Besondere CDs
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DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND
STROM & WASSER
Strom & Wasser Featuring The Refugees
(Traumton 4571/Indigo, www.strom-wasser.de
)
16 Tracks, 70:52, mit dt. Infos
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Ich gestehe Ahnungslosigkeit. Strom & Wasser? Nie gehört. Es war wieder ein
Stapel CDs zur Rezension eingegangen, Musik aus Afrika vor allem. Ich war nahe
dran, das Album mit dem einsamen, gestrandeten Ruderboot auf dem Cover und
seiner deutschen Gutmenschen-Ausstrahlung unter Ferner liefen erst einmal zur
Seite zu legen. Dann hörte ich doch hinein – und war angenehm überrascht.
Vom Booklet-Cover aus strahlte mich ein Roma-Junge an – das Gegenstück zum
von der Züricher Weltwoche missbrauchten Foto eines mit Pistole in die Kamera
zielenden Jungen aus dem Kosovo zur Titelstory mit der Unterzeile Die Roma
kommen: Raubzüge in die Schweiz, bei dem noch nicht einmal klar ist, ob die
Pistole womöglich ein Spielzeug ist. Es dämmerte mir nun endlich, dass dieses
Album etwas mit der Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber zu tun hatte, und
zwar der in Deutschland. Heinz Ratz? Das Folker-Archiv brachte es an den Tag:
ein unbequemer Musiker, der – aus guten Gründen – auf den Putz haut
und an sich naheliegende Ideen dann auch umsetzt. Im Frühjahr 2011 hatte er rund
80 Flüchtlingslager in ganz Deutschland besucht – siehe Interview in
Folker 02.11 – und dabei auch talentierte Musiker ausfindig gemacht. Fast
30 von ihnen hat Ratz dann ins Studio geholt und mit Strom & Wasser als
Basis-Band in etlichen Sessions Lieder und Instrumentalstücke mit ihnen
eingespielt, die durchweg umwerfend sind: von der stilistischen Vielfalt –
unter anderem Reggae, Hip-Hop, Balkan Brass – ebenso wie von der
professionellen Umsetzung und den verständlich kritischen Inhalten her. Die
Musiker stammen aus problembeladenen Ländern Afrikas, Asiens und Europas, doch
ihre Hoffnung, in Deutschland eine Lebensperspektive finden zu können, blieb
weitgehend unerfüllt. Mehr noch: Die Lebensverhältnisse vieler Flüchtlinge
schreien zum Himmel. Allein die Booklet-Informationen machen bewusst, welcher
Frust, welche Wut sich in den Einzelschicksalen manifestiert. Ein politisch
ambitioniertes Album mit Musik, die nie öde oder peinlich ist!
Roland Schmitt
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DIE BESONDERE – EUROPA
JOY DUNLOP & TWELFTH DAY
Fiere
(Sradag Music SRM002, www.joydunlop.com
, www.twelfthdaymusic.com
)
11 Tracks, 46:17, mit engl./gäl. Texten
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Alleine die Vorankündigung sorgte für Interesse und Spannung: Drei junge Damen
aus Schottland haben sich zusammengefunden, um Gedichte von schottischen Frauen
in Englisch, Scots oder Gälisch zu vertonen. Und die Drei sind trotz junger
Jahre nicht irgendwer, sondern Künstlerinnen von traditioneller wie innovativer
Reputation: die gälische Sängerin Joy Dunlop und das Duo Twelfth Day mit
Fiddlerin Catriona Price und Harfenistin Esther Swift, die beide auch singen.
Fiere startet mit einem traditionellen Waulking Song, der hier so gar nicht
traditionell klingt und damit den Ton für das gesamte Album vorgibt: Teils
verträumt oder verspielt, dann mit dezenten Dissonanzen, die Fiddle tastet sich
von Ton zu Ton, schließlich wird es wieder erdiger, fassbarer, harmonischer,
die Stimmung schwankt von Lied zu Lied. Das ist keine einfache Kost! Neben
moderner und eigenwilliger Instrumentierung überzeugen besonders die drei
Stimmen, wobei den Rezensenten speziell der klare und ausdrucksstarke Gesang
Joy Dunlops begeistert. Die vielen Nuancen offenbaren sich wie so oft bei
komplexer Musik erst bei mehrfachem Hören. Alle drei Musikerinnen haben Songs
für Fiere komponiert und dann wohl gemeinsam arrangiert, denn das Album klingt zwar
abwechslungsreich, aber einheitlich. Gedichte sind vielleicht nicht jedermanns
Sache, diesen Rezensenten eingeschlossen. Wenn Poesie jedoch musikalisch so
einfühlsam präsentiert wird, dann kann sie gleich noch ein ganz anderes Gewicht
bekommen. Eine wunderbare Kollaboration!
Mike Kamp
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DIE BESONDERE – EUROPA
SALENTORKESTRA
Centueuna
(AnimaMundi Edizioni 13, www.myspace.com/salentorkestra
)
16 Tracks, 42:46
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Italiener müssen einen aufrechten, eleganten Gang haben. Wer beim Gehen den Fuß
korrekt aufsetzt, tut dies mit dem Fußballen, dann verbindet sich die ganze
Kraft des Körpers mit der Erde. Wohl deshalb entlädt sich so viel musikalische
Energie in Salento, dem Stiefelabsatz Italiens, einem Gebiet von 100 Kilometern
Länge und 40 Kilometern Breite. In keinem anderen Landesteil blühen so viele
neue musikalische Projekte. Ein großer Teil der Musiker fühlt sich tief
verbunden mit der Salentiner Tradition. Pizzica-Pizzica heißt ihr rasender Tanz,
der es verdient hätte, zum nächsten Weltmusikhype zu werden. Nur: Einige der
Bands scheinen bei ihrer ekstatischen Überholspurfolklore zu vergessen, dass sie
die Gitarre in der Hand halten und nicht das Steuer ihres Alfa Romeo. Nicht so
das Salentorkestra. Auch diese Gruppe kann Gas geben. Doch das Orchester, das
keines ist, beweist, dass sich die volle Kraft in der Reduktion auf das
Wesentliche entfaltet. Entschleunigung heißt das Zauberwort. Wenn der Sänger und
Gitarrist Dario Muci mit der Gastsängerin Maria Mazzotta das herrlich
sentimentale Liebeslied LAggiu Amata Comu Na Rosa anstimmt, braucht es dazu
ein, zwei Saiteninstrumente, mehr nicht. Nach so viel Ruhe und Gefühl macht die
darauf folgende Pizzica umso mehr Spaß. Vielleicht ist das Salentorkestra doch
ein Orchester – gute Orchesterwerke zeichnen sich dadurch aus, wie sie
Spannungsbögen erzeugen: Im Siebenminutenstück Trainieri etwa beweist die
Gruppe diese Fähigkeit. Anfangs hört man nur Massimiliano Morabitos
oszillierendes Akkordeon, dann setzt die Schlaggitarre ein. Wenn der Puls
hochgefahren ist, bläst Marco Tuma auf Klarinetten und Flöten, was das Zeug
hält, abgelöst von jazzig flirrenden Akkordeonläufen. Acht der zehn Stücke sind
Traditionals, allesamt ausschließlich mit einer Vielzahl akustischer Instrumente
eingespielt. Einziger Minuspunkt: die spärlichen Angaben zur Musik und die
fehlenden Texte. Ach ja, das Salentorkestra ist übrigens ein Quintett!
Martin Steiner
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DIE BESONDERE – ASIEN
HEWAR
Letters To A Homeland
(Dreyer-Gaido DGCD21073/Note 1 Music, www.myspace.com/hewargroup
)
9 Tracks, 62:41, mit 12-seitiger Textbeilage
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Welt-Klasse-Musik aus Syrien: Drei Künstler mit orientalischer Grundierung
studierten europäische Klassik und beschäftigten sich auch mit Scatgesang. Sie
sind in beiden Musikwelten zuhause – im Abend- und im Morgenland. Hewar
ist ein Trio von Solisten: der Klarinettist Kinan Azmeh, der Oudvirtuose Issam
Rafea und die Sängerin Dima Orsho – gelernte Sopranistin mit erfrischender
Natürlichkeit. In ihrem virtuosen Orient bleiben die Wurzeln unverkennbar: ein
ungerader Rhythmus hier, ein traumwandlerisches Unisonospiel zwischen
Kurzhalslaute und Klarinette dort, feine Verzierungen. Hewar heißt Dialog,
die Letters To A Homeland sind ein Kaleidoskop kunstvoll herausgearbeiteter
Dialoge: zwischen Ost und West, verschiedenen Instrumenten und Genres.. Das
reizvolle Wechselspiel reicht bis zu sich verschmelzenden Klängen: Wenn
Klarinette und Stimme eine kaum auflösbare Einheit bilden oder wenn es einen
Moment im Unklaren bleibt, ob gerade eine Klarinette oder die armenische Duduk
erklingt, die – Luxus pur – von Djivan Gasparyan gespielt wird.
Hewar nutzten das künstlerische Potential des Osnabrücker Morgenland Festivals,
indem es für einige Titel handverlesene Gäste hinzuzog, die dort auftraten. Dazu
zählen auch das Morgenland Chamber Orchestra und der libanesische Percussionist
Rony Barrak, der im Zwiegespräch mit Dima Orsho seine farbensprühende Percussion
über das Metrum entfaltet, das die Sängerin für beide übernimmt. Unterstrichen
wird der Ausnahmecharakter der Letters To A Homeland dadurch, dass es sich
bei ihnen um einen kaum veränderbaren Live-Mitschnitt brillanter Musiker in
bester Spiellaune handelt – nur der Applaus wurde mit einer Ausnahme
entfernt. Ein Dialog dreier großartiger Musiker aus Syrien mit Künstlern aus
anderen Ländern – und mit überschäumender Spielfreude und unentrinnbarer
Intensität.
Birger Gesthuisen
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FOLKER auf Papier
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