EDITORIALLiebe Musikfreundinnen und -freunde, fast wären wir zum Fachmagazin für Chöre geworden. Eigentlich sollten nach dem Odenwälder Shanty Chor die Sängerinnen von The Bulgarian Voices Angelite das Titelblatt zieren. Wir haben jedoch mit Blick auf die jüngsten Wahlen in Italien und ihre Nachwirkungen kurzfristig beschlossen, mit Daniele Sepe einen italienischen Musiker in unserer Titelgeschichte zu porträtieren. Sepe bringt seine Gesellschaftskritik so auf den Punkt: Bankräuber sein ist ein ehrlicherer Beruf als Bankenverwalter. Für den Neapolitaner ist Italiens Interimsministerpräsident Mario Monti fast noch gefährlicher als Silvio Berlusconi, da er die Interessen der Weltfinanz und der internationalen Freimaurerei vertrete. Mit der Geschichte über Daniele Sepe steigen wir in dieser Ausgabe auch in die (Vorab-)Berichterstattung vom TTF Rudolstadt ein, wo er im Juli zusammen mit der Brigada Internazionale auftritt einem Musikerkollektiv, bestehend aus zwölf Musikern aus Italien, Kuba, Schweden, Rumänien, Tunesien, Brasilien und Argentinien. Weitere Festivalthemen sind dieses Mal der Instrumentenschwerpunkt Flöte in unserer Reihe Instrumente der Welt und ein Porträt des englischen Folk-Senkrechtstarters Sam Lee. Die Frage, wie das T in das TFF Rudolstadt kam, wird einem Gespräch mit Sigrid Doberenz und Matthias Weyrich zwei für den Tanz beim Festival verantwortliche Mitarbeiter sowie mit der Tanzpädagogin Eva Sollich beantwortet. Für ihr engagiertes Lebenswerk erhält die langjährige Leiterin des Tanzhauses Benshausen in diesem Jahr eine Ehren-Ruth.
Die weiteren Themen reichen in diesem Heft vom freundlichen Bürgerschreck Jens-Paul Wollenberg über die Neuen Wiener Concert Schrammeln bis hin zur entstaubten schwedischen Folklore mit Lyy und dem unermüdlich aktiven Heinz Ratz, der sich auf seinem neuen Album mit Hilfe von Alter Ego Billy the Kid deutlich rockiger als bislang von ihm und seiner Band Strom & Wasser gewohnt gibt. Schließlich erinnern wir noch an den Rockpoeten Gerhard Gundermann, der vor fünfzehn Jahren verstarb. Und an Chiles wichtigste Stimme. Víctor Jara, dem im Februar ein Schwerpunkt beim diesjährigen Festival Musik und Politik in Berlin gewidmet war (s. dazu auch den Ortstermin), wurde im 1973 von Pinochets Junta ermordet.
Ihr Folker-Chefredakteur PS: Ich weiß, es gibt den einen oder die andere unter unseren Lesern, denen mein kritischer Umgang mit den Mächtigen im Land der Freien und Mutigen nicht so recht gefällt. Aber die Vorlagen, die täglich mit Geschichten nach dem Motto Nur in den USA geliefert werden, muss ich als Journalist einfach aufgreifen. Tut ja sonst keiner. Hier ist ein Beispiel aus der Rubrik Gesundheitssystem. Im US-Bundesstaat Tennessee wird zwei Mal im Jahr eine Lotterie abgehalten, bei der kranke Bürger, die sich ihre Arzt- und Medikamentenkosten nicht leisten können, Hilfe bekommen können. Zweitausendfünfhundert Plätze werden jeweils angeboten in einem Zeitfenster von wenigen Stunden, in denen eine bestimmte Hotline angerufen werden kann. Innerhalb von einer Stunde waren sie dieses Mal vergeben. Wer nicht durchkam, hat eben Pech gehabt. So sieht Freiheit in den Vereinigten Staaten aus. Besser lässt sich das menschenverachtende System des Landes nicht auf den Punkt bringen. Bemerkenswertes gibt es auch vom Heimatschutzministerium zu berichten. Bei der Einreise in die USA zur Oscar-Verleihung wurde der palästinensische Regisseur Emad Burnat (5 Broken Cameras) am Flughafen in Los Angeles mit seiner Familie festgehalten und nach eigenen Angaben eineinhalb Stunden verhört worden. Die Beamten hätten ihm nicht glauben wollen, dass er für einen Oscar nominiert worden sei. Erst sein Filmemacherkollege Michael Moore habe ihn dann aus der Situation gerettet. Einen Kommentar ersparen Sie mir sicher. |
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