FOLKER – Michael Kleff

 5 Minuten mit...


FOLKER
EINHUNDERT.

Michael Kleff

Der Lotse geht von Bord

 MICHAEL KLEFF * FOTO: FRANK  SZAFINSKI
» Die ganze Szene
ist unpolitischer
geworden. «



Michael Kleff hört auf. Und die Gründe dafür sind ebenso interessant wie sein Rückblick auf die Zeit, die er mit seiner Zeitschrift verbracht hat. Seit 1998 heißt sie Folker! (ja, zunächst mit Ausrufezeichen), hervorgegangen aus dem Leipziger Folksblatt und dem westdeutschen Folk-Michel, ein Amalgam aus Ost und West sollte entstehen, aber auch etwas ganz Neues. „Mein Anliegen war es damals, aus der Folkecke herauszukommen“, sagt Kleff, und das klingt fast so, als habe es sich um die berühmte Sofaecke gehandelt. In der Tat, das amerikanische und angloirische Folkrevival der Sechziger-, Siebzigerjahre, das Mut gemacht hatte, auch eigene Traditionen wiederzubeleben, auch die des politischen Liedes, hatte sich da draußen unbemerkt zur Weltmusikszene erweitert. „Wir haben uns gefragt, was verbindet denn all diese Dinge, die mit Wurzeln, mit Tradition zu tun haben, und kamen zu dem Schluss: Folk, Lied und Weltmusik, das sind die drei Bereiche, die wir mit unsrer neuen Zeitschrift bearbeiten wollen.“ Er nennt es auch den Dreiklang ihres Programms und: „… unsere Mission, das weite Feld abseits des Mainstreams.“

TEXT: JAN REICHOW


Aber von Anfang an ist die Verbindung zur Praxis wichtig, zur Szene, die Clubs sollten sich wiederfinden. Die Zeitschrift sollte nicht einfach nur Neuerscheinungen präsentieren, kein verlängerter Arm der Musikindustrie sein. „Das wollten wir nicht, deshalb haben die blauen Serviceseiten bis heute gehalten, wo die Veranstalter und Künstler ihre Konzerte ankündigen können.“ Ganz wichtig: die klare Trennung von Redaktion und Anzeigen, was nicht so selbstverständlich ist, wie es scheint. Man kennt andernorts die fatale Praxis: Artikel nur gegen Anzeige. „Bei uns war und ist für einen Artikel allein die inhaltliche Relevanz ausschlaggebend.“ Natürlich freut man sich über Anzeigen, aber die redaktionelle Planung hat damit nichts zu tun.

Andererseits gab es inhaltliche Probleme zu bewältigen. „Wir hatten begeisterte Hobbymitarbeiter, aber wenig professionelle Autoren. Mein Bestreben war, den Anteil der hauptberuflich Schreibenden zu erhöhen, also wegzukommen von schülerhaften Aufsätzen über ‚Mein schönstes Konzert‘.“ Und noch ein anderes Prinzip galt: Abstand zum Objekt, das heißt auch kritische Berichte mussten möglich sein. „Was mich an anderen Musikzeitschriften störte: dass sich einzelne Artikel lesen wie verlängerte Pressetexte der Künstler. Was mich aber viel mehr interessiert: Wo kommt er oder sie her, welche Rolle spielt das alles in der Gesellschaft, was ist der Hintergrund der Texte?“

Michael Kleff selbst war beruflich zunächst in der Politik engagiert, da fragt man nach Hintergründen, nach greifbaren Aussagen, nach Engagement, auch wenn es zunächst eher unpolitische Klänge waren, denen er nachging. Das fing an mit The Moody Blues, den Electric Prunes und den Beach Boys. Später auch Earth Opera. Dabei traf ihn eine Stimme ins Herz, die von Peter Rowan. Von hier war es nicht weit zu Bill Monroe und traditionellem Bluegrass samt allen angrenzenden und weiterführenden Stilen, zu all den Singer/Songwritern und schließlich 1980 zum Newport Festival, woraus sich der erste große Musikbericht für den WDR ergab. „Und von da an lief es parallel im Rundfunk: Politik und Musik!“ Printmedien nicht zu vergessen – aber bei dem Thema kommt man heute unweigerlich gleich auf das Internet. „Ich gehöre da eher zu den Konservativen. Ich bin so aufgewachsen, ich muss etwas anfassen können, mich hinsetzen, lesen, nachdenken. Das Papier, das Umblättern, all das spielt eine Rolle, auch rein psychologisch – Bleistift in der Hand, über den Körper ins Gehirn, dort wird’s verarbeitet. Es gibt ja Untersuchungen, die das nachweisen. Das reine Copy-and-paste-Verfahren bewegt nichts im Gehirn, man lernt nichts dadurch.“ So hat er es bislang auch abgelehnt, Downloads zu rezensieren. „Solange es noch CDs gibt, möchte ich sie in der Hand haben, möchte lesen, welche Gedanken die sich dabei gemacht haben, wie das Booklet aussieht, das Layout. Form und Inhalt bedingen einander. Das erfährt man im Download nicht, auch wenn man das Booklet im PDF nachlesen kann, es ist einfach anders.“ Doch er fügt leise hinzu: „Die CD als Tonträger wird sich nicht halten, das wird kippen.“  

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Update vom
09.02.2023
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