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Instrumente
der Welt
Bukkehorn
Der Schrei, der die Wölfe vertreibt
Die Hörner im westlichen Sinfonieorchester tragen ihren Namen nicht umsonst. Ihre geschichtlichen Vorgänger waren nämlich Tierhörner, die ausgehöhlt und auf denen Signaltöne geblasen wurden. Solche Urinstrumente gab es praktisch auf allen Erdteilen gefertigt aus den Hörnern von Stieren, Widdern, Antilopen oder Gazellen. Wahrscheinlich haben Urmenschen sogar bereits die Stoßzähne von Mammuts als Blasinstrumente eingesetzt. Ein berühmtes Widderhorn ist der Schofar, der im jüdischen Ritus bis heute Verwendung findet. Ein anderes dieser altertümlichen Instrumente ist das norwegische Bukkehorn, zu Deutsch Bockshorn. Es wird noch immer aus dem Horn des Ziegenbocks, seltener des Schafsbocks gefertigt.
TEXT:
HANS-JÜRGEN SCHAAL
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Ursprünglich war das Bukkehorn gar nicht zum Musizieren gedacht. Sein lauter, schriller Schrei sollte vielmehr Wölfe und Bären von der Herde fernhalten.
Dass die deutsche Redewendung jemanden ins Bockshorn jagen damit zusammenhängt, ist allerdings unwahrscheinlich. Wenn das Bukkehorn ertönte, war das zugleich eine Warnung für andere Hirten, die in den Bergen ihre Tiere weiden ließen.
So bekam das Horn mit der Zeit verschiedene Kommunikations- und Signalfunktionen zumal nachdem damit begonnen wurde, Grifflöcher hineinzubohren, die einfache Tonfolgen erlaubten. Das Instrument wurde daraufhin auch prillar-honnet, zu Deutsch Trillerhorn genannt.
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Es waren Sennerinnen, die aus dem Bukkehorn ein Musikinstrument machten.
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Die bekannteste Legende um das Prillarhorn spielt im Jahr 1612. Damals landete im Auftrag des schwedischen Königs ein schottisches Söldnerheer an der norwegischen Küste.
Norwegische Bauern beschlossen, die Eindringlinge im Gudbrandstal anzugreifen, indem sie Baumstämme von den Bergen rollen ließen. Das Signal zum Angriff gab eine Bukkehornbläserin, die als Prillar-Guri bekannt wurde. Als Guri später das Blutbad sah, das ihre Landsleute unter den Schotten angerichtet hatten, soll sie ihr Horn in den Fluss geworfen und bitterlich geweint haben.
Es waren Sennerinnen auf norwegischen Almen, die aus dem Bukkehorn ein Musikinstrument machten. Dank der bis zu acht Fingerlöcher und spezieller Tricks wie der Stopftechnik lassen sich auf dem Instrument einfache Psalmenmelodien blasen, ebenso Schlaflieder und kleine Pols (norwegische Polkas), wie man sie auch von der Hardangerfiedel kennt.
Wird das Instrument wie ein Naturhorn gespielt, also mit Blechbläseransatz (Polsterpfeife), besitzt es einen weichen, fast flötenartigen Ton. Das Bukkehorn lässt sich aber auch mit einem einfachen Blättchen anblasen nach Art der frühen Klarinetten um 1700. Dann wird das Instrument auch Tungehorn (Zungenhorn) genannt. Die Blättchen sind meist aus Birkenrinde oder Wacholderholz gefertigt, der Ton ist rauer und schalmeienartig.
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