FOLKER – Rezensionen

Rezensionen BÜCHER


DORIS WERHEID / JÖRG SEYFFARTH / JAN KRAUTHÄUSER
Gefährliche Lieder:
Lieder und Geschichten der unangepassten Jugend im Rheinland 1933-1945 /
e. Projekt des Edelweißpiratenclub e.V.
hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Köln: Emons, 2010
192 S., mit zahlr. Fotos u. Noten + CD
ISBN 978-3-89705-742-5

„Ich spürte etwas Romantisches, Unangepasstes, aber besonders gefielen mir die Lieder, die mir unbekannt waren und die sie auf Gitarren selbst begleiteten“, erinnert sich Jean Jülich an seine Zeit bei den Edelweißpiraten. Mit ihnen durchstreifte er in den 1930er Jahren die Wälder und sang Lieder von Sehnsucht und Freiheit. Dem militärischen Drill der HJ lief die wilde Lagerfeuerromantik zuwider, weshalb bündische Gruppen bald von den Nazis verboten wurden. Wer die Lieder trotzdem sang, lebte gefährlich. Viele Jugendliche wie Jean Jülich wurden verhaftet, verhört und gefoltert. In dem Buch „Gefährliche Lieder“ schildern zwölf Zeitzeugen aus dem Rheinland und dem Bergischen Land nun erstmals ihr Leben in der Bündischen Jugend während des Nationalsozialismus. Fünfzig ihrer beliebtesten Lieder sind in dem sorgfältig editierten und hervorragend layouteten Buch auf rund 190 Seiten dokumentiert. Abgedruckt wurden sie mit Noten und Liedtexten. Detailreiche Informationen beleuchten Hintergründe, Stil, Herkunft und Verbreitung der Lieder in den illegalen Gruppen. Historische Fotografien vermitteln einen lebendigen Eindruck vom Lebensgefühl der Jugendlichen und illustrieren die berührenden Schilderungen der Zeitzeugen. Wer das Buch nicht nur lesen, sondern auch hören will, kann auf beigefügter CD den betagten Bündischen lauschen, wenn sie noch einmal ihre Lieder anstimmen und von ihren Erlebnissen erzählen. Entstanden ist ein vielschichtiges und differenziertes Portrait jener couragierten Jugend während der NS-Zeit, die sich explizit nicht als politische Widerstandskämpfer verstand, sondern mit ihrem unangepassten Freiheitswillen barbarischer Unterdrückung und Gewalt trotzte. „Gefährliche Lieder“ ist gleichzeitig Lieder- und Lesebuch und informatives Nachschlagewerk. Erstellt wurde die umfangreiche Dokumentation sprichwörtlich in letzter Minute, denn einige der portraitierten Zeitzeugen sind bereits während der Arbeiten an dem Buch verstorben.

Sylvia Systermans

 

DORIS WERHEID / JÖRG SEYFFARTH / JAN KRAUTHÄUSER – Gefährliche Lieder


PAUL D. BARTSCH
Zweitausend plus
Lieder 2000-2010
e. Auswahl / mit Grafiken u. Fotografien von Heiko Fiedler u. e. Vorw. von Christian „Kuno“ Kunert

Halle : Projekte-Verlag Cornelius, 2011
135 S. : mit Noten u. Fotos
ISBN 978-3-86237-276-8

Christian „Kuno“ Kunert, langjähriges Mitglied der legendären Renft-Combo, erzählt in seinem gleichermaßen informativen wie unterhaltsamen Vorwort zu diesem wunderschön gestalteten Liederbuch locker von den ersten Begegnungen der beiden Musiker, noch zu Zeiten der damaligen DDR. Und noch immer beherrscht Kunert die Kunst, Geschichten zwischen den Zeilen zu erzählen, etwa wenn er davon schreibt, „in der Dunkelheit ein Lied zu singen, um die Angst zu bannen.“ Dass die Zeit der Dunkelheit noch längst nicht der Vergangenheit angehört, dass es für wache, weltoffene Liederschreiber nach wie vor viel zu tun gibt, das zeigen die weltpolitischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Paul D. Bartsch, Musiker und promovierter Professor in Halle, ist ein sinnenfroher Intellektueller, dem der Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung nahezu mühelos zu gelingen scheint. Das Liederbuch „Zweitausend plus“ enthält siebzig seiner Liedtexte aus dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends (davon 39 in Notation), die sich größtenteils wie Gedichte lesen lassen – ein Umstand, der keineswegs selbstverständlich ist. Und wer die CDs kennt, der weiß, dass Paul D. Bartsch es auch richtig krachen lassen kann. „Zweitausend plus“ ist nicht nur ein Liederbuch, sondern auch ein ästhetisch illustrierter Gedichtband. Findet man nicht oft.

Kai Engelke

Bezug: go! www.projekte-verlag.de

 

PAUL D. BARTSCH – Zweitausend plus


GOISSAHANNES
Rotzlöffel im Räuberwald
Lieder-Vorlesebuch / Johannes Christ ; Silvia Christ (Goissahannes) ; bunt ill. von Sonja Gansloser

Nersingen : Goissahannes-Musikproduktion, 2011
52 S. : Noten, Texte, Ill. + CD. – (GHB ; 05)

„Rotzlöffel im Räuberwald“ richtet sich an Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Das großformatige Lieder- und Vorlesebuch erfüllt mehrere Funktionen gleichzeitig: es kann als bunt bebildertes Vorlesebuch benutzt werden, ebenso als ein Sing- und Hörvergnügen – oder als alles zusammen. Erzählt wird auf anschauliche und durchaus kindgerechte Weise ein Tag im Leben der Räuber, so wie Kinder sie sich halt vorstellen. Es beginnt mit dem Hüttenbau, dann wird getanzt und gefeiert, gejagt, geraubt, geliebt, geschnarcht und gerauft. In Vorlesetext und zwölf Liedern erleben die Kleinen einen ereignisreichen Tag bei den Räubern im Wald – und alles ganz ohne PC und TV. Die Lieder sind einfach zu spielen, alle Gitarrenakkorde werden zudem übersichtlich dargestellt. Sorgfältig und liebevoll gemacht.

Kai Engelke

Bezug: go! www.goissahannes.de

 

GOISSAHANNES – Rotzlöffel im Räuberwald


Euro World Book
The Roadbook to World Music
best selected 5.000 contacts in France, Germany & 27 more Eureopean countries / avec le soutien de Ministere de la Culture et de la Communication
Spring 2010 updated Europ. Regulations for Artists

Paris : IRMA, 2010
327 S.
ISBN 978-2-916668-30-7

Es hat sich mal wieder wer getraut, ein Adressbuch zu erstellen! Die Akteure sind das französische Musikinformationszentrum IRMA und das deutsche Büro für globale Musik Alba Kultur. Folgerichtig liegt der Schwerpunkt des dreisprachigen Buches (dt., engl., franz.) trotz eines mehr oder weniger kurzen Besuches in 27 europäischen Ländern ganz klar auf Frankreich und Deutschland. Interessant sind die Vorstellungen zu einigen Akteuren und/oder Organisationen aus diesen beiden Ländern, und hilfreich im Sinne des Buches für Musiker und Agenten sind Aufsätze wie „Mobilitätsregelungen im Lissabon Vertrag“ oder „Globale Musik in Deutschland“. Kern eines Adressbuches jedoch sind logischerweise die Adressen, quantitativ und qualitativ. Punkt 1: Es fehlen zumindest im deutschen Bereich unglaublich viele Akteure. Punkt 2: Qualitätskontrolle da, wo ich mich 100% auskenne. Mike Kamp z. B. wird 3x gelistet, beim Folker als Editor (und Michael Kleff, der Editor, als Publisher), dann unter der Rubrik „journalists“ mit den Stichworten „Texte & Bilder“ (wenn das der Bildredakteur wüsste!) und schließlich wird Mike Kamp bei „FiF e.V.“, eigentlich ein sogenanntes „venue“, gelistet aber unter „regional specialized organisations“, zum „first chairman“ befördert. 3x gelistet und 3x mehr oder weniger daneben! Das ist bei weiteren Überprüfungen nicht die Regel, aber allzu häufig der Fall.

Fazit: Ein engagiertes und wichtiges Projekt im überkommenen Format! Als allgemein oder selektiv zugreifbare Datenbank könnten Fehler fast umgehend behoben und Lücken geschlossen werden. Bei einem Buch müssen Fehler und Lücken bis zur nächsten Ausgabe warten – wenn die denn überhaupt kommt.

Mike Kamp

Bezug: go! www.irma.asso.fr

 

Euro World Book – The Roadbook to World Music


RIO REISER
Liederbuch

o.O. : Bosworth, 2010
450 S. : Noten, Texte u. Fotos. – (BOE ; 7428)
ISBN 978-3-86543-303-9

Das Rio-Reiser-Liederbuch ist in vielerlei Beziehung ein Schwergewicht. Es enthält wirklich alle Lieder aus der späteren Solokarriere des charismatischen Frontmannes der legendären Polit-Rock-Formation Ton Steine Scherben – darunter so bekannte Songs wie „Junimond“, „Für immer und dich“, „Irrenanstalt“, „König von Deutschland“, „Menschenfresser“, „Alles Lüge“, „Zauberland“ und mehr als neunzig weitere Kompositionen.

Jedes Lied ist zweimal abgedruckt, einmal mit komplettem Notensatz für Stimme und Klavier, manchmal auch für Streicher oder andere Orchesterinstrumente, dazu die Gitarrenharmonien, dargestellt in Griffdiagrammen. Das wiederum erspart das lästige Suchen in irgendwelchen Grifftabellen. Die jeweils zweite Version besteht nur aus dem Text und den durchgängig notierten Gitarrenakkorden. Zu fast jedem Lied gibt es Erklärungen und kleine Geschichten, die das Werk in seinem jeweiligen Kontext erscheinen lassen. Abgerundet wird das Ganze durch großformatige Farbfotos aus Rios Leben, durch viele seiner Zeichnungen, Notizen und Entwürfe sowie durch etliche Handschriftenfaksimiles.

Angenehm fällt ins Gewicht, dass der Schwierigkeitsgrad der dargestellten Lieder variiert, von recht einfach bis ganz schön kompliziert, sodass sowohl Gitarrenanfänger als auch fortgeschrittene Musikanten sofort einsteigen können.

Das vorliegende Werk ist viel mehr als nur ein Liederbuch. Durch seine opulente Fülle und die wirklich ästhetische Ausstattung ist ein schwergewichtiges Künstlerbuch entstanden, das einen tiefen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt des 1950 in Berlin geborenen und 1996 in Fresenhagen/Nordfriesland verstorbenen Ausnahmemusikers gewährt.

Jedem, der das Buch in der Hand hält, muss sofort klar werden, was für eine Mammutarbeit in solch einem umfangreichen Werk steckt. Geleistet hat diese Arbeit, einschließlich der Transkriptionen und Arrangements, Lutz Kerschowski, enger Freund Rio Reisers und Gitarrist seiner letzten Band. Kerschowski war schon in der ehemaligen DDR ein bekannter Rockmusiker. Rio Reiser und er lernten sich während eines gemeinsamen Konzertes im Wendejahr 1989 in Ostberlin kennen und schätzen. Lutz Kerschowski hat dem „König von Deutschland“ ein bibliophiles Denkmal von großem Erinnerungs- und Gebrauchswert gesetzt.

Kai Engelke

Bezug: go! www.bosworth.de

 

RIO REISER – Liederbuch


HERMANN RASCHE / HARALD RAYKOWSKI
Literarischer Führer – Irland
Orig.ausg.

Berlin : Insel-Verl., 2010
190 S. : mit Abb. – (Insel Taschenbuch it ; 3611)
ISBN 978-3-458-35311-9

Klar, dass man bei einem literarischen Reiseführer zuerst nachsieht, ob die eigene Lieblingsautorin erwähnt ist. Klar, dass die Autoren auf Nummer sicher gehen und schon im Vorwort sagen, sie hätten „Mut zur Lücke“ aufbringen und „auch internationale Bekanntheit“ als Kriterium nehmen müssen. Aber sie behaupten auch, Literatur in irischer Sprache berücksichtigt zu haben. Nur können sie selbst kein Irisch und das rächt sich. Es fehlen viele große Namen, vor allem der jetzt lebenden – Pádraig Standún, gälischer Bestsellerautor oder Micheál Ó Conghaile, meistgespielter Dramatiker, der noch dazu in Indreabhán, Connemara, den Buch- und Musikverlag Cló Iar-Chonnachta betreibt, sind nur zwei der schmerzlich vermissten Namen. Dafür lesen wir gleich dreimal, dass Cecil Frances Alexander den Choral „All things bright and beautiful“ verfasst hat. Aber ehrlich, wir wussten es nach dem ersten Mal, und es nur einmal zu erwähnen, hätte Platz für die ungleich wichtigere Information gelassen, wann und wo „Deodhraiocht“ von Pádraic Ó Conaire, der erste Großstadtroman in irischer Sprache, auf Deutsch erschienen ist. Oder für die Übersetzung irischer Buchtitel. Oder Hinweise auf deutsche Ausgaben der erwähnten Bücher.

Aber jetzt die gute Nachricht: Das Buch ist trotzdem eine Fundgrube, voller Anekdoten, Anregungen zum Reisen und Lesen, zum Auffrischen von Erinnerungen… Natürlich sind Joyce und Yeats geradezu übergroß vertreten, dicht gefolgt von Swift und Flann O’Brien, aber wer hierzulande kennt schon Florimond de Basterot oder Frederick Robert Higgins? Hier kann man sie – und viele andere – näher kennen lernen. Interessant sind auch die vielen Verweise auf irische Musik bzw. Lieder, sei es, dass Geburts- und Begräbnisort von Turloch Ó Carolan aufgeführt sind, sei es wegen der Schauplätze der Balladen von Percy French oder weil wir eine Zeile aus dem berühmtesten aller irischen Macaronics (zweisprachige Lieder, in denen ein oder zwei Zeilen in der einen, die nächsten dann in der anderen Sprache verfasst sind) lesen – aus „Dó bhi bean uasal“, das bekanntlich in Carrickfergus spielt („down by the sea“).

Gabriele Haefs

 

HERMANN RASCHE / HARALD RAYKOWSKI – Literarischer Führer – Irland

Update vom
09.02.2023
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