DIE BESONDERE – NORDAMERKA
DIVERSE
Texas Bohemia Revisited –
The Texas-Bohemian Maravian-German Bands
(Trikont US-0384/Indigo, www.trikont.de
)
23 Tracks, 70:45, mit dt. und engl. Infos + DVD des Directors Cuts des
Dokumentarfilms Krasna Amerika plus weiteren 16 Bonustracks
Die Globalisierung wurde zufälligerweise von einem deutschen Musiker beim Tanken
in der texanischen Provinz entdeckt. Das war vor 18 Jahren, der Musiker hieß
Thomas Meinecke, spielte bei der Münchner Kapelle FSK Gitarre und kam gerade vom
SXSW-Festival in Austin, als er in Neu Ulm eine Gruppe älterer Einheimischer in
einem merkwürdigen Idiom deutsch sprechen hörte: Texas-Deutsch, die Sprache
deutscher Einwanderer des 19. Jahrhunderts.
Während Thomas Meinecke tanken fuhr, machte sich – ebenfalls nach dem
Besuch bei SXSW – eine Gruppe von Berlinern auf den Weg nach New
Braunfels, um dort zu den Klängen des amtierenden Godfathers of Conjunto,
Santiago Jiménez Jr. mit 1000 spanisch sprechenden Tejanos zu tanzen, als dieser
eine Polka aus der Feder seines Vaters, des großen Don Santiago Jiménez Sr.
ankündigte. Sie spielten ... den Schneewalzer! Sehr eigen und sehr hispanisch,
texanisch – aber immer noch eindeutig ... der Schneewalzer. Santiago Jr.s
Instrument, wie das seines Vaters und seines Bruders Flaco: das Akkordeon. Aber
nicht irgendein Akkordeon, sondern ein Hohner aus Trossingen,
Baden-Württemberg.
So hinterließen die Einwanderer ihre Spuren: Noch immer kann man seinen
Führerschein in Texas außer auf Englisch und Spanisch auch auf Deutsch machen,
und wenn Don Jimenez auf den Hochzeiten der Germans in New Ulm, New Braunfels,
Fredericksburg und Comfort spielte, lernte er deren Melodien auf deren
Instrument. So kreierte er ganz nebenbei eine Musik, die eine ganze Generation
von Musikern in den USA beeinflussen sollte: Los Lobos und Wille Nelson, Doug
Sahm und Butch Hanckock. Und noch immer heißt ein Akkordeon in San Antonio a
Hohner.
Thomas Meinecke veröffentlichte die Musik, auf die er damals zufällig stieß, auf
zwei Texas-Bohemia-Alben bei Trikont und löste damit eine kleine Welle aus.
Mit Michael Schorrs Film Schultze gets the Blues mit dem grandiosen Horst
Krause schwamm die wieder entdeckte Musik des US-amerikanischen Südens sogar bis
in die Multiplex-Kinos. Die Berliner kehrten heim und gründeten die 17 Hippies.
2007 nun ist Thomas Meinecke wieder auf Spurensuche in Texas unterwegs gewesen,
diesmal mit dem Filmemacher Peter Schubert. Wieder versammelte er die
böhmisch-deutsche Musik auf einem Texas-Bohemia-Album zusammen. Es finden
sich neue Titel der Shiner Hobo Band, etliche Feldaufnahmen, etwa der Praha Bros.
und einer Jam Session in Moulton, und einige historische Aufnahmen wie der
Alamo Schottische, die perfekt in jede Inszenierung des Oktoberfestklassikers
Kasimir & Karoline passen würden.
Dazu gibt es Peter Schuberts sehenswerten Film Krasna Amerika, der
dokumentiert was sich schon bei der ersten Reise vor 18 Jahren
abzeichnete: Die Akteure sind in die Jahre gekommen – die Sprecher des
Texasdeutschen ebenso wie die Musiker und ihre Hörer. Album und Film sind
anrührende Zeugen eines langsamen Sterbens.
Christopher Blenkinsop
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