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CD-TIPPS: |
Wer die Verhältnisse ändern möchte, vor der Revolution aber Angst hat, der könnte klein anfangen und als Lieferant einfach den Eingang für Herrschaften nehmen. Das wäre ja schon fast eine Revolution – jedenfalls in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre, die Dietrich Kittner mit seinem Revolutionslied für Sanftmütige irritierte. Seine Wut war auf den Bühnen kein Einzelfall. Hans Scheibner attackierte wenig später mit Ich mag so gern am Fließband stehn die Behandlung des Menschen als Maschine, und Werner Schneyder griff in einem Lied all jene an, die die Schuld an Konzentrationslagern bei den Pazifisten sehen. Kittner, Scheibner, Schneyder – drei Künstler der Jahrgänge 1935, 1936 und 1937, die unlängst ihr persönliches Dreivierteljahrhundert gefeiert haben. Drei Wache, die sich den kritischen Blick auf die Gesellschaft nie haben abkaufen lassen.
Als wir zu denken begannen, haben wir im pubertären Überschwang angenommen, dass wir die Generation sind, die ab jetzt alle Kriege verhindern wird. (Werner Schneyder) |
TEXT: STEPHAN GÖRITZ
Wenn Werner Schneyder beginnt, zum musikalischen Motiv aus Beethovens Pathétique seine Grundüberzeugung vorzutragen, mag manch Liebhaber politischer Lieder zusammenzucken. Das soll er auch, denn Schneyder singt tatsächlich: Ich bin konservativ. Doch heißt konservativ für ihn, froh zu sein, wenn etwas was wert ist, gern entweder – oder zu sagen und Antikes von Moder unterscheiden zu können. Auch schätzt er, den man sich nur seriös gekleidet vorstellen kann, es sehr, wenn einer Schlips trägt – vorausgesetzt, dass er im Hirn nicht nur Chips trägt. Allerdings wehrt er sich auch und gerade als Konservativer – also Bewahrender – dagegen, tatenlos zuzuschauen, wie die Welt einschließlich seiner geliebten Pilze atomar verstrahlt wird und die Köpfe mit Dummheit verseucht werden. Deshalb hat er schon vor über drei Jahrzehnten den Sachzwang als Ausrede entlarvt und seinem Meister Kurt Tucholsky versichert, dass dessen Selbstmord 1935 keineswegs übereilt gewesen ist, denn das Kapital hat längst seine Gewerkschaft. / Und die Gewerkschaft hat ihr Kapital. / Die Linken kultivieren ihre Sekten. / Und die Faschisten stehn im Wartesaal.
Ludwig XVI. musste Spitzel in die Kneipen schicken. Heute haben wir alle unser Handy, und demnächst soll es auch Drohnen geben, die uns in die Wohnung gucken können. (Dietrich Kittner)) |
Aus Erlebtem und Erfahrenem poetisch-politische Lieder zu destillieren, ist natürlich erst die zweite Stufe. Am Anfang steht auch bei Schneyder oft pures Entsetzen. Seine meist spöttischen Augen unter dem Mecki blicken ernst, als er feststellt: Jede Nachrichtensendung führt meine Biografie ad absurdum. Denn als wir zu denken begonnen haben – so mit zwölf, vierzehn -, da haben wir im pubertären Überschwang angenommen, dass wir die Generation sind, die einfach ab jetzt alle Kriege verhindern wird auf diesem Globus. Oder, um nicht zu blauäugig zu sein, jedenfalls geplante Massenvernichtungen aufgrund ökonomischer Überlegungen nicht mehr dulden wird. Und siehe da – wir haben keine Chance. Die aber gilt es zu nutzen. Deshalb hat er sich die schon verkündete Entscheidung auch noch einmal überlegt, mit seinen Bühnenprogrammen aufzuhören. Zweiundzwanzig Jahre lang war er mit kabarettistischen Liedern und Texten umhergezogen, zunächst im Duo mit Dieter Hildebrandt.
Mörder im landläufigen Sinne sind im Verhältnis zu den Massenmördern, die sich anmaßen, unsere Geschicke zu leiten, geradezu harmlose Menschen. (Hans Scheibner) |
Schon damals ließ er manche böse Szene in ein oft noch böseres Lied münden. Ab 1981 tourte er dann als Solist mit wechselnden musikalischen Begleitern. Ausschließlich als Buch- und Theaterautor zu leben, wie er es seit 1996 tat, war zwar ruhiger, doch das Interesse des Publikums an gesungener bissiger Reflexion der Verhältnisse dauerte an. So erschien 2004 eine CD mit Liedern aus Schneyders alten Programmen, und 2008 sah er sich zu einem Comeback gezwungen. In Ich bin konservativ, erfolgreich aufgeführt bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen wie am Burgtheater Wien, widmete er sich in gewohnter Schärfe drohenden globalen Bankenpleiten, der allgegenwärtigen Wachstumseuphorie und dem, was Politiker für Zukunftssicherung halten.
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09.02.2023 |
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