EDITORIALLiebe Musikfreundinnen und -freunde, das neue Jahr steht unter keinem guten Vorzeichen in Sachen Folk, Lied und Weltmusik. Zumindest nicht im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die seit Jahren stattfindende schleichende Privatisierung der ARD-Hörfunksender hat mit der Wahl der neuen WDR-Hörfunkredakteurin Valerie Weber einen neuen Höhepunkt erreicht. Nachdem beim Flaggschiff der deutschen Rundfunklandschaft schon in der jüngsten Vergangenheit vor allem Kolleginnen und Kollegen von Privatsendern als Moderatoren eingekauft wurden, erobern die Privaten jetzt auch die Leitungspositionen. Weber war Programmdirektorin bei Antenne Bayern, einem Sender, der für Marketingaktionen und Gewinnspiele steht. Für WDR-Intendant Tom Buhrow kein Hindernis, seine Wunschkandidatin durchzusetzen. Auch gegen den Widerstand im eigenen Haus über einhundertfünfzig Mitarbeiter schickten einen Protestbrief an Buhrow.
Diese personellen Entscheidungen gehen einher mit inhaltlicher Verflachung des Programms, die von den jeweiligen Verantwortlichen als Reformen verkauft werden. So wird die Abschaffung der Sendung Musik der Welt im Hessischen Rundfunk zu Beginn des Jahres von der HR-Pressestelle so begründet: Ziel unserer Veränderungen ist es, zu guten Hörzeiten kulturell offenen Menschen anregendes und entspannendes Radio zu bieten, das sich von populären Magazinwellen deutlich unterscheidet. Und weiter heißt es in der Antwort auf eine Folker-Anfrage: Weltmusik hat im Programm von hr2-kultur einen hohen Stellenwert, künftig werden wir sogar noch mehr Weltmusik im Tagesprogramm spielen. Eine verführerische Formulierung. Mit ihr wird die Tatsache verschleiert, dass es keine Themensendungen mit Tiefgang mehr gibt. Weltmusik wird als Farbe und nicht mehr mit Substanz präsentiert. Es heißt, dass der Sender in Zukunft Radio als kultivierter Tagesbegleiter machen will. So ein Geschwafel kann sich nur eine von
unseren Gebühren bezahlte PR-Firma ausdenken. Im Klartext heißt das nämlich nichts anderes, als dass Musik bei der täglichen Arbeit nicht stören soll. Oder wie es die Programmleitung vom Deutschlandradio-Internetsender Dradio Wissen formuliert: Man wolle ein Musikprogramm, das ohne Beipackzettel auskommt! Daher ist bei Dradio Wissen auch Anfang dieses Jahres Schluss mit einem Musikprogramm, das unter der Gesamtüberschrift Lärm so kenntnisreiche Kollegen wie Alan Bangs im Programm hatte. Eine ähnliche Entwicklung gibt es von Radio Bremen zu berichten, wo dem Vernehmen nach Autorensendungen auf Null gefahren werden sollen.
Ihr Folker-Chefredakteur PS: Wer im Dezember die Berichterstattung von Nelson Mandelas Tod aufmerksam verfolgt hat, kann angesichts der in vielen Nachrufen zum Ausdruck gekommenen Heuchelei und Doppelmoral vor allem im Land der Freien und Mutigen nur den Kopf schütteln. So gab Bill Keller in der New York Times, dessen Chefredakteur er von 2003 bis 2011 war, vor allem der Tatsache breiten Raum, dass Mandela Mitglied der Kommunistischen Partei war. Gleichzeitig hob er entgegen bekannter Dokumente hervor, dass der Vorwurf, die CIA habe eine Rolle dabei gespielt, den heute als Helden gefeierten Südafrikaner ans Messer des Apartheidregimes zu liefern, unbewiesen sei. Unerwähnt blieb in den Massenmedien auch, dass das Konzert zum siebzigsten Geburtstag Mandelas 1988 in London in den USA nur in zeitversetzter, zensierter Form zu sehen war. Mit Hilfe der BBC schnitt die Fernsehgesellschaft Fox nicht nur Redebeiträge, sondern auch Musikstücke aus der Übertragung. Darunter Steven Van Zandts Version von Sun City. Fox nahm Rücksicht auf seine konservativen Sponsoren wie etwa Coca-Cola. Man ging sogar soweit, Künstler wie Whoopi Goldberg ausdrücklich davor zu warnen, politische Aussagen auf der Bühne zu machen, da in den USA Wahlen anstünden. So sehen Demokratie und Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten aus! Die Rolle, die Deutschland damals spielte, war allerdings auch nicht besser. Die damalige SPD/FDP-Bundesregierung gab in den Siebzigerjahren eine Broschüre für die Presse heraus, in der sie behauptete, Mandelas ANC sei ebenso wie die bundesdeutsche Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) von Moskau gesteuert. Solche Informationen sucht man vergeblich auch in den in Deutschland veröffentlichten Nachrufen. Wer Mandela also wirklich ehren will, hat noch was zu tun, schrieb der Grünen-Politiker Martin Böttger in einem Kommentar für das Webmagazin Ruhrbarone>. |
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