild Mountain Thyme. Kräftig unterstützt wird Taylor von seiner exzellenten All-Star-Band, mit der er zurzeit auch auf Europatournee ist. Gastmusiker mit Harmoniegesang beim spirituell-mysteriösen Titelsong ist Sting. Hier ist auch Taylors Nachbar in Massachusetts, der Cellist Yo-Yo-Ma zu hören, ebenso wie beim eindringlichen You And I Again, ein neues Liebeslied über eine alte Liebe. Musikalisch und textlich hat James Taylor seine hohen Standards gehalten: Lieder voller Leichtigkeit, die so schwer zu schreiben sind, mit tiefsinnigen poetischen Reflexionen und Erinnerungen an das Unterwegssein. Today, Today, Today ist eine Countrynummer, mit der er auf das Jahr 1968 zurückblickt. Es gibt Lieder über einen Exjunkie, den Krieg in Afghanistan, über ein Baseballteam (Angels Of Fenway über die Boston Red Sox) und natürlich Road Songs wie Stretch Of The Highway über den wohltuenden Reiz des Reisens. Insgesamt ein unbedingt empfehlenswertes Album!
Piet Pollack
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THE WEATHER STATION
Loyalty
(Paradise of Bachelors PoB-19/Cargo Records, www.the-weather-station.com
)
11 Tracks, 39:53, mit engl. Texten
Kurzgeschichten reihen sich aneinander, Momente, Begegnungen, Naturerscheinungen ziehen vor dem inneren Auge auf, gekoppelt an tiefe Gefühle und Eindrücke vielleicht liegt das nahe, wenn man wie Tamara Lindeman aus Kanada kommt, genauer: aus der Musikstadt Toronto. Von ihr stammen sämtliche Songs, dazu spielt sie Gitarre, Klavier, Orgel, Vibrafon und Banjo. Die übrigen Instrumente, darunter Schlagzeug und Bass, steuert Afie Jurvanen bei. Im Wesentlichen ist es dieses Duo, das einen Klangteppich webt, der unaufhörlich zu schweben scheint. Wirkliche musikalische Höhepunkte machen einem Fließen Platz. Und möglicherweise handelt es sich von vorn bis hinten tatsächlich nur um ein einziges langes Stück voller Höhen und Tiefen. Tamara Lindeman steht mit ihrem dritten Album in der Songschreiberriege ihres Landes, und ihre Stimme erinnert öfter an Joni Mitchell, bleibt aber in der Brust, wirkt nahbar und warm. Die Texte leben von starken Bildern, von eingefangener Atmosphäre, etwa wenn sie Einsamkeit festmacht am Hineinragen der Wolkenkratzer in endlose Dunkelheit. Immer wieder steht die Natur als Metapher für innere Zustände. So nimmt sie uns gefangen und erzählt und erzählt und erzählt.
Volker Dick
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FOLKER auf Papier
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