Rezensionen DEUTSCHLAND
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AN RINN
20
(Eigenverlag, www.anrinn.de
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20 Tracks, 77:03, mit dt. Infos
We had it all, we had the best of times! Die fünf Irish Folker aus dem Osnabrücker Land haben es geschafft, ihre Band zwei Jahrzehnte am Leben zu halten und auch auf ihrem siebten Album frisch wie je zu klingen. Für dieses haben sie sich unter Zuhilfenahme von fünf Gastmusikern, darunter Colin Wilkie, mal eben verdoppelt und bieten zu zehnt satte, volle Bandarrangements, die das Zimmer wohltönend füllen. Irische, schottische und amerikanische Balladen rund um die Seefahrt, das Unterwegssein und die Arbeit, aus der Bandgeschichte ebenso wie neu im Repertoire, sind vor allem etwas für Freunde getragener und deftiger Lieder ohne Effekthascherei und Hörer mit Gehör für Feinheiten und Spielgenauigkeit. Exotisch wirkt da geradezu das nach einer Kantele klingende Hackbrett Martin Czechs im Intro zu Road To Bangor, das dem Rezensenten finnische Wälder vor den Augen erscheinen lässt, oder die portugiesische Melodie namens La Bruxa. Ansonsten aber dominieren die Songs, fast ausnahmslos aus Männerkehlen, wäre da nicht Anke Morhaus als Gastmusikerin bei zwei der Tracks. Ein solides und sehr schönes Folkalbum! Und wem das gefällt, der wird auch die Rambling Rovers mögen siehe Kurzschluss.
Michael A. Schmiedel
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JAN CORNELIUS
Spöölwark
(Artychoke Artist Productions AP-0713-CD, www.jan-cornelius.de
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14 Tracks, 57:11, mit plattdt. Texten und Infos
Wenn einer seit vierzig Jahren auf der Bühne seht, seit fünfunddreißig Jahren Tonträger veröffentlicht und obendrein sein sechzigstes Lebensjahr vollendet das ist schon ein Jubiläumsalbum wert. Es war dabei für Jan Cornelius ein Anliegen, die unterschiedlichen Facetten seines Wirkens als plattdeutscher Singer/Songwriter darzustellen. Auf Spöölwark sind daher neben neuen Liedern des ostfriesischen Liedermachers auch Übertragungen aus dem Englischen (Colin Wilkie), Norwegischen (Arne Paasche Aasen) und Niederländischen (Ede Staal) zu hören. Abgerundet wird das Spektrum von Neuaufnahmen einiger älterer Lieder aus der Zeit, als er noch als Jan & Jürn mit seinem Bruder zusammenarbeitete. Zum positiven Gesamtklang der zumeist leisen und besinnlichen Lieder tragen ganz wesentlich die Begleitmusiker Klaus Hagemann und Christa Ehrig bei. Hagemann setzt mit seiner Gitarre immer wieder sparsame aber wirkungsvolle Akzente, Ehrig verleiht den Arrangements mit ihrem Cello, das sie zuweilen auch pizzicato zupft Fülle und Tiefe. Dem Ziel auf seiner langen Suche nach dem endgültigen alternativen Heimatlied ist Jan Cornelius mit Dat büst du schon recht nahe gekommen: Liebevoller kann man seine Region wohl kaum besingen.
Kai Engelke
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DIESELKNECHT
Abgebrannt
(AgrarBerlin ABCD 04/Membran, www.dieselknecht.com
)
12 Tracks, 37:23
Nein, sie singen nicht mehr die Mundorgel rauf und runter. Mit Liedern aus dem roten Heft hatte sich die Dortmunder Band Dieselknecht einmal Aufmerksamkeit verschafft, rotzig-punkig zu akustischem Instrumentarium vorgetragen. Aber das Quartett hat sich entwickelt, ihrem Programm immer mehr eigene deutschsprachige Songs hinzugefügt. Auf ihrem dritten Album, das in Zusammenarbeit mit Roland Heinrich entstanden ist, stehen nun die selbst geschriebenen Stücke im Mittelpunkt: musikalisch im Kosmos von Bluegrass, Folk, Country und Rockabilly unterwegs, textlich ziemlich unpeinlich die Schönheit des Landlebens preisend, den Traktor lobend, nerviges Gequassel kritisierend in einfachen, deutlichen Worten. Die kurzen Tracks atmen weiter den Geist des Punk, obwohl das Banjo den Gruppenklang prägt. Der Großteil der Stücke stammt von Sänger Frank Kleingünther, darunter befinden sich etliche, die das Zeug haben, zu Mitsingklassikern zu werden. In diese Richtung entwickelten Dieselknecht auch Wir saßen in Johnnys Spelunke einen Schlager aus dem Jahr 1932, dem sie gehörig Energie zuführen. Da stimmen wir alle ein: In Nishni Nowgorod, da gibts nur Salz aufs Brot, das macht die Wangen rot!
Volker Dick
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ENTZÜCKLIKA
Zum Wiedersehen
(Entzücklika, www.entzuecklika.de
)
14 Tracks, 61:33, mit dt. Texten u. Infos
Als der Rezensent pubertierte, schien der Kirche die Beatmesse ein probates Mittel zu sein, junges Volk in ihre Veranstaltungen zu locken. Netter Versuch aber immerhin gabs Gigs für Jungcombos, die sich ebenso engagiert wie talentfrei an Child In Time oder Stairway To Heaven versuchten, während der musikalisch versiertere Nachwuchs bei der Wandlung schon mal über Je TAime improvisierte. Auf der Orgel, selbstredend. Heute sind es Menschen wie der Theologe und Liedermacher Alexander Bayer, die für einen Liturgiesoundtrack im Geist der Zeit sorgen. Bayer vertont Fremdtexte (James Krüss), übersetzt Songs (Leonard Cohen oder Cat Stevens) oder übernimmt Lieder, etwa von Gerhard Schöne, gleich komplett in sein Repertoire. Speziell bei seiner Übertragung von Mikis Theodorakis Sto Perigiali To Krifo ist ihm eine ausgesprochen feinsinnige Nachdichtung gelungen, sehr nah am Original und kein Vergleich zu dem Unfug, den etwa Thomas Woitkewitsch 1977 für Milva verbrach. Musikalisch verzichtet Bayer diesmal auf seine eigene Band; stattdessen schöpft er aus einem Pool singender und spielender Gäste. Das sorgt für frischen Wind. Der kann ja nicht verkehrt sein. Auch in der Kirche.
Walter Bast
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FIRST CLASS BLUES BAND
Brand New
(Acoustic Music Records 319.1512.2/RoughTrade, www.acoustic-music.de
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12 Tracks, 49:22
Wer sich solch einen Bandnamen zulegt, hat zumindest kein mangelndes Selbstbewusstsein noch dazu als deutsche Band, die zuletzt in den Neunzigerjahren zwei Alben veröffentlicht hat und sich seitdem eher sporadisch zu Konzertauftritten zusammenfindet. Umso beeindruckender, was die fünf Musiker hier in wenigen Tagen Studioarbeit eingespielt haben das nämlich macht dem Bandnamen alle Ehre! Die Songs wechseln zwischen 1950er-Rhythm-n-Blues, wie man ihn in den Fünfzigern spielte, Rock n Roll, langsamem Blues, Funk und Soul. Alles ist instrumental perfekt gespielt und gesanglich sehr abwechslungsreich, da jeder der fünf Musiker auch einmal für mindestens ein Stück den Gesangpart übernimmt. Christian Rannenberg (Piano, Hammond Orgel), Jan Hirte (Gitarre), Thomas Feldmann (Saxofon, Harmonika), Kevin DuVernay (Bass) und Tommie Harris (Schlagzeug) musizieren als Band geschlossen und aufeinander eingespielt und glänzen in ihren jeweiligen solistischen Momenten durch geschmackvolles und virtuoses Spiel.
Achim Hennes
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SEBASTIAN KRÄMER
Tüpfelhyänen Die Entmachtung des Üblichen
(Reptiphon/Broken Silence 06687, www.sebastiankraemer.de
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22 Tracks, 79:59, mit Texten
Mit nem Unschuldsblick, sanfter Stimme und einschmeichelnder Klavierbegleitung schleicht sich dieser so brav wirkende, wohlgestaltete Schwiegermuttertyp hinterlistig mit seinen Liedern an und säuselt einem jede Menge Ungeheuerlichkeiten ins Ohr. Geheimnisvolles, Irrwitziges, Spinnertes, Frechheiten, Unverschämtes, Hintersinniges, Nachdenkliches, tiefschwarzen Humor, Kluges, Verspieltes, Geschichten aus dem Leben und doch daneben mit all solchen Dingen erfreut der singende und spielende Ausnahmepoet Sebastian Krämer seine Zuhörer. Weil seine Liedergeschichten so unerwartete Wendungen haben, sind sie auch schwer zu beschreiben. Seine Ansprüche an Schokolade, der Weg zum Meer, die unsichtbaren Existenzen oder Flohmärkte im Regen sollen hier nicht näher erörtert werden man muss sie einfach selbst hören. Und damit bei seinen Gedankensprüngen auch mal Zeit zum Luftholen bleibt, wird auf dem Album mittendrin eine dreiminütige Ruhepause spendiert. Auch darauf wie auf seine anderen krausen Einfälle muss man erst einmal kommen. Sein gekonnter und formvollendeter Vortrag rundet den außerordentlich positiven Eindruck dieser überaus skurrilen Produktion aufs Beste ab.
Rainer Katlewski
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RÜDIGER MUND
Kommen und Gehen oder Das Ende ist was für Anfänger
(DMG Germany 54.218138.2/Broken Silence, www.ruediger-mund.de
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12 Tracks, 55:21, mit dt. Texten u. Infos
Rüdiger Mund aus Jena hat seit vielen Jahren in den unterschiedlichsten Bands musikalische Erfahrungen gesammelt. Mit Kommen und Gehen legt er jetzt sein Solodebüt vor und lässt es darauf auch gleich richtig krachen: von Punkklängen und Powerakkorden über Swing- und Shufflerhythmen bis hin zu New-Wave-Klängen ist alles dabei. Sehr sauber abgemischt, die Stimme immer ganz vorne, jedes einzelne Instrument ist bestens auszumachen. Kraftvoll vorwärts treibend wie eine Lokomotive, die sich ihren Weg durch die Weiten der Prärie sucht so kommt die Musik daher. Die gesamte Produktion klingt auf angenehme Weise amerikanisch: locker, entspannt, fließend. Die Banjo- und Slide-Einsprengsel verstärken diesen Eindruck. Sämtliche Lieder handeln vom ewigen Kampf der Geschlechter. Doch egal, ob Rüdiger Mund über unerfüllte Liebe, trotzigen Schmerz, Abschiede, Sehnsucht oder emotionale Verwirrung singt stets klingt er unverkrampft und lässig, sein offensichtlicher Spaß an dem, was er tut, überträgt sich direkt auf den Hörer. Ein Album, das aufs Angenehmste aus dem Wust der Mittelmäßigkeit herausragt.
Kai Engelke
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ANDREA SCHROEDER
Where The Wild Oceans End
(Glitterhouse GRCD 776/ www.andreaschroeder.com
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10 Tracks, 40:27, mit Texten
Andrea Schroeder ist die Reinkarnation von Nico. Anders kann man sich die Klangfarbe dieser Stimme kaum erklären. Andere denken generationsbedingt eher an Nick Cave so oder so: Auch das zweite Album von Andrea Schroeder gehört gehört! Auf neun Eigenkompositionen raunt die Ausnahmesängerin ihre Wahlheimat Berlin ins Mikro, verleiht der Hauptstadt damit einen dunklen erotischen Charme, dem man sich als Hörer nur schwer entziehen kann. Die Clubs, in denen diese Stimme zu Hause ist, werden wohlerzogene Menschen wohl meiden. Aber die einsamen Wölfe werden sich hier sammeln und ihre Wunden lecken, während sie sich von Ghosts Of Berlin verzaubern lassen. Und weil selbst Wünsche von Hörern einmal in Erfüllung gehen, die Andrea Schroeder bereits kennen, präsentiert die Künstlerin mit Helden auch noch die deutsche Fassung des David-Bowie-Klassikers Heroes vermutlich die einzige Version, die dem Original ebenbürtig ist. Andrea Schroeder singt, wie Hildegard Knef heute singen würde. Die Begleitkapelle klingt intelligent düster gruftig, wie Crime and the City Solution in ihren besten Zeiten. Sollte Wim Wenders noch einmal Der Himmel über Berlin drehen hier wäre ein Kandidat für den Soundtrack.
Chris Elstrodt
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JÜRGEN SCHWAB
Luftschlösser
(Jazznmore Records JNM 1004/Bellaphon, www.juergenschwab.de
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11 Tracks, 52:13
Jürgen Schwab ist ein studierter Gitarrist mit Schwerpunkt Jazz. Er sieht sich als Musiker, und Musikwissenschaftler. Sein Instrumentalspiel ist nuanciert und souverän doch sein Gesang wirkt zunächst arg zurückgenommen, geradezu bescheiden, fast, als sei es ihm unangenehm, seine kunstvollen Gitarrenklänge durch seine Stimme womöglich in ihrer Wirkung herabzumindern. Der Eindruck verblasst beim mehrmaligen Hören des Albums zunehmend, Gitarre und Stimme verschmelzen zu einer harmonischen Einheit, alles hat seine Richtigkeit. Bundloser Bass und Sopransaxofon setzen wohldosierte Akzente, die der positiven Wirkung insgesamt sehr zugutekommen. Das inhaltliche Spektrum ist weit: Nachdenkliche Kindheitserinnerungen (Schwarzweiß) stehen neben emotionalen Naturbetrachtungen (Inmitten der Lagune), auf hoffnungserfüllte Wunschvorstellungen (Ein neuer Frühling) folgt eine pointierte Satire im Talking-Blues-Stil (Waschmaschinen). Und das eindrucksvollste Lied des Albums ist sicherlich eine Hommage an Fritz Rau, den kürzlich verstorbenen legendären Konzertveranstalter und Freund (So Long, Fritz). Ein Album auf musikalisch und textlich gleichermaßen hohem Niveau. Hat man nicht oft.
Kai Engelke
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SIMIN TANDER
Where Water Travels Home
(Jazzhouse Records JHR 090/In-akustik, www.simintander.com
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13 Tracks, 57:04, mit engl. Infos
Gleich mit dem ersten Titel dieses Albums wird dem Hörer illustriert, wie wenig fassbar zu machen ist, wo die Musikalität der Sprache endet und die Poesie des Klangs beginnt: Yau Tar De Grewan, nach einem Gedicht in Paschtu, arrangiert von Sängerin Simin Tander selbst, begleitet von filigranem, einfühlsamem Piano, fantasievollem Kontrabass und behutsamer Percussion. Auch wenn von meinem Leben nur ein Atemzug bliebe, wie es dort in der Übersetzung heißt, formte ich ihn zu einem Vers der Deutsch-Afghanin gelingt es mit dieser Produktion, über dreizehn Stationen eine Art innerer Reise durch die Gedanken- und Gefühlswelt der Tochter eines afghanischen Journalisten und einer deutschen Lehrerin zu beschreiben, die Suche nach Wurzeln, nach Identität und Brücken zwischen Morgen- und Abendland. Es ist nur folgerichtig, dass sie dabei mit schlafwandlerisch anmutender Sicherheit zwischen modernem Jazz und orientalischer Ornamentik wechselt, zwischen experimentellem Songwriting, Chanson und intimer Ballade, darüber hinaus ebenso mit expressiver Ausdruckskraft der Stimme wie mit betörender Zartheit aufwartet und bei beiden Varianten völlig authentisch bleibt. Musik von Welt im besten Sinne des Wortes.
Cathrin Alisch
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FOLKER auf Papier
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