FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA/ KANADA


KAT DANSER
Baptized By The Mud

(Eigenverlag/Outside Music, go! www.katdanser.com )
12 Tracks, 47:55, mit engl. Texten u. Infos

Das bereits fünfte Album der Gitarristin und Sängerin schlägt einen großen Bogen über Folk, Blues, Gospel und Soul. Kat Danser komponiert genial und kann auch mit je einem Cover von Gertrude Ma Rainey, der „Mutter des Blues“, und der Deltablueslegende Mississippi Fred McDowell voll überzeugen. Als „Queen of the Swamp Blues“ hat sie in den letzten fünf Jahren den allerbesten Ruf erworben, dank ihrer Spielsicherheit und Frische ist sie allen Größen wie etwa Bonnie Raitt oder Rory Block ebenbürtig. Der Begleitband, mit der sie die sensationelle Scheibe im kanadischen Vancouver aufnahm, gehören Gitarrist und Produzent Steve Dawson, Pianist Darryl Havers, Schlagzeuger Geoffrey Hiehs, Bassist Jeremy Holmes und die Backgroundsänger Dawn Pemberton und Marcus Mosely an. Was dabei herauskam, ist die Musik des 21. Jahrhunderts – und mein Tipp des Jahres.

Annie Sziegoleit

 

KAT DANSER   – Baptized By The Mud


ROBBY HECHT
Robby Hecht

(Old Man Henry Records, go! www.robbyhecht.com )
Promo-CD, 12 Tracks, 44:20

Ein echter American Songwriter unsere Zeit – mit besten Retroqualitäten. Robby Hecht, der junge Mann aus Tennessee, lässt den amerikanischen Siebzigerjahre-Akustikpop hochleben. Sanfte Melodien und sichere Arrangements voll von diskretem Glamour, verspielten Kleinigkeiten – hier und da sind eine Geige, ein Klavier, etwas Saxofon, einige Akkorde Banjo oder eine Pedal Steel im Hintergrund zu hören. Das ist Musik wie Wellness gegen Lärm und Hektik. Die Texte haben es in sich: In den zwölf Songs beschreibt Hecht unter anderem Erfahrungen aus seinem Leben, die mitunter nicht zu den lustigsten gehören: In „Feeling It Now“ geht es um das Krankheitsbild manische Depression. Und es gibt Balladen wie „Barrio Moon“, die eine Geschichte von sich gegenseitig erstechenden Freunden erzählt. Hecht, der viele Freunde in der Nashville-Songwriter-Szene hat, zählt zum Trio der „New American Troubadours“, die in diesem Sommer Europa eroberten – nicht seine erste Europatour. Er könnte hier dem einem oder anderen schon zuvor in Begleitung von Neko Case, Josh Ritter oder Iron and Wine begegnet sein.

Imke Staats

 

ROBBY HECHT     – Robby Hecht


PACIFIKA
Amor Planeta

(Six Degrees 657035 120525/Exil/Indigo, go! www.pacifikaonline.com )
www.pacifikaonline.com

Globalpop aus Kanada – und das vom Allerfeinsten. Sängerin Silvana Kane hat peruanische Wurzeln, gibt mal die Elfe und mal das Girlie und singt sowohl auf Spanisch als auch auf Englisch. Mit Jugendfreund Adam Popowitz hatte sie in der Schule ihre erste eigene Band, 2004 kreuzten sich ihre Wege erneut. Adam hatte mittlerweile den Hardrock für sich entdeckt, Silvana eher den Maintreampop. Die beiden holten Klangtüftler Tony Peter an Bass und Schlagzeug mit ins Boot und gründeten Pacifika. Mühelos schafft das Trio die Balance zwischen hispanischer Lebensfreude und nordamerikanischem Elektroniksound. Kein Stück klingt wie das andere, jeder Song ist für eine Überraschung gut. Mal gibt sich das Keyboard sphärisch-verträumt, dann kreischt die Gitarre oder Gastmusiker überraschen mit Trompetenklängen und Brasilienflair. Inhaltlich geht es, wie der Titel Amor Planeta verspricht, um die Liebe in all ihren Facetten. Das vierte Album des kreativen Trios kommt weniger elektronisch als die Vorgänger daher, wartet stattdessen mit noch mehr ungewöhnlichen Klangexperimenten auf. Da kann man sich gar nicht satthören.

Suzanne Cords

 

PACIFIKA     – Amor Planeta


SEAN ROWE
Madman

(Anti Records7324-2a /Indigo, go! www.facebook.com/seanrowemusic )
Promo-CD, 12 Tracks, 47:03

Balladesk legt das musikalische Raubein Sean Rowe auf seinem neuen Album los. Wie ein Wahnsinniger klingt er dabei nicht, eher zerbrechlich, verstört. In den nachfolgenden Songs führt Madman eine reichhaltige Mischung aus Soul, Folk, Country und Western, ja sogar grobschlächtigem elektrischen Blues, vor. Diese Vielfalt ist der Reichtum, aus dem Sean Rowe einen Brei anrührt, der unverfälscht und urwüchsig klingt. Zwar begann der New Yorker erst mit achtundzwanzig Jahren öffentlich aufzutreten, doch schrieb er da bereits seit zwanzig Jahren eigene Songs, nur eben für sich, privat, aus Spaß und eher nicht mit einer Musikerkarriere im Kopf. Erst nachdem er Otis Redding im Radio gehört hatte, fand er das Selbstvertrauen, seine eigenen Songs auch öffentlich singen zu wollen. Was sicher an seiner eigenartigen Stimme liegt, die vom Ton her ein wenig an die des späten Tom Waits erinnert. Dessen verschrobener elektrischer Blues klingt auch immer wieder als Einfluss auf diesem Album durch, ebenso wie Bruce Springsteen, den Rowe nach wie vor für einen der wichtigsten Songschreiber der Gegenwart hält.

Michael Freerix

 

SEAN ROWE    – Madman


TIM SPARKS
Chasin’ The Boogie

(Acoustic Music Records 319.1519.2/Rough Trade, go! www.timsparks.com )
12 Tracks, 41:20, mit engl. Infos

Tim Sparks, Fingerstylegitarrist aus North Carolina, gehört zu den interessantesten Künstlern seiner Zunft. Mit Chasin’ the Boogie tritt Sparks eine Heimreise an. Im Booklet schildert er ausführlich seine Erinnerungen an eine Kindheit, die er musikalisch auferstehen lässt. Eine Zeit, die von Blues, Boogie, Ragtime und Gospeltunes geprägt ist. Sparks ist gleichermaßen Musiker wie Forscher. Dingen, die ihn musikalisch anrühren, geht er äußerst akribisch auf den Grund. Neben der bemerkenswerten Transkription der „Nussknacker-Suite“ von Tschaikowsky, hat er sich in den vergangenen Jahren unter anderem der Musik des Balkan oder dem Avantgardeklezmer eines John Zorn gewidmet. Unglaublich transparentes Spiel und gleichzeitig druckvoller Ton sind Sparks Markenzeichen. Technische Hürden scheint es keine zu geben, ob er nun das Feeling des Boogie-Pianos eines Pinetopp Smith einzufangen versucht oder in „Reckless Persuasion“ spät nachts den mondbeschienenen Highway herunterrast. Auch dem Beatles-Evergreen „Blackbird“ oder Joni Mitchells wunderbarem „Both Sides Now“ verleiht Sparks unerhörten, neuen Glanz. Man hört den Musiker atmen, stöhnen, summen und scheint einer Live-Performance beizuwohnen. Sparks vereint Virtuosität, Musikalität und Intelligenz aufs Schönste.

Rolf Beydemüller

 

TIM SPARKS – Chasin’ The Boogie


JONAH TOLCHIN
Clover Lane

(YepRoc Records YEP-2364/Cargo Records, go! www.jonahtolchin.com )
Promo-CD, 11 Tracks, 40:49

Es klingt, als ob im nächsten Moment ein Bluesgewitter loslegte, doch zur Basstrommel gesellt sich eine Fiddle, was Hoffnung auf ein Tänzchen weckt, wenn auch ein trauriges. Aber knurrige E-Gitarre und Mundharmonika ziehen uns wieder in den Blues, die Fiddle schiebt ein wildes Solo ein und eine eigentümliche, leicht näselnde Stimme stellt klar: „Mockingbird don’t sing no more.“ So beginnt Jonah Tolchins zweites Album, sein erstes mit kompletter Band, aufgenommen in Nashville, produziert von Lone-Justice-Mann Marvin Etzioni. Dem Opener lässt der Mann aus Bar Harbor im US-Bundesstaat Maine das positiv beschwingte „Midnight Rain“ folgen, jedoch steht der Countryshuffle in Kontrast zum Textinhalt: Der Erzähler fragt sich, ob er die Frau wirklich liebt und man spürt – so recht will er die Antwort gar nicht wissen. Zwei Stücke später erklingt mit „Diamond Mind“ eine wundervolle Ballade, wer hätte das gedacht? Aber natürlich lauern auch hier hinter der schönen Melodie Tod und Verderben. Tolchin gehört zu den Meistern der Langsamkeit, verwebt Blues, Folk und Country in ein atmosphärisches Ganzes und schafft es in elf Songs, tief zu schürfen und uns berührt zurückzulassen.

Volker Dick

 

JONAH TOLCHIN – Clover Lane

Update vom
09.02.2023
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