FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA/ KANADA


THE COLORADAS
Big Empty

(Hometown Caravan HTC040/Cargo Records, go! www.thecoloradas.com )
13 Tracks, 48:09

Verhalltes und verhaltenes Banjopicking, eine Gitarre und ab und an eine Mandoline, dazu ein- bis zweistimmiger Gesang: Das Duo aus Roy Davis und Bernie Nye braucht nicht viel, um Stimmungen zu zeichnen und Geschichten zu erzählen. Alles klingt sehr reduziert und intim, gemixt aus Elementen von Folk, Blues, Old-Time, Ragtime und Western Swing. Trotz der tendenziell dunklen Atmosphäre zeigt sich, dass hier keine reinen Melancholiker am Werk sind. Immer wieder schimmern Humor und Gelassenheit aus den Textzeilen, selbst wenn es wie in „Well Worn Trail“ um den traurigen Kreislauf des Lebens geht und die Abgründe gegenwärtig bleiben. So singen The Coloradas im Titelsong davon, dass die große Leere immer und überall gähnt – dies aber möglicherweise auch der Grund dafür ist, warum die Vögel hoch über der Tiefe so schön singen. Unterstützt werden die beiden Musiker aus Portland im US-Bundesstaat Maine gelegentlich von Mandolinenvirtuose Joe Walsh, der markante Akzente setzt. Die prägenden Riffs und Linien aber kommen vom Banjo, das weite Räume ausfüllt und melodisch prägnant das Gitarrenpicking umfließt. So wird auch das zweite Album der Coloradas zu einem „stillen“ Genuss.

Volker Dick

 

THE COLORADAS – Big Empty


CHRIS ECKMAN
Harney County

(Glitterhouse Records GRCD 785/Indigo, go! www.chriseckman.net )
8 Tracks, 44:34, mit engl. Texten u. Infos

The Walkabouts, Chris & Carla, Dirtmusic – und nun stellte sich dieser Meister der Kooperation wieder einmal solo und fast ganz allein vor das Mikrofon. Harney County, das Chris Eckman hier besingt, ist eine kaum bevölkerte Landschaft in Oregon, die hauptsächlich von der Holzindustrie lebt und darüber hinaus die Heimat des Schriftstellers William Kittredge ist. Dessen Buch Owing It All, in dem er die hemmungslose Ausbeutung der Natur anprangert, übt eine ganz besondere, geheimnisvolle Anziehungskraft auf Eckman aus. Immer wieder sei er seit der ersten Lektüre dorthin gepilgert. Zusammen mit dem Kontrabassisten Žiga Golob stellte sich Eckman für zwei Tage in ein riesiges Tonstudio in Prag, um dem Landstrich musikalisch ein Denkmal zu setzen. Die Verlorenheit, die Eckman im Studio zeitweise fühlte, passte gut zu den Songs, die er im Gepäck hatte, sagt er. Gleichwohl findet darunter auch die Coverversion der wohl ursprünglich aus Schottland stammenden Ballade „Catie Cruel“. Was wohl eine Referenz an die Besiedlungsgeschichte des Landstrichs ist. Sparsam und zurückhaltend fängt das Album den Klang einer Landschaft ein, die in Gefahr ist, vom Menschen vollkommen zerstört zu werden.

Michael Freerix

 

CHRIS ECKMAN   – Harney County


RADICAL FACE
The Family Tree Presents The Roots

(Nettwerk Productions 5037703095328/Soulfood, go! www.radicalface.com )
Promo-CD, 12 Tracks, 44:49

Musizieren und Geschichten erzählen. Das passt seit jeher zusammen, ob im mittelalterlichen Italien, wo die Dramen griechischen Vorbilds mit musikalischer Untermalung zur Oper wurden, oder in den folkloristischen Gesängen Irlands, die kühne Helden der Vergangenheit besingen. Die Synthese stammt aus Zeiten, in denen Geschichten und musikalische Spektakel nicht nur Zerstreuung, sondern auch Trost boten oder dem Traum von einem besseren Dasein Ausdruck verliehen. Ben Cooper alias Radical Face vertont seine fiktive Familiengeschichte aus dem Amerika des neunzehnten Jahrhunderts mit schlichten Singer/Songwriter-Melodien der Moderne und nähert sich dem diffizilen Sujet mit ehrfürchtiger Vorsicht und einem Gespür für dramaturgische Abläufe. Für das erste Album der geplanten Trilogie verwendet er über weite Strecken nur vier Instrumente, die es in der Ära gab, in der seine Familiensaga spielt, und erleichtert dem Hörer so den Zugang zu den Kurzepisoden. Vorstellungskraft braucht es trotzdem, und das ist das Schönste an diesem Album, das sich nicht aufdrängt und sich in seiner reduzierten Form – in wahrer Meisterschaft im Geschichtenerzählen – erst bei genauem Hinhören auf feine Untertöne erschließt.

Judith Wiemers

 

RADICAL FACE – The Family Tree Presents The Roots

Update vom
09.02.2023
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