FOLKER – Rezensionen

Rezensionen DEUTSCHLAND


ROBBY BALLHAUSE
Greengrass

(Eigenverlag, go! www.robbyballhause.de )
15 Tracks, 51:49, mit Texten

Es gibt sie noch, die kleinen Wunder aus der Eigenproduktion. Formell am ehesten beim Irish Folk einzusortieren, spielt und singt Robby Ballhause mit spitzbübischem Grinsen alles, was ihm in die Quere kommt. Das darf auch mal Americana sein, wäre selbst mal als Vorlage für einen guten Rocksong von Tom Petty geeignet. Der Gitarrist aus Hannover gehört zu diesen unbekannten Helden, die alle paar Jahre ein Schatzkästchen von Album auswerfen, aber damit nie den großen Treffer landen. Das wird auch mit Greengrass nicht gelingen – auch wenn die Platte echte Fans haben wird. Die Produktion ist hochkarätig – kein Wunder, verdient Ballhause sein Geld doch auch mit seinem Tonstudio. Die musikalischen Mitstreiter – etwa Guido Plüschke an der Bodhrán – sind sorgfältig ausgewählt, jeder einzelne Track sorgt für gute Laune und Sonne im Herzen. Die Songs sind ausnahmslos Eigenkompositionen, spielen alle bequem in einer Liga mit dem Material von Bands wie Four Men and a Dog. Die Mischung von charismatischem Gesang und brillantem, aber unaufdringlichem Gitarrenspiel zündet bei jedem Titel wieder. Mit Künstlern wie Robby Ballhause braucht sich Deutschland auf dem Celtic-Folk-Sektor nicht zu verstecken.

Chris Elstrodt

 

ROBBY BALLHAUSE  – Greengrass


TILMAN BIRR
Die Gesellschaft verurteilt so was schnell

(Ein Lächeln, go! www.tilmanbirr.de )
10 Tracks, 49:53, mit dt. Infos

Tilman Birr ist Slampoet, Buchautor, Kabarettist, Comedian und Liedermacher – ein richtiges Multitalent also. Seine Lieder – fast ausschließlich mit Gitarre, Stimme und Bass intoniert – sind erfreulich frei von vermeintlichen Patentlösungen anstehender Globalprobleme und küchenphilosophischem Weltschmerzgejammer. Dafür reichlich gewürzt mit Witz und Ironie sowie einer gehörigen Portion schrägem Gedankengut. So findet er im Dampfbad die plausible Erklärung für die faschistoide Blödheit seines Nachbarn und für die Abneigung gegenüber seiner ehemaligen Französischlehrerin („Saunalied“). Amüsiert betrachtet er die Marotten seiner Mitmenschen auf einer „Scheißparty“, um sich fluchtartig abzusetzen. Im Stil von Reinhard Mey sinniert er über ein „Berlin ohne Berliner“, und geradezu lustvoll lässt er sich in einem siebeneinhalb Minuten dauernden Talking Blues über die drakonischen Strafen aus, die er Menschen angedeihen lassen möchte, die seinen Vornamen verkehrt schreiben („Die Ballade vom Vornamen“) – herrlich! Ein neuer Ton im zuweilen öden Konzert der Liedermacher.

Kai Engelke

 

TILMAN BIRR  – Die Gesellschaft verurteilt so was schnell


KLAUS EBLING
Diatomatique

(Leiselaut LLCD 1-025, go! www.klausebling.de )
15 Tracks, 47:28

Diese Veröffentlichung ist eine Herzensangelegenheit. Der Akkordeonist Klaus Ebling hat auf seinem ersten Soloalbum drei Handvoll Stücke zusammengestellt, die für ihn eine persönliche Bedeutung haben. Kompositionen für die neu geborenen Kinder, zum Geburtstag des Vaters, der aber vorher starb, und viele Stücke, die nicht den Weg ins Repertoire seiner Bands fanden. Klaus Ebling ist nämlich kein Anfänger, sondern spielt schon lange in der Tom Bombadil Folkband und der Tanzcombo Pas de Quoi. Er ist auch Chef des kleinen Folklabels Leiselaut. Und nun hat er dort dieses sehr schöne Album in eigener Sache produziert. Mit schwungvollen An Dros und traurigen Walzern. Meist spielen auf dem sparsam instrumentierten Album nur zwei Akkordeons, ein diatonisches Knopfakkordeon und ein chromatisches Pianoakkordeon. Daher auch der Titel des Albums: Diatomatique. Geschmackvoll auch das Cover, das eine Zeichnung seiner Tochter Emma zeigt. Zu sehen ist natürlich ein Akkordeon.

Christian Rath

 

KLAUS EBLING – Diatomatique


WOLFRAM HOCHSTETTER
Circular Songbook

(Chaos CACD8375, go! www.wolfram-hochstetter.de )
17 Tracks, 52:41, mit engl. Texten und Infos

Im Zivilberuf ist Wolfram Hochstetter Sprachtrainer – im musikalischen Paralleluniversum ein begnadeter Virtuose am 5-String-Banjo, versierter Gitarrist und Sänger. Erste Schritte auf dem Banjo in der Frailingtechnik erlernte er bei der legendären Hedy West. Seine Inspiration sind Pete Seeger und Woody Guthrie, sein Repertoire reicht von Appalachian Mountain Ballads über Old-Time Country Songs bis zu zeitgenössischen Songwritern. Nun legt Hochstetter ein Album mit seinen Herzensliedern des American Folk vor. Muss man etwas Besonderes zu bieten haben, wenn man sich traut, so bekannte Stücke wie Woody Guthries „Pastures Of Plenty“ oder Goebel Reeves „Hobo’s Lullaby“ und eher abgenutzte Traditionals wie „Skip To My Lou“ aufzunehmen? Nicht, wenn man diese Songs so brillant und kompetent zu spielen weiß wie Hochstetter. Konventionell, aber authentisch. Unterstützt wird Hochstetter von dem virtuosen Fingerstylegitarristen Uwe Zeeb und dem Amerikaner Mark Stoffel, einem Mandolinenpicker der Extraklasse. Das Album ist schlicht ein Genuss. Hochstetter überzeugt in dieser exzellenten Produktion mit seiner warmen Stimme auch, wenn er sich nur mit dem Banjo oder der Gitarre selbst begleitet.

Ulrich Joosten

 

WOLFRAM HOCHSTETTER – Circular Songbook


KNAKL
Meeting Moishe

(Eigenverlag, go! www.knakl.com )
24 Tracks, 61:00, mit ausführlichen dt./engl. Infos

VASAGE KLEZMER TRIO
3 Instruments 3 Voices

(Eigenverlag, go! www.vasageklezmertrio.com )
8 Tracks

Moishe Beregovskii (1892-1961), Musikethnologe in der Ukraine, widmete sein wissenschaftliches Leben besonders der Musik der osteuropäischen Juden. Soweit es die sowjetpolitischen Verhältnisse zuließen – er war unter anderem nach Sibirien verbannt –, hat er umfangreiche Feldforschungen angestellt und auf 700 phonographischen Zylindern aufgezeichnet. Von seinem geplanten Werken ist 1934 nur Teil 1 erschienen. Seine in der Sowjetzeit verschollenen Arbeiten sind in der politischen Tauphase wieder aufgetaucht und in der Vernadsky-Nationalbibliothek Kiew katalogisiert. Vanessa Vromans (v, voc) und Georg Brinkmann (cl, voc, p) haben sich mit großem Respekt und mit Feinfühligkeit der Musik dieser Sammlung genähert. Entstanden ist eine geradezu kammermusikalische Reise durch Klezmermelodien und jiddische Lieder. Die Kenntnis jüdischer Spielweisen, die solistische Freude an überlieferten Stücken mündet in inspirierte Improvisation. Ein nachdenkliches, gefühlvolles Album, fernab jeglicher Klezmerparty. Zusammen mit der Akkordeonistin und Sängerin Sanne Möricke bildet das Duo außerdem das Vasage Klezmer Trio, welches ebenfalls im vorigen Jahr acht Klezmerstücke auf das Album 3 Instruments 3 Voices gebannt hat. Dieses kleine Werk zeichnete sich durch ähnliche Qualität und Anspruch aus, dank der dritten Musikerin mit zusätzlicher Farbenfreude.

Jürgen Brehme

 


MANFRED MAURENBRECHER
No Go

(Reptiphon, Broken Silence 06686, go! www.maurenbrecher.com )
13 Tracks, 50:08, mit dt. Texten u. Infos

Manfred Maurenbrecher ist ein Geschichtenerzähler, ein Fabulierer, der ganz offensichtlich aus dem Vollen schöpft, reich gesegnet mit immer neuen Ideen. Dabei verbindet er akribische Beobachtung mit Witz und Ironie, Anklage und Spott, Mitgefühl und Sensibilität. Seine Art zu interpretieren – er spricht ja mehr, als dass er singt – ist originell und unverwechselbar. Sei es Zufall oder Kalkül – Maurenrecher hat mit Andreas Albrecht (Schlagzeug), Marco Ponce Kärgel (Gitarren) und Tobias Fleischer (Bässe) ein paar Musiker um sich geschart, die seine subtilen Songs in ganz besonderer Weise bereichern und begleiten, im Grunde erst ermöglichen. Gemeinsam mit Maurenbrecher am Digitalklavier kreieren sie einen rauen, ungeschliffenen, geradlinigen Klang, der stellenweise etwas an Tom Waits erinnert. Der bewusste Verzicht auf musikalische Mätzchen verstärkt die Wirkung der Songs ganz ungemein. Das kleine Lied „Mond aus Papier“ ist ein schönes Beispiel dafür, wie im Detail das Ganze enthalten ist. „Naumburg“ ist eine meisterhafte Momentaufnahme voller Empathie. Erfrischend die Version des Volksliedes „Freut euch des Lebens“. No go insgesamt strotzt vor Kraft und ungezügelter Energie.

Kai Engelke

 

MANFRED MAURENBRECHER – No Go

Update vom
09.02.2023
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