Rezensionen DEUTSCHLAND
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ANDREAS ALBRECHT
Tagebucht
(Silberblick-Musik 023/Broken Silence, www.andreasalbrecht.com
)
9 Tracks, 48:37, mit Infos
Loops, eine fräsende Gitarre, vorwärts treibende Beats und eine glasklare Stimme, die Gedankenblitze ins All wirft. So etwas
sprengt das Raster einer Zeitschrift für Folk, Lied und Weltmusik. Vielleicht aber auch
nicht. Handgemachte Musik fängt bei Andreas Albrecht nicht erst bei der Musik an. In
aufwendiger Handarbeit hat er für jede CD zwei Pressholzplättchen zusammengefügt, einzeln
bemalt und nummeriert. Neuartig, anders, etwas unfertig schaut sie aus, die Verpackung.
Genauso tönt die Musik: roh, stark, laut, zart, zerbrechlich minimal. Wer ist der Mann,
der Fragen stellt wie: Wer ist Maus, wer ist Forscher? In der Tagebucht legt Andreas
Albrecht Gefühle offen. Er schreibt nieder, was er sieht, reiht Gedanken an Gedanken,
fügt zusammen, was nicht zusammengehört, dadaistisch, liebevoll, böse. Er gibt viel
preis und am Ende weiß man wenig über ihn. Nähere Hinweise vermittelt Albrechts
Bildprojekt Tagebucht. Dabei entstanden 366 Bilder, jeden Tag eines. Gewissermaßen ein
Art-Brut-Gesamtkunstwerk, das die Neugierde weckt. Ein Blick auf Albrechts Website lohnt
sich. Anspieltipp: Werkzeug der Maschinen hypnotisch.
Martin Steiner
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PETER AUTSCHBACH & RALF ILLENBERGER
No Boundaries
(Ears Love Music elm 8012/Timezone, www.autschbach.de,
www.ralfillenberger.com
)
13 Tracks, 66:42, mit dt. Infos
Kolbe & Illenberger, eine Legende zu den Hochzeiten der akustischen Gitarre in Deutschland. Das Gitarrenduo kreierte seinerzeit einen ganz eigenständigen Sound, der durch das kunstvoll verzahnte Fingerpicking und den intensiven Einsatz von Effekten geprägt wurde. Autschbach/Illenberger, gewissermaßen die Neuauflage des Klassikers, klingt beim ersten Anhören nicht nur ähnlich, sondern wie die Fortsetzung einer Zusammenarbeit, die mittlerweile rund dreißig Jahre zurückliegt. Riesige, sich ins Unendliche erstreckende Landschaften tauchen vor dem geistig-akustischen Auge auf. Musik, die einem Flug gleicht. Repetitive Muster, harmonische Flächen und weite melodische Linien. Der Titel ist ebenso perfekt gewählt wie die Fotos aus Ralf Illenbergers Wahlheimat Sedona, Arizona, wo auch die Aufnahmen zu No Boundaries entstanden. Peter Autschbach, bislang eher als Jazz-/Rockgitarrist in Erscheinung getreten, erfüllte sich mit diesem Duoprojekt einen lange gehegten Wunsch. Und entspricht damit gleichzeitig sicherlich dem eines Publikums, das dieser zeitlosen Musik über Jahrzehnte die Treue gehalten hat. Wobei noch zu bemerken wäre, dass alle Titel des Albums Neukompositionen sind.
Rolf Beydemüller
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BASTIAN BANDT
Stroh aus Gold
(Raumer Records RR 19512/Megaphon, www.bastian-bandt.de
)
12 Tracks, 51:28
Der Albumtitel braucht niemanden als schlechtes Omen beunruhigen. Eher geht die Stoßrichtung umgekehrt Richtung Gold. Früher noch als Sebastian G. Birr unterwegs und im Duo mit Michael Günther dabei 2001 auch bereits vom Folker wahrgenommen ist der gebürtige Schwedter Bastian Bandt nun über ein Tucholsky-Programm mit Jan Mareck und alle Arten von Theaterarbeit bei einem Soloprogramm angekommen. Ein Dutzend enorm suggestiver, ganz natürlich vorgetragener Lieder aus eigener Feder hat der Autor und Sänger dafür gesammelt, voll reicher Melodik, die im Gitarrenduo mit Begleiter Laslo Feher mit der Zeit ordentlich Ohrwürmer brüten. Sein und Sehnen; Bezogenheit und Entrücktheit; Erinnerungen, das Leben ein Rätsel, Entwürfe und alles auf leichten akustischen Füßen: ein Füllhorn zugänglicher poetischer Momentaufnahmen. Schade einerseits, dass die Texte nicht im Druck vorliegen andererseits wird den Liedern so auch nicht ihr Zauber im leicht Ungefähren zwischen nüchterner Betrachtung, nostalgischer Erinnerung und freier Träumerei genommen. Eine Qualität, die beim Musizieren und Singen gar nicht überschätzt werden kann. Zumal, wenn jemand sogar darüber verfügt
Christian Beck
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BINOCULERS
There Is Not Enough Space In The Dark
(Insular No. 1/Cargo Records, www.binoculers.de
)
15 Tracks, 42:39
Nadja Rüdebusch! Diesen Namen sollte man sich merken. Oder vielleicht auch nicht. Denn ihre Musik nimmt sie gar nicht unter eigenem Namen auf, sondern unter dem Etikett Binoculers, das aber für keine Band steht, sondern nur für Nadja Rüdebusch. Die junge Hamburgerin singt, spielt Gitarre, manchmal auch Klavier, Keyboards, Glockenspiel und Harmonium. Befreundete Musiker steuern gelegentlich noch Schlagzeug, Cello und Klarinette bei. Nadja Rüdebusch beweist, dass Musik einfach und doch pfiffig sein kann. Sie hat alle Stücke selbst geschrieben. Ein Album voll einnehmender, wirklich schöner Kompositionen. Kein Krach, nichts Lautes. Sie singt kaum, flüstert eher. Die Musik wirkt sanft, wie hingetupft. Die englischen Texte sind eher lyrisch, wie der Titel des Albums There Is Not Enough Space In The Dark. Es ist ihr zweites Album. Ähnlich war auch schon das Debüt vor zwei Jahren, Every Seamans Got A Favourite Spaceship. Und es wird weitergehen. Rüdebusch hat dafür jetzt ihr eigenes Label gegründet. Hinter der zarten Mädchenstimme verbirgt sich offensichtlich eine zupackende Frau, die ihr Ding gerne selbst voranbringt.
Christian Rath
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RÜDIGER OPPERMANN
The Winding Road
(Klangwelten Records KW 20053/Sunnymoon Distribution, www.klangwelten.com
)
Do-CD, 22 Tracks, 158:00, mit Infos
Endlich veröffentlicht Rüdiger Oppermann wieder ein Album unter eigenem Namen. Aber obwohl
Oppermann draufsteht, ist Klangwelten Festival drin. Alle lieb gewonnenen Bekannten der
letzten Jahre sind wieder an Bord, sei es Faktotum Enkh Jargal, Akkordeonspieler Servais
Haanen oder die Gruppe Dán. Für musikalische Meisterwerke wie das, was insgesamt siebzig
Gastmusiker hier erzeugen, wurde das Wort Weltmusik erfunden. The Winding Road enthält
ausschließlich Eigenkompositionen Rüdiger Oppermanns. Das muss man angesichts der
verschiedenen Musikstile wirklich dazuschreiben. Die Musik ist dermaßen unfassbar
vielfältig, dass man es schlichtweg nicht fassen kann, dass sie aus der Feder eines
einzelnen Musikers fließt. Der Ausflug in den Orient gelingt genauso stilsicher wie die
Begegnung mit dem afrikanischen Kontinent. Der Fusionjazz überzeugt gleichermaßen wie das
Rendezvous mit Nordeuropa. Die CD-Box kommt, wie viele Klangwelten-Produkte, in einer
hochwertigen, liebevoll gestalteten DVD-Aufmachung mit einem umfangreichen Booklet, das
viele Informationen und persönliche Eindrücke des Musikers enthält. The Winding Road ist
ein Fest für die Sinne und ein Geschenk an die Welt. Danke dafür!
Christian Rath
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JOSCHO STEPHAN & HELMUT EISEL QUARTETT
Gypsy Meets The Klezmer
MGL Musikproduktion 1001.120/In-akustik, www.joscho-stephan.de, www.helmut-eisel.de
)
13 Tracks, 60:07, mit dt. u. engl. Infos
Diskriminierung und Ausgrenzung, Flucht und Vertreibung bis hin zur Ermordung waren jahrhundertelang bittere Konstanten in den Familiengeschichten der Juden, Sinti und Roma. Wer ein solches Leben führen muss, singt für gewöhnlich keine lustigen Lieder. Und doch zog in den Phasen der Ruhe und Sesshaftigkeit auch eine gewisse melancholische Heiterkeit in die Musik dieser Völker ein, die wir heute in irischen Balladen ebenso entdecken können wie im spanischen Flamenco oder im Spiel der Blechblaskapellen des Balkans. Nicht wenig aus diesem Fundus fand im 20. Jahrhundert eine neue musikalische Heimat im Jazz, der ja schon immer sowohl expressiv-dramatische Kunst- als auch fröhliche Tanzmusik sein konnte, und dessen Parameter nun um furiosen Klezmerklang und rasanten Sinti-Swing erweitert wurden. Klarinettist Helmut Eisel und Gitarrist Joscho Stephan setzen dieser Tradition nun ein feines Denkmal. Zusammen mit Stephans Bruder Günter an der Rhythmusgitarre und Max Schaaf am Standbass spielen sie sich durch ein schön ausgewähltes Programm von Traditionals, Django-Reinhardt-Klassikern und unvermeidlichen Krachern wie Shalom Secundas Bei mir bist du schön. Und das alles mit Witz und Verve.
Walter Bast
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TANTE POLLY
Herzkotze
(Billboard MCs Music, www.tante-polly.com
)
13 Tracks, 55:25, mit dt. Infos
Für einen Moment war die Wirklichkeit Fantasie / Anstatt der Physik herrschte nur noch Magie / Nichts geschah mehr mit
Notwendigkeit / Keine Gesetze mehr für Raum und Zeit. Der härteste Fakt, den die nicht mehr ganz jungen
Veröffentlichungsdebütanten aus Hamburg-Altona-Nord über sich herausrücken, ist ein charmantes Unfug, unter dem sich auf
ihrer Homepage biografisches Seemannsgarn verbirgt. Herzkotze mit seinem verblüffend reifen, von A bis Z packenden, komplett
eigenen Ton ist dagegen alles andere als Unfug oder gar so eklig wie der Titel klingt vorausgesetzt, man reagiert nicht
gleich mit Brechreiz, wenn Lieder sich in kräftiger Bluesgrundierung drehen; ohn Unterlass von der überwiegenden
Vergeblichkeit allen Liebens und Lebens reden; Dominik Dittrich dies durchaus etwas geschwollen daherzusingen beliebt;
wenn nicht mit einer Coolness anno Tobak von der Sorte, wäre ich gern, schaffe es aber leider doch nicht. Dabei klingen
Tante Polly keineswegs gestrig, denn das Leben geht weiter Und du gehst hinterher / Dir bleibt nicht viel Zeit mehr /
Denn ihm zu folgen fällt dir schwer / Denn es hält nie an / Denn es hält nie an / Und wer nicht folgen kann /
Bleibt auf der Strecke irgendwann
Christian Beck
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VIBRATANGHISSIMO
Ciudades ... Berlin
(Big-Tone-Records BTR 0511/NRW Vertrieb, www.vibratanghissimo.de
)
9 Tracks, 64:44, mit dt. und engl. Infos
Die vorliegende Produktion des Quartetts um den Komponisten und Vibrafonisten Oli Bott ist der Auftakt einer Trilogie, die den Tangometropolen Buenos Aires, Paris und Berlin gewidmet ist. Interpretiert von Viola (Juan Lucas Aisemberg), Piano (Tuyêt Pham), Bass (Arnulf Ballhorn) und Vibrafn (Bott) erklingen nicht nur neue Kompositionen Botts oder Helmut Abels, sondern auch bekannte wie Contrabajeando (Anibal Troilo/Astor Piazzolla) oder Libertango (Piazzolla) in überraschenden Arrangements (Pham, Ballhorn). Zumindest für Tangoeleven sicher nur bedingt tanzbar, ist diese Musik aber insofern Hörgenuss, als die vier Musiker auf elegante und ausgesprochen fantasievolle Weise sehr verschiedene Stilrichtungen zwischen Weltmusik, Jazz und Tango kombinieren und scheinbar leichthin vom ersten bis zum letzten Ton ihr Publikum in Bann ziehen. Rasante Tempi und jazzige Improvisationen über Klavier und Vibrafon wechseln mit überraschendem Kontrabasssolo und zeitlos schmachtender Bratsche. Das Quartett streift das Vertraute, fällt aber nicht in die Falle der Klischees, lässt jedem der vier Instrumente gleichwertig Raum und präsentiert auf hervorragende Weise Tango Nuevo à la Berlin.
Cathrin Alisch
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HANNES WADER/KONSTANTIN WECKER/FRANZ JOSEF DEGENHARDT/GEORG DANZER/LUDWIG HIRSCH
Wader & Wecker & Degenhardt & Danzer & Hirsch Die Liedermacher
(Pure/Universal UPC 06007 5340047 0/Universal,
www.scala-kuenstler.de
, www.wecker.de
,
www.franz-josef-degenhardt.de
, www.georgdanzer.at
, www.ludwighirsch.at
)
5 CDs, 88 Tracks, 403:41, mit Infos und dt. Texten
Was die eher jugendlich anmutenden Coverporträts spontan vermuten lassen, bestätigt sich beim Blick auf die Auswahl der Lieder: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, stammen die Aufnahmen aus den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Mehr als zwei Dekaden künstlerischen Schaffes bleiben unberücksichtigt; das müsste fairerweise auf Anhieb erkennbar sein. Befremdlich auch die blasse Farbgestaltung: Franz Josef Degenhardt in Schweinchenrosa, Konstantin Wecker in Babyblau. Und was ist mit Reinhard Mey? Was mit Klaus Hoffmann? Zum Erfreulichen: Ob Heute hier, morgen dort oder Kokain (Hannes Wader), Genug ist nicht genug oder Willi (Wecker), Spiel nicht mit den Schmuddelkindern oder Väterchen Franz (Degenhardt), Sex-Appeal oder War das etwa Haschisch (Georg Danzer) sowie Komm, großer schwarzer Vogel (Ludwig Hirsch) all die Lieder, mit denen die fünf Künstler in frühen Jahren den Durchbruch schafften, sind in dieser Sammlung enthalten. Bemerkenswert auch die kenntnisreichen, ausführlichen Künstlerbiografien von Ingar Solty. Als Einstieg in die Liedermacherszene kann diese Liedermacherbox mit ihren knapp sieben Stunden Gesamtspielzeit gute Dienste leisten.
Kai Engelke
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FOLKER auf Papier
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