FOLKER – Rezensionen

Besondere CDs


DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND

RÜDIGER OPPERMANN
Klangwelten – 25 Jahre Dialog der Kulturen
Zweiter Band 2006 – 2011

(Klangwelten Records KW20050, go! www.klangwelten.com )
Buch, 252 Seiten + 5 CDs, 66 Tracks, ca. 420:00 + 1 DVD, über 180:00, mit vielen Infos

Klangwelten – Weltmusikfestival 2011

(Klangwelten Records KW20049, go! www.klangwelten.com )
13 Tracks, 79:08, mit Infos

RÜDIGER OPPERMANN 2006 * Foto: Ingo Nordhofen

Rüdiger Oppermann hat die Weltmusik geprägt wie kaum ein anderer deutscher Künstler. Sein Klangwelten-Festival bringt seit nunmehr über 25 Jahren Kulturen, Musikformen, Künstler und Ideen zusammen. Dabei werden gleichermaßen neue Welten geformt wie alte erhalten. Obwohl asiatische Oberton-Bläser oder afrikanischen Percussion-Tänzer jeweils absolute Unikate und Meister ihres Fachs sind, entstand im Laufe der Jahre ein typischer Oppermann-Sound. Hört man Künstler wie Enkh Jargal, der quasi zum festen Stamm des Festivals gehört, oder Tata Dindin, denkt man sofort: Die müssten eigentlich beim nächsten Klangwelten-Festival ... – und so ist es dann auch meistens. Das Gewicht des Festivals bildet eindrucksvoll die wunderbare Sammelbox Klangwelten – 25 Jahre Dialog der Kulturen ab, der Nachfolger der ersten Ausgabe von 2006, Klangwelten – 20 Jahre Dialog der Kulturen. Die Mischung aus Tagebuch, musikalischem Wissen, Anekdoten, Bildern und Hintergrundinfos ist ein Liebesbeweis des Machers an sein Festival, der ansteckt. Die Box ist liebevoll gestaltet und bietet neben dem reich bebilderten Buch fünf Musik-CDs, für jedes der letzten fünf Jahre eine, und eine DVD mit Livemitschnitten. Über die Dokumentation von Oppermanns einzigartigem Werk hinaus, zeigt die Sammlung eine Alternative zum gängigen Umgang mit Musik auf: Wie die Klangwelten-Festivals, -Tourneen und -Veröffentlichungen, so ist auch die vorliegende Box eine explizite Alternative zu Wegwerf-Downloads und CD-Verschleuderung zu Ramschpreisen – beinahe ehrfürchtig öffnet man den Schuber und freut sich dauerhaft an der liebevollen Aufmachung. Wem die Box eine Nummer zu groß ist, der kann mit Klangwelten – Weltmusikfestival 2011 immerhin die Künstler des letzten Jahres genießen. Acht Tracks dieses Albums sind der Sammelbox entliehen, aber die verbleibenden fünf Titel rechtfertigen den Kauf des Samplers fünf Mal. Der WDR bezeichnete die erste Box als „kulturhistorische Leistung“. Das gilt für die zweite unverändert.

Chris Elstrodt

 

RÜDIGER OPPERMANN – Klangwelten – 25 Jahre Dialog der Kulturen

RÜDIGER OPPERMANN – Klangwelten – Weltmusikfestival 2011


DIE BESONDERE – INTERNATIONAL

DIVERSE
Chimes Of Freedom –
The Songs Of Bob Dylan Honoring 50 Years Of Amnesty International

(Fontana International 0817974010016/Universal Music, go! www.amnestyusa.org )
4 CDs, 73 Tracks, 313:34, mit engl. Infos

Das Anliegen dieser fetten Sammlung von Songs des größten Singer/Songwriters aller Zeiten ist sowieso sakrosankt: Am 28. Mai wird Amnesty International 50, die Profite gehen an den Jubilar. Aber das Paket lohnt den Kauf auch künstlerisch. Statt wie zu befürchten all die Meisterwerke zu profanisieren, belebt Chimes Of Freedom kraftvoll Bob Dylans Gesamtwerk. Ausgezeichnet bekommt seinem Œuvre, dass in der Fülle des Materials Politisches und Privates ebenso verwischen wie Böses und Altersmildes, Durchgeknalltes und Plattes, Hartes und Sanftes. Endlich nicht mehr jeder Song ein Teil des Weltkulturerbes, wie zunehmend bis zum Erbrechen wiederholt wird; hier wird das ganze Zeug einfach ohne unnötige Ehrfucht neu und zeitgemäß gecovert – und es lebt: Raphael Saadiqs „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ ist womöglich besser als das Original, Elvis Costello überambitioniert wie gewohnt, seine Frau Diana Krall das Gegenteil, Eric Burdon kraftvoller als alle Jungen zusammen. Und so weiter: Mick Hucknall singt ohne Allüren auf den Punkt; Adele, na ja; Taj Mahal volle Kraft voraus; The Gaslight Anthem, Billy Bragg, Kris Kristofferson, Joan Baez, Ziggy Marley und und und und und. Einiges toll, fast der gesamte Rest sehr schön; wobei man hier mit künstlerischen Maßstäben ja sowieso vorsichtig sein sollte – schon alleine der „One-Love“-Selbstbesoffenheit ohne Stil-, Geschmacks und Qualitätsgrenzen wegen, wie sie bei solch einem Projekt üblich ist, wenn wir alle mal wieder richtig so tun, als wären wir eins in unserer Sorge um die ganze Welt. Ahnungslos ist bei Chimes of Freedom eigentlich nur Pop-Karikatur Ke$ha, deren Niveau ja bereits aus ihrem $-Zeichen spricht, auf das Amnesty wohlweislich verzichtet: Stöhn, röchel, schnauf produziert sie sich bar jeder Checkung a-capella in einer Peinlichkeit durch „Don’t Think Twice, It’s All Right“, dass es jeder auch nur halb so Schlichten eine lebenslange Schande wäre – speziell inmitten all der Konkurrenz des Projekts. Allein – womit sollte sie das merken?

Christian Beck

 

DIVERSE – Chimes Of Freedom


DIE BESONDERE – KARIBIK

DIVERSE
Gilles Peterson Presents Havana Cultura – The Search Continues

(Brownswood Recordings BWOOD076CD, go! www.gillespetersonworldwide.com )
Do-CD, 30 Tracks, 111:16, mit engl. und span. Infos

GILLES PETERSON 2009

Im Auftrag von Havana Cultura, einer Kulturplattform des Rums gleichen Namens zur Förderung kubanischer Künstler, begab sich der renommierte DJ und Labelbetreiber Gilles Peterson zum zweiten Mal nach 2009 nach Havanna. Das Ergebnis lässt hören, dass der Londoner diesmal viel stärker eintauchte in die dortige Musikszene, vor allem die junge, als das bei der ersten Veröffentlichung 2009 der Fall war. Einige Musiker der ersten Kontaktaufnahme, etwa der Pianist Roberto Fonseca, waren jetzt wieder dabei, um erneut eine überaus gefällige, ebenso coole wie tropisch schwüle Mixtur zu köcheln aus afrokubanischen Gesängen und Rhythmen, Funk, Cubaton, Timba, Jazz, HipHop, Nueva Trova, älteren kubanischen Traditionen und weiteren Zutaten wie etwa New-Orleans-Brass. Dazu versammelten sich alle nur denkbaren Instrumentalisten, Sänger und Rapper aus Havana und der Diaspora. Einige von ihnen firmieren auch als Interactivo, ein offenes Kollektiv zur Bündelung verschiedenster musikalischer Kreativkräfte, um damit die Präsenz und so die Stärke der jüngeren Generation Kubas zu manifestieren. Dass es – bei aller Liebe zu den betagteren Kollegen, von denen gerade in Kuba die Jungen auch stets gelernt haben – auch ein Leben nach und jenseits von Buena Vista & Co. gibt, das ahnt man längst. Trotzdem braucht es scheinbar erst ein offenbar florierendes, finanziell besser als ganz Kuba dastehendes Unternehmen wie Havana Club und einen weiteren europäischen Geburtshelfer, um Kubas, hier vor allem Havannas musikalisch vielseitige und potente Musikentwicklungen im Westen bekannt zu machen. Einige der Mitwirkenden, etwa die Sängerin Osdalgia und die Rapperin Telmary, traten auf dem hiesigen Markt schon zuvor in Erscheinung. Eine weitere Protagonistin dieser Aufnahmen ist die Sängerin und Rapperin Danay Suárez, die es sogar in Kuba selbst erst noch zu entdecken gilt. Dass die Suche weitergeht, wie der Album-Untertitel verspricht, ist ob des offensichtlichen musikalischen Reichtums Kubas zu wünschen.

Katrin Wilke

 

DIVERSE – Gilles Peterson Presents Havana Cultura


DIE BESONDERE – SCHOTTLAND

IAN BRUCE
Rhythm & Burns

(Lochshore CDLDL 1317, go! www.ianbruce.org )
16 Tracks, 43:52, mit engl. Texten und Infos

Hits & Pieces – The First 30 Years

(Ruglen Records LUMS CD 0111, go! www.ianbruce.org )
Do-CD, 32 Tracks, 145:03 + DVD, ca. 100 min, mit engl. Texten und Infos

Zwischen 2005 und 2010 war für Ian Bruce Veröffentlichungspause. Irgendwie schien das hochprämierte Restaurant seines Lebenspartners Tony wichtiger zu sein. Dann kam Dr. Fred Freeman und überredete Ian zu einem nie geplanten Robert-Burns-Album. Einmal dabei, legte Bruce nach und zog mit einem Doppelalbum – plus witzigem Beiheft – und einer DVD, Mitschnitten diverser Konzerte plus Interview, aufwändig Bilanz seiner 30-jährigen Musikerlaufbahn. Fazit der vorliegenden vier Silberlinge auf Rezensentenseite: Mein Gott, was habe ich diese Stimme und diese Songs vermisst! Doch der Reihe nach: Robert Burns zählt zu den meistgespielten Songschreibern weltweit, und seinen Liedern noch neue Aspekte abzugewinnen, bedarf eines gewissen Genies. Ian Bruce und vier Kollegen sowie besagter Dr. Freeman haben scheinbar genau das. Dabei war es eigentlich recht einfach: Man konzentriere sich auf den ganz eigenen Rhythmus in den Burns-Songs und schon treten nie gehörte Aspekte zutage. Da passten sogar Swing oder afrikanische Elemente zum alten schottischen Meister. Burns wie nie – und richtig gut.

Wie gut Ian Bruce jedoch wirklich ist, beweist er in kondensierter Form mit eigenen Liedern, traditionellen und solchen anderer Autoren. „My Eldorado“, „Namenlos“, „Too Far From She“ oder der „John MacLean March“ – lange nicht gehört und vielleicht gerade deshalb so begeisternd. Ian Burns hat eine einzigartige Stimme; unglaublich kräftig, ohne jedoch die Emotionen zu vergessen. In einem seiner Songs, dem Klassiker „Blue Denim Days“ singt er: „I may never make it big, but in a way, that’s okay.“ Nein, das ist es nicht! Ein Mann wie Ian Bruce müsste mindestens hunderttausend Alben verkaufen – doch die Musikwelt ist eben nicht gerecht. Eines sollte aber trotzdem Gesetz sein: Jeder Haushalt, der sich folkloristisch nennt, hat zumindest die Hits & Pieces im Haus zu haben, sonst kommt die Folkpolizei und versiegelt die Räume. Ein absolutes Muss!

Mike Kamp

 

IAN BRUCE – Rhythm & Burns

IAN BRUCE – Hits & Pieces

Update vom
09.02.2023
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