HALBMASTWOLFGANG GROBE
11.3.1940 in Berlin Auch schon zu Zeiten der BRD lag das Saarland erst seit 1959 vollständig als neues Bundesland akzeptiert an der Peripherie. Viele potenzielle Künstlerinnen und Künstler fuhren bei ihren Konzertreisen schlichtweg stets an der Saar vorbei. Diese Tatsache schien einen Folkie wie Wolfgang Grobe gewurmt zu haben. Er begriff es als Mission, die Großen der Kleinkunst wie ein Flyer aus den frühen Siebzigerjahren verhieß ins Saarland zu lotsen, genauer in seine Kneipe Smugglers Inn in Dudweiler, seit 1962 Kleinstadt (davor jahrzehntelang das größte Dorf Europas mit damals knapp dreißigtausend Einwohnern). In der Tat schaffte es Grobe, Stars und Sternchen der deutschen Liedermacher- und internationalen Folkszene ins Saarland zu holen. Die Liste der Duos und Solisten, die im Smugglers Inn auftraten, ist lang. Hier nur einige Top-Namen: Hannes Wader, Reinhard Mey, Hanns Dieter Hüsch, Hein & Oss Kröher Anzeichen dafür, dass Grobe sehr stark von der Waldeck geprägt war , Alan Stivell, Guy & Candy Caravan, John Pearse, Eddie & Finbar Furey, Derroll Adams, Alex Campbell
Anfang der Achtzigerjahre ergab sich die Möglichkeit, den Konzertschwerpunkt in die Saarbrücker City zu verlagern, und zwar in das legendäre Barrelhouse. Mit seinem Kumpel Franz Walter Freudenberger gründete Grobe den Förderverein Musik- und Kleinkunst Podium Barrelhouse e. V., der sich zur Aufgabe machte, Interpreten und Laien vorrangig des Saarbrücker Raumes zu fördern und sich der Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit anderen gleichgesinnten Personen im In- und Ausland zu widmen. Folglich fanden endlich regionale Künstler eine Bühne für ihre Auftritte. Und manche nutzten schließlich das Barrelhouse als Sprungbrett für den Rest der Republik: An Erminig, Espe, Michael Marx und auch Gerd Dudenhöffer (alias Heinz Becker). Gleichwohl traten weiter auch internationale Größen auf wie z. B. Christy Moore oder Robin Williamson, und dank der relativ großzügigen Bühne auch Bands um nur einige zu nennen: The Bothy Band, Tannahill Weavers, Battlefield Band, Ar Sonerien Du, Mákvirág.
Roland Schmitt DIETRICH KITTNER
30.5.1935, Oels (heute Olesnica, Polen) Das ist nur eine Pause, versicherte er noch bei unserem letzten Telefonat vor wenigen Wochen, selbstverständlich werde ich auf die Bühne zurückkehren, anderes würde ich nicht aushalten. Protest gegen Militarismus und soziale Ungerechtigkeit war ihm Lebensinhalt, zunächst im Studentenkabarett Die Leid-Artikler, dann mit fast dreißig Soloprogrammen auf ungezählten Tourneen und in seinem eigenen, ständig ausverkauften Theater am Küchengarten in Hannover. Lange spielte Dietrich Kittner rund zweihundert Vorstellungen pro Jahr, doch er mischte sich nicht nur von der Bühne herab ein. So setzte er sich mit Gasmaske in ein Café, um gegen den Wahnsinn atomarer Bewaffnung zu protestieren und gegen den nicht minder großen Wahnsinn, zu glauben, man könne sich vor den damit verbundenen Gefahren schützen. Diese Aktion endete mit einer Festnahme auf offener Straße. Vom bundesdeutschen Fernsehen wurde er bald ignoriert, der Hörfunk öffnete ihm nur selten die Studiotüren. Dennoch sprach und sang der Mann mit Gitarre und Schiffermütze frei heraus, was ihn bewegte. Dass dabei oft die Grenze zwischen Kunst und Agitation verschwamm, störte ihn nicht. Wenn er eine Metapher wählte und die Freiheit des Westens mit einem Zigarettenautomaten verglich, folgte in der letzten Strophe verlässlich die Erklärung: Frei wählt nur, wer das Markstück hat. Auf direkten Kontakt zum Publikum musste er in den letzten Jahren wegen einer schweren Erkrankung verzichten. Interviews aber nutzte er weiterhin zur Formulierung radikaler Positionen. Wenn ich einen Schuß frei hätte, sagte er 2011 dem verblüfften Autor dieser Zeilen ins Mikrofon, dann würde ich ihn abfeuern als Signal zum Sturm auf Banken. Mit Kittner starb einer der letzten, bei denen solch ein Satz nicht nur bildlich zu verstehen war. Stephan Göritz |
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